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i²-Kommunikation – Interne Kommunikation neu gedacht: Vertrauen ist gut, Kontrolle…?

Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Sie und Ihr Partner oder Ihre Partnerin haben einen großen Kreis an Freuden zum Essen eingeladen. Alle plaudern und speisen nett miteinander, als Ihr Partner plötzlich das Glas erhebt und zu einer Rede ansetzt, in der er verkündet, dass er befördert wurde und ab sofort an jeweils drei Tagen der Woche in London arbeitet. Als Sie ihn abends zur Rede stellen, warum Sie, als unmittelbar Betroffene(r), nicht vorab von ihm informiert wurden, erhalten Sie folgende Antwort: „Du, ich hatte einfach Angst, dass Du es vorher jemandem sagst oder auf Facebook stellst oder so. Und dann wäre ja die ganze Überraschung für alle dahin gewesen.“ Na? Spüren Sie schon den Ärger in Ihrem Bauch? Haben Sie auch verstanden, dass Ihr Partner Ihnen gerade gesagt hat, dass er Ihnen nicht vertraut und Sie für eine Klatschbase hält? Und was müsste Ihr Partner wohl alles tun, um diese Gefühle bei Ihnen wieder auszuräumen?

Informieren statt „dumm halten“

Ähnlich fühlt sich ein Mitarbeiter oder ein Mitglied einer jeden Organisation, der immer und immer wieder nicht von demjenigen informiert wird, der dafür eigentlich zuständig wäre, sondern durch externe Medien oder den Buschfunk. Ohne dass ich eine wissenschaftliche Untersuchung dafür vorlegen könnte, häuft sich seit einigen Jahren die Zahl von Anekdoten beispielsweise über Vertriebsmitarbeiter, die von ihrem Kunden darüber informiert werden, dass der eigene Arbeitgeber gerade von der Konkurrenz geschluckt wurde. Gleichzeitig begegne ich immer wieder der Frage oder der Diskussion, wie man interne Informationen in Zeiten von E-Mail, Facebook und Twitter besser schützen kann, und beobachte, wie zahlreiche Unternehmen tatsächlich dazu übergehen, erst die Pressemitteilung zu verschicken und anschließend das Mitarbeiter-Memo mit folgendem Satz einzuleiten: „Wie Sie der Presse bereits entnehmen konnten…“.

Es steht außer Frage, dass Unternehmen und Organisationen aus zahlreichen Gründen Informationen schützen müssen bzw. ein hohes Interesse haben, dass diese im Unternehmen verbleiben. Und dabei geht es nicht immer gleich um die großen Geheimnisse der Menschheit, wie beispielsweise die Rezeptur von Coca Cola. Wir alle wissen, dass schon allein die zu frühe Veröffentlichung einer Information, die man unter Umständen gar nicht geheim halten wollte, PR-Strategien implodieren lässt und am Ende gar existenzgefährdend für ein Unternehmen werden kann. Es muss also dafür Sorge getragen werden, dass auch weiterhin nur berechtigte Personen, wie beispielsweise der Pressesprecher, zu einem abgestimmten Zeitpunkt Informationen im Sinne der Organisation nach außen tragen. Wie tut man das nun?

Ganz sicher nicht, in dem man Mitarbeitern Informationen vorenthält und damit nichts anderes tut, als sie dumm zu halten. Aus zwei Gründen kann ich davon nur dringend abraten:

  1. Wie das anfangs geschilderte Beispiel zeigt, führt ein solches Verhalten zum Vertrauensverlust bei den Mitarbeitern in die jeweilige Führung. Die Motivation und Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen wird bei einer solchen Kommunikationspolitik sukzessive abnehmen, was sich wiederum erheblich negativ auf die Leistungs- und Innovationskraft der Organisation auswirkt.
  2. Schlecht informierte Mitarbeiter liefern schlechtere Arbeitsergebnisse, weil sie entweder aufgrund fehlender Informationen in die falsche Richtung laufen oder zu viel Zeit damit verbringen, die relevanten Informationen zusammenzutragen.

Unwissenheit schafft das größte Risiko

Ich würde sogar behaupten, dass das Vorenthalten von relevanten Informationen die Wahrscheinlichkeit, dass diese doch an externe Personen weitergetragen werden, sogar erhöhen. Denn meines Erachtens gibt es nur zwei Ursachen, warum vertrauliche Informationen die Grenzen einer Organisation überschreiten können: Unwissenheit (die man manchmal auch „Blödheit“ nennen darf) und Absicht.

Letzteres meint die bewusste Absicht eines Mitarbeiters, seinem Unternehmen oder der jeweiligen Organisation zu schaden, sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen oder auf Missstände öffentlich aufmerksam zu machen, weil er dies für notwendig erachtet. Ich rede also zum Beispiel vom entlassenen Mitarbeiter, der sich an seinem Arbeitgeber rächen will oder sich zu einem Bonus verhilft, indem er Informationen an die Konkurrenz verkauft. Ich rede aber auch von Menschen wie Edward Joseph Snowden, dessen Enthüllungen ganz sicher nicht auf einem im Intranet der CIA veröffentlichtem Mitarbeiter-Memo basierten. Unabhängig von allen technischen Entwicklungen im Bereich der Kommunikation in den letzten Jahren gilt: Wer Informationen nach außen tragen will, schafft dies in der Regel auch – egal ob mit Kohlepapier oder per Twitter. Dass es heute leichter ist als jemals zuvor, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, ist unbestritten. Dass organisationsinterne Informationen deshalb einer größeren Gefahr ausgeliefert sind, würde ich jedoch bestreiten. Denn die Verletzung von Kommunikations- oder Vertraulichkeitsrichtlinien basiert meist auf der Unwissenheit von Mitarbeitern – nicht auf den neuen Verbreitungsmöglichkeiten.

Die Unwissenheit der Mitarbeiter kann in zwei verschieden Formen zum Risiko werden: Zum einen, wenn der Mitarbeiter sich gar nicht darüber bewusst ist, dass es sich um vertrauliche Informationen handelt. Zum anderen, wenn der Mitarbeiter sich nicht der Konsequenzen bewusst ist, die eine Verbreitung der Information nach sich zieht. Und das ist gleichzeitig auch meine Beweisführung für die These, dass das Vorenthalten von relevanten Informationen die Wahrscheinlichkeit einer ungewollten oder vorzeitigen Weitergabe erhöht. Denn wie soll ein Mitarbeiter korrekt mit vertraulichen Informationen umgehen können, wenn er es nie gelernt hat? Warum sollte er, wenn ihn Gerüchte erreichen, diese nicht weitertragen – wenn er doch eigentlich nur wissen will, ob sie auch stimmen?

Vertrauen ist der Anfang von allem

Dem allem können Sie nur durch Vertrauen in ihre Mitarbeiter, offene Kommunikation, Schulungen und das Aufstellen von Regeln entgegenwirken:

  • – Informieren Sie offiziell vorab – insbesondere die Führungskräfte – über relevante Ereignisse und bitten Sie im gleichen Atemzug um Vertraulichkeit.
  • – Informieren und schulen Sie Ihre Mitarbeiter immer und immer wieder im Umgang mit Informationen und zeigen Sie an konkreten Beispielen auf, welche negativen Konsequenzen die Weitergabe selbiger haben kann. Zeigen Sie auch auf, dass beispielsweise auch eine Weitergabe im privaten Umfeld oder auf der eigenen Facebook-Seite erhebliche Konsequenzen haben kann.
  • – Definieren Sie so konkret es möglich ist, wer berechtigt ist, Informationen an Dritte weiterzugeben.
  • – Definieren Sie so konkret es möglich ist, welche Informationen in keinem Fall an Dritte weitergegeben werden dürfen.
  • – Definieren Sie so konkret es möglich ist, welche Freigabeinstanzen Informationen durchlaufen müssen, bevor sie nach außen gegeben werden.
  • – Ahnden Sie die unerlaubte Weitergabe von Informationen angemessen.

Diese Regeln gelten ganz unabhängig davon, in welchem Kommunikationszeitalter wir uns gerade befinden. Oder anders gesagt: Für mich stellt sich die Frage nach einem anderen Umgang mit Informationen nicht aufgrund neuer Kommunikationswege. Facebook ist nichts anderes als das Gemeindebrett auf dem Dorfplatz vor der Kirche. Ob ich da einen Aushang über die Ereignisse der letzten Nacht in meinem Schlafzimmer dranhefte, ist keine technische Frage. Und ganz nebenbei: Welche Folgen es hatte, als Martin Luther seine Thesen ganz ohne Facebook an das Portal der Schlosskirche in Wittenberg schlug, weiß auch jedes halbwegs aufmerksame Schulkind.

„Vertrauen ist der Anfang von allem“ – eine große Weisheit, degradiert zum Werbeslogan. Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern und erarbeiten Sie sich das Vertrauen Ihrer Mitarbeiter. Ohne diese Basis wird keine noch so hohe Mauer Ihr wertvollstes Gut schützen.

Hier finden Sie alle bisher erschienenen Ausgaben zu „i²-Kommunikation“:
Teil 1: i²-Kommunikation – Interne Kommunikation neu gedacht. >>
Teil 2: Jammern oder Yammern? >>
Teil 3: „Und jetzt bitte alle!“ – die Einführung von Microblogging >>
Teil 4: Von der Spielwiese zum Unternehmensnetzwerk >>
Teil 5: Fakten, Fakten, Fakten >>
Teil 6: Mitmachen lernen und lehren >>

Über die Autorin: Thea Wulff (geb. 1980) studierte zunächst Medien- und Kommunikationswirtschaft an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Nach ihrem Abschluss baute Wulff ab 2003 die Abteilung Unternehmenskommunikation für den TV-Produzenten GrundyUFA auf. 2007 folgte der Auftrag zum Aufbau einer unternehmensinternen Aus- und Weiterbildungsstätte für Mitarbeiter, die sie inzwischen zur Personalentwicklung ausbaute. 2011 machte Wulff einen weiteren Abschluss an der FH Deggendorf zur Human Resources Managerin. Aktuell verantwortet Wulff die Leitung der Bereiche Unternehmenskommunikation und Personalentwicklung. Im April 2013 erschien über medienrot ihr eBook „Über den roten Teppich an die Bar“ – ein kompakter Leitfaden für die Planung und Organisation von Firmenevents und ähnlichen Veranstaltungen.