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Und nun verlassen wir die Burg: „War for Talents“ im Social Web

Foto: © Fotolia/Coloures-pic
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Kaum eine Beraterphrase hat bisher eine ähnlich lange Halbwertszeit wie die des „War for Talents“. Genaugenommen wird bereits so lange über diese Metapher geschrieben und vorgetragen, dass sich inzwischen die Talente in einer ganz neuen Generation formieren. Aber auch darüber ist hinlänglich nachgedacht worden.

Gleichwohl interessant ist die aktuelle Erkenntnis, dass die Anzahl der erreichbaren Talente durchaus nicht so begrenzt ist, wie vielfach und überwiegend und sicherlich teilweise auch rückversichernd herausgestellt wurde. Jedenfalls, wenn die Beherrschung der deutschen Sprache nicht als conditio sine qua non, sondern mit etwas mehr Gestaltungswillen angegangen wird. Die Grenzen entstehen im Kopf.

Die Talente sind also da – und die allermeisten talentierten Zielgruppen sind heutzutage auch digital aktiv, wissbegierig und/oder mitteilungsfreudig. Je nach Fakultät und Lebensabschnitt variieren die grundsätzlichen Formen und Facetten des Engagements, aber der digitale Austausch wird stärker, der Einfluss auf die Meinungsbildung und wichtige Entscheidungsprozesse auch. Digital wird normal.

Die Wirtschaftswoche stellt aktuell im Karriereteil die Möglichkeiten der „Digitalen Personalsuche“ noch als innovativ heraus und verweist darin – dankenswerterweise – auch auf den Werkzeugkasten des Autors dieser Zeilen. So lässt sich relativ schnell eine operative Nähe zu gesuchten Zielgruppen und Personenkreisen aufbauen. Über eine redaktionelle Themenerschließung hinaus ist damit auch die unmittelbare Unterstützung von Recruiting-Maßnahmen zeitgemäß möglich.

Damit haben wir in einem Schwenk über die Zielgruppen und den Digitalraum die Aktivitäten der Arbeitgeber erreicht. Hier ist natürlich die Verstärkung der Anstrengungen in Recruiting sowie im deutlich Award-trächtigeren Employer Branding zu begrüßen. Bleiben wir aber noch einen Moment bei der initialen Floskel und behalten unter dem Aspekt Zielgruppe primär die Talente und nicht Jurymitglieder im Blick.

So ist zu bemerken, dass sich in den letzten Jahren auch die Realität des „War“-Begriffs verändert hat. Da dies aber eine ganz andere Bühne ist, könnte diese Fortschreibung wenngleich wichtig, aber doch unnachvollzogen geblieben sein. Gleichwohl wurde diese Metapher seinerzeit bewusst gewählt, um die große, ja elementare Bedeutung zu unterstreichen, die das „Ringen um Talente“ erhalten wird.

Und – dies soll der zentrale Punkt meiner kurzen Ausführung sein – diese Fortentwicklung wurde von den allermeisten Arbeitgebern nicht nachvollzogen, was aber durchaus geboten erschiene. So pflegen die allermeisten Unternehmen noch einen Darstellungsstil, der an eine mittelalterliche Burg erinnert: Durchaus buntes Treiben, eine klare Trennung von innen und außen. Gastgeber mit einem deutlich definierten Kontrollanspruch und -herrschaftsbereich.

Inzwischen weisen Konflikte einen hybriden Charakter auf: Es gibt nicht die offene Feldschlacht mit Rittern oder Panzern. Operationen finden filigraner statt. So gilt nach wie vor nicht, dass Arbeitgeber direkt gegeneinander antreten. Aber die Projektionen ihrer Arbeitgeberbilder stehen im Auswahlwettbewerb auf den Tummelplätzen der Talente.

Dieser Wettbewerb wird nun nicht mehr durch buntgeschmückte Burgzinnen, sondern durch die lokale Präsenz in den Diskussionsforen der Zielgruppen beeinflusst. Arbeitgeber müssen lernen, auch dort Gast zu werden. Dort, wo nicht ihre Fahne über allem anderen flattert. Hierzu bietet das weit gefasst Social Web herausragende Möglichkeiten, die weit über eine eigene Facebook-Seite oder andere ähnliche Burg-Anbauten hinausgehen.

Über den Autor:
Prof. Dr. Martin GrotheProf. Dr. Martin Grothe ist geschäftsführender Gesellschafter der complexium GmbH und Honorarprofessor an der Universität der Künste Berlin. Er ist Vorstand des Deutschen Competitive Intelligence Forums dcif e.V., Beirat von Quality Employer Branding Queb e.V., der dotBERLIN-Initiative, und Dozent am Institute for Competitive Intelligence ICI. Alma Mater ist die Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung WHU.
Im September 2014 erschien das neuste Fachbuch “Personalmarketing für die Generation Internet” von Prof. Dr. Martin Grothe.

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