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Wie böse ist PR? (Teil 2)

Foto: AdobeStock/alphaspirit

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In den USA scheinen mir Corporate Influencer nahezu unbekannt. Vielmehr ist die Rede von Employee Advocacy – oder gar Employee Activism. Und daran zeigt sich eine interessante Kehrseite des Konzepts, die eigenen Mitarbeiter glaubwürdig für das eigene Unternehmen kommunizieren zu lassen: Mit der Reichweite, dem Selbstbewusstsein und dem kommunikativen Mandat richten sie sich zunehmend nach innen und fordern mehr Mitsprache im eigenen Unternehmen – vor allem, wenn um Werte geht.

Das gilt auch für Agenturen, wie Edelman jüngst erfahren musste. Wie die New York Times berichtet, sollte die Agentur offenbar für den Gefängnisbetreiber Geo Group tätig werden, der unter anderem für die US-Regierung arbeitet und in Verruf kam, als US-Behörden an der mexikanischen Grenze Kinder von Müttern trennten. Die Edelman-Mitarbeiter zogen da offenbar nicht mit. Inhaber und CEO Richard Edelman beendete das Mandat nach wenigen Tagen, ehe es tatsächlich begonnen hatte, und bemühte sich um Schadenbegrenzung. Der Beinahekunde reagierte verschnupft und wertete die Absage als Signal an die Kunden, wie die Agentur „unter politischem Druck“ reagiere. Im Sommer wurde via Buzzfeed bereits die Abschrift einer Mitarbeiterversammlung des Agenturkonzerns Ogilvy öffentlich, bei der Kollegen Konflikte in der Arbeit für die US-Grenzschutzbehörde sahen. Man arbeitete zwar mit Öl- und Tabakkonzernen, aber: „Wann ist es Zeit einzusehen, dass diesen Kunden anzunehmen, nicht die beste Entscheidung ist, die die Welt braucht“, fragt sich ein Kollege da sinngemäß.

Diese Frage beschäftigt offensichtlich auch Kollegen hierzulande, insbesondere, wenn sie zu einer jüngeren, politisierten Generation zählen. Zwar haben die Mitarbeiter, insbesondere in großen Agenturen und Beratungsunternehmen, oft die Option, Mandate abzulehnen, an denen sie nicht arbeiten wollen. Aber ihre Kollegen tun das dann, und das verursacht offenbar dieselben Gewissensbisse als würde man selbst aktiv. Wie böse ist PR? Das habe ich mich bereits vor zwei Jahren an dieser Stelle gefragt und dazu Stellung bezogen. Es bleibt für mich vor allem eine Frage des individuellen Kompass’, der vielen die Arbeit für kontroverse Kunden durchaus zulässt.

Ich höre aber inzwischen mehr und mehr von jungen Kollegen, die intern diesen Diskurs anstiften und organisieren. Sie zwingen Inhaber und Führungskräfte, stärker zwischen ihren wirtschaftlichen Interessen einerseits und den moralischen Belangen andererseits abzuwägen und auch klare Aussagen dazu zu treffen, auch wenn ein Generationenkonflikt beide Seiten nicht selten unterschiedlich urteilen lässt. Bekenntnisse und Kodizes, mit denen sich Beratungen und Agenturen über Jahre moralisch von kontroversen Mandaten abzugrenzen versuchten, verpuffen, wo die Diskussion nicht ernsthaft geführt wird und damit zu einer für Mitarbeiter verlässlichen Positionierung wird, die kein Lavieren mehr zulässt. Derzeit sehe ich die ersten Auswirkungen: Wo Unternehmen hinhalten und abwarten und aus der Debatte keine Konsequenzen ziehen, da tun es die jungen Kollegen. Sie gehen.


nico-kunkel_150x150pxÜber den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30. Er ist Herausgeber des PR Career Center, das PR-Studierende unterstützt und vernetzt. Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.