„Wenn das Böse PR braucht, dann hat das Böse Burson-Marsteller auf der Kurzwahltaste.“ So zitierte neulich der fluter, das Jugendmagazin der Bundeszentrale für politische Bildung und schrieb das Schlagwort „Propaganda“ darüber. Das Zitat stammt von der US-Journalistin Rachel Maddow, die in einem süffigen TV-Beitrag die Sünden der Agentur aufzählte. Namen wie Donnerhall: Ceauşescu, Pinochet, Three Mile Island und Bhopal, vor zehn Jahren Blackwater. Alles bei Wikipedia abrufbar, falls Sie Ihre Erinnerung auffrischen mögen.
Der Beitrag ist keine zehn Jahre alt, und dennoch wirkte er auf mich wie eine Episode aus dem Kalten Krieg. Damals war klar, wer gut und wer böse ist, zumindest macht uns das das 80er-Jahre-Kino weis. Wer ist heute böse? Ist Trump böse? Oder Erdogan? Und Putin? Die beide letztgenannten zumindest waren Reformer bevor sie Autokraten wurden, Putin sprach einst im Bundestag. So war das auch mit Ceauşescu, der in den 70er-Jahren dem Westen im Osten Türen öffnete, ehe er sich zu einem irren Diktator entwickelte.
Waffen sind böse? Zigaretten? Genfood? Zucker! Und was ist mit der Autoindustrie? Ist die böse? Zur Zeit vielleicht. Wer oder was böse ist, ist auch eine Frage von Perspektive, Zeitgeist und Kontext – und auch vom individuellen moralischen Kompass, ohne den Kommunikation selbst zur Gefahr wird. Das ist schwer auszuhalten, gehört aber zur Wahrheit unserer Branche.
Wer als PR-Mensch bei kritischen Themen mit Journalisten um Deutungshoheit ringt, gerät oft unvermeidlich selbst ins Kreuzfeuer. Mehr als Anwälte, Steuerberater, Reinigungs- und Cateringfirmen, die vermutlich auch für das Böse arbeiten.
Agenturen für ihre Kunden an den Pranger zu stellen, geht aus meiner Sicht aber heute am Problem vorbei. Diese Debatte fußt auf einem Vorurteil und unterschlägt, dass es in der PR im Gros nicht vorrangig darum geht, „die Wahrheit zu beugen“ und „Images zu polieren“, sondern Kanäle zu öffnen und Strukturen zu erhalten, die einen sinnvollen Austausch überhaupt erst ermöglichen. Das gilt erst recht für den Krisenfall.
Vor Gericht hat jeder „Böse“ ein Recht auf anwaltlichen Beistand. Für seine Vertretung gegenüber der Öffentlichkeit scheint das nicht zu gelten. Dienstleister müssen abwägen: Was ist aktuell gesellschaftlich vermittelbar? Was akzeptieren meine anderen Kunden? Spalte ich mit dem Mandat meine Belegschaft – und wie erkläre ich das meiner Familie?
PR-Unternehmer und -Angestellte müssen das von Fall zu Fall – und im Zweifel ganz persönlich – abwägen und dabei berücksichtigten, dass sie auch Wirtschaftsunternehmen sind. In den vergangenen Jahren ist die Branche dabei sensibler geworden. Auch wenn ich nicht für deren Wirksamkeit bürgen kann: Agenturen schreiben sich zumindest Selbstverpflichtungen und unterzeichnen Codes of Conduct oder bekennen sich zu Branchenstandards. Sie schließen ganze Branchen aus dem Portfolio aus oder gewähren Mitarbeitern ein Opt-Out für Mandate, für die diese partout nicht arbeiten wollen. Mir scheint auch, dass Agenturen heute häufiger Mandate ablehnen oder zurückgeben als früher. Eine Statistik kann ich dazu leider nicht nennen.
Die Ansprüche der Öffentlichkeit an die Ethik von Unternehmen sind mit Recht gestiegen, das gilt auch für PR-Agenturen. Wahrheit wird komplexer, vor allem seit Fakten nicht länger Fakten sind und schrumpfende Aufmerksamkeitsspannen zu schnellen Urteilen verleiten. Wir quälen uns in der öffentlichen Meinungsbildung mit Filterblasen und Fake News, mit Medien, die keine mehr sind, und deren Absender und Agenda oft verschleiert werden.
Das zeigt: Nicht für wen Sie arbeiten, ist böse, sondern vor allem wie. Ihr größtes Asset als PR-Arbeiter ist Ihre Glaubwürdigkeit, die eine erkennbare ethische Haltung braucht, die nicht (beliebig) für mehr Kohle die Seiten wechselt. Dazu gehört, Ross und Reiter Ihrer Arbeit zu benennen. Dazu gehört Fairness bei der Wahl der Methoden. Dazu gehört, Ihre Interessen transparent zu machen. Auch wenn diese umstritten sind. Das muss man schon verkraften können.
Über den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30 (www.30u30.de). Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.