15 Denkanstöße für die digitale PR-Arbeit

Vor zwei Wochen habe ich mich mit vielen Ideen für ein digitales Presse-Kit auseinandergesetzt. Jetzt möchte ich daraus die Auswirkungen auf die tägliche PR-Arbeit ableiten. Schließlich wäre es zu einfach, nur mal eben schnell eine Liste mit Ideen ins Netz zu stellen. Denn erst durch angepasste Arbeitsweisen können Profis den Zuwachs an Geschwindigkeit und Umfang bewältigen, der durch ein digitales Presse-Kit entstehen kann.

Die folgende Liste ist wie gewohnt als Anregung zu verstehen. Sie ist kein Mantra, hat nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und ist auch kein Allheilmittel. Im besten Falle gibt sie Ihnen ein paar Denkanstösse oder reaktiviert Ihre eigenen Kenntnisse.

And now sports:

– SILBER –

1. Geschwindigkeit: Bei der Umsetzung ist das Tempo in Digitalien immer noch das oberste Gebot. Warum? Weil es das Netz erwartet, weil die BewohnerInnen des digitalen Dorfes die hohe Frequenz an Informationshäppchen gewohnt sind. Aber bitte verwechseln Sie Geschwindigkeit nicht mit Hast.

2. Entscheidungsfreude: Nichts bremst auf den Straßen von Digitalien mehr als die Angst vor einer schnellen Entscheidung. Sie führt zu Kollisionen, die in medialen Massenkarambolagen enden können. Doch man kann Entscheidungen auch zügig neuen Gegebenheiten anpassen. Meine eigene Maxime: Entscheide, auch mit der Chance auf einen Fehler! Denn im Digitalen kann man permanent nachjustieren.

3. Rückgrat: Die Netzwelt ähnelt dem kleinen gallischen Dorf, in dem Kollege Asterix wohnt. Es gibt viele Meinungen, breite Gegenwehr und schnellen Widerspruch – und jeder Mensch kann all das lesen, hören, sehen oder gar äußern. Digitale PR muss sich also wirklich dem Dialog stellen. Und dafür braucht es starke Nerven. Wenn Sie also Ihren Kommunikationsprozess starten wollen, achten Sie mehr denn je auf Ihre Argumente und überprüfen Sie diese auf ihre Standfestigkeit.

4. Empathie & Vertrauen: Aufgrund der technischen Möglichkeiten des Dialogs in Echtzeit werden Sie nicht umhin kommen, Ihrem Team, Ihren DienstleisterInnen und Ihren KommunikatorInnen viel Empathie und großes Vertrauen entgegen zu bringen. Schlüpfen Sie in die Rolle Ihres Gegenübers, verstehen Sie die Denkweisen und überprüfen Sie dabei Ihre eigenen Argumente und Arbeitsweisen. Es wird ein Erkenntnisgewinn auf Ihrer Seite stattfinden, der Sie Ihrem Kommunikationsziel ein gutes Stück näher bringen wird. Denn wenn Sie die Gegenseite bzw. Ihre/n KommunikatorInnen verstehen, fällt es Ihnen viel leichter, Ihre eigenen Argumentationslinien zu optimieren.

5. Stehen Sie zu Fehlern: Sie, Ihr Unternehmen, Ihre Organisation oder Ihre Auftraggeber sind im Web nahezu gläsern. In Zeiten vernetzter Informationsflüsse können selbst Laien eine Unmenge an Daten und Fakten ausgraben und verknüpfen. Sie werden finden, was sie suchen. Und selbst das, was sie nicht gesucht haben. Auf lange Sicht sollten Sie also lieber Fehler eingestehen und eine Kommunikationsstrategie dafür entwickeln, wie Sie den Umgang mit Problemen und Fehlern kommunizieren. Wer eigene Verfehlungen nicht zugeben kann, provoziert erst recht, dass NetzbewohnerInnen nachhaken und zu digitalen ArchäologInnen werden.

– GOLD –

6. Erreichbarkeit: Zurecht gibt es immer wieder Diskussion über die permanente Erreichbarkeit von ArbeitnehmerInnen. Auf der anderen Seite gibt es das rund um die Uhr geöffnete Internet. Sorgen Sie also in Ihrem Team für eine gestaffelte Arbeitszeit, um die Erreichbarkeit der Kommunikationsabteilung auszubauen. Was nicht heißen soll, dass ein Team keine Pausen braucht. Doch freitags nach 13 Uhr in der Pressestelle niemanden mehr zu erreichen, ist im digitalen Zeitalter tragisch.

7. CSR: Corporate Social Responsibility wird schnell als Buzzword-Bingo abgehakt. Ich glaube fest daran, dass dies ein Fehler ist. In Zeiten digitaler Nacktheit, in der viele (uncharmante) Informationen nur einen Klick entfernt sind, werden Personen, Unternehmen oder Organisationen permanent hinterfragt. Nachhaltige Arbeitsweisen sollten in allen Bereichen schon deshalb auf den Plan gerufen werden, weil sie dabei helfen, unangenehme Informationen zu vermeiden. Bitte verwechseln Sie aber CSR nicht mit „Green Washing“.

8. Digitale KommunikatorInnen sind heterogen: BloggerInnen, Social Media Profis, Speaker, Camp-VeranstalterInnen, JournalistInnen – sie alle sind Meinungs- und Informationshubs in Digitalien und wollen unterschiedlich angesprochen werden. Nutzen Sie die volle Bandbreite, wenn Sie Ihr Thema bzw. Ihren Prozess digital begleitet wissen wollen. Finden Sie die passende Ansprache für diese verschiedenen Gruppen. Und am Ende gibt es immer noch das gute, alte Telefon. Ein direktes Gespräch wirkt manchmal Wunder!

9. Trial & Error: Es ist ein altes Prinzip, welches ich selbst aus der Software-Entwicklung und von zahlreichen (Re-)Launches verschiedener Webprojekte kenne. Die digitalen Kommunikationsprozesse sind derart komplex geworden, dass es kaum Menschen geben dürfte, die alle Eventualitäten vorab in ihrer Strategie bedenken können. Starten Sie also gut vorbereitet in eine Kampagne. Aber führen Sie sich immer wieder dieses Prinzip vor Augen und justieren Sie nach oder definieren Sie neu, wenn sich wichtige Parameter ändern. Das fertige Produkt gibt es nicht mehr. Apps, Texte, e-Books – Informationen werden heute per Update auf den neuesten Stand gebracht. Die Menschen in Digitalien wissen das, womöglich erwarten sie es sogar. Machen Sie sich diese Erwartungshaltung zunutze und planen Sie Probierphasen in Ihre Aktivitäten ein.

10. Track & Check: Das Tracking von Online-Aktivitäten aller Art wird in Zeiten von „durchgetracktem“ Online-Marketing immer mehr zur Grundlage für die Berechnung und Bereitstellung von Budgets. Ergo: Je eher man seine digitale Arbeit mit nachvollziehbaren Zahlen belegen kann, um so besser ist die Ausgangslage beim nächsten Budgetmeeting – oder eben nicht. Gewöhnen Sie sich an den Gedanken, dass die Arbeit in Digitalien quantifiziert werden will. Auch Ihre AuftraggeberInnen wissen, dass man inzwischen fast alles monitoren und tracken kann. Spätestens wenn Sie bei der Evaluierung mit seriösen Zahlen aus dem digitalen Wahnsinn aufwarten können, werden Sie viel souveräner in die nächsten Verhandlungen gehen und Learnings in die nächsten Kampagnen übernehmen können.

– PLATIN –

11. Informationen als Mehrwert begreifen, aufbereiten und anbieten: Jeder Meinungshub im Netz will einzigartig sein und seinen Usern einen Wissensvorsprung oder wenigstens einen Mehrwert liefern. Unterstützen Sie diesen Wunsch und bereiten Sie Ihre Informationen sorgfältiger denn je und in verdaulichen Portionen auf. Ein PDF, eine Infografik oder ein Video – alles kann ein Mehrwert sein. Und wie immer hängt’s vom Einzelfall ab, was gerade zu wem am besten passt.

12. Dialog auf Augenhöhe: „Nieder mit dem Standesdünkel!“ Spätestens jetzt dürften bei Ihnen alle Buzzword-Alarmglocken läuten. Richtig! Wenn man diesen Satz nicht mit Inhalt füllt, dann bleibt er eine hohle Phrase. Wenn Sie sich aber darauf einlassen und Ihren KommunikatorInnen auf Augenhöhe begegnen, Diskussionen zulassen und Ihre Argumente durchdacht präsentieren, dann erlangen Sie vielleicht ein kleines Stück jener Deutungshoheit zurück, die im Netz so oft und schnell verloren geht. Agieren statt reagieren, ist angesagt.

13. Live-Events: Gehen Sie auf Veranstaltungen wie Bar-Camps. Oder nehmen Sie an Workshops, Kongressen und Konferenzen teil, um Ihre relevanten MeinungsführerInnen kennenzulernen. So erfahren Sie noch besser, was sich Ihre digitalen HelferInnen wünschen, um ein Thema zum Kontext passend aufzubereiten.

14. Allrounder vs. SpezialistInnen? Vernetzung ist die Lösung: Die Anforderungen an digitale PR sind vielfältig und erfordern verschiedenstes Multimedial-Material. Sie sind entweder ein absolutes Allroundtalent und können wirklich tolle Infografiken, Videos und Webseiten selbst anfertigen – oder leiden an totaler Selbstüberschätzung. Wie wäre es als Alternative mit einem Team von SpezialistInnen? Heerscharen von Freelancern sind da draußen unterwegs. Sorgen Sie für deren Vernetzung und nutzen Sie das breitgefächerte Wissen. Denken Sie über onlinebasierte Tools nach, die eine digitale Zusammenarbeit möglich machen.

15. PRler als Marken? Ja! Ich glaube fest daran. PR-ArbeiterInnen dürfen sich als Profis auch selbst darstellen, sofern sie dem Bild dann auch standhalten können. Ein eigener Blog oder dauerhaft gut gepflegte Social-Media-Kanäle in eigener Sache können für die eigene berufliche Entwicklung wirklich von Vorteil sein. Das macht Sie attraktiv für andere ArbeitgeberInnen und/oder Ihre Meinungshubs.

GENERELL GILT: Diese Liste ist nicht vollständig. Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten der digitalen Kommunikationsarbeit. Sollten Sie also einen Best-Case haben oder Ihre Erfahrungen mit der medienrot-Community teilen wollen, dann nehmen Sie gern Kontakt zu mir auf: redaktion@medienrot.de.

Über den Autor: Jens Stoewhase ist verantwortlicher Redakteur für medienrot.de und Geschäftsführer der Rabbit Publishing GmbH, die dieses Onlinejournal im Auftrag der Landau Media AG betreibt. Bis Ende 2011 betreute er selbst u.a. die digitalen Aktivitäten zahlreicher kommerzieller Kinder- und Jugendmagazine und YPS. Stoewhase arbeitete vorher jahrelang für den Onlinebereich der TV-Serie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ und als Freelancer im Musikbereich und entwickelte Konzepte für digitale Angebote im Entertainmentsegment.