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Die Zukunft der regionalen Zeitung: Individualisierte lokale News für eine mobile Leserschaft

Foto: © AdobeStock/pizuttipics

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Welche Bedeutung haben lokale Nachrichten und Informationen für die Menschen? Was ist ihnen an lokalen Zeitungsmarken besonders wichtig? Welche Inhalte sind relevant? Und welche Erwartungen werden an Darreichungsformen und Produktformate gestellt? Diese Fragestellungen standen im Fokus der qualitativen Forschung, die im Studiengang Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM) unter der Leitung von Prof. Christof Seeger in Zusammenarbeit mit der Score Media Group umgesetzt wurde.

Nachdem der Crossmedia-Vermarkter eine umfassende quantitative Befragung zum Thema „Die Zeitung der Zukunft“ durchgeführt hatte (wir berichteten), ging es in den leitfadengestützten Gruppendiskussionen vor allem darum, tieferliegende Motive und Wünsche der Befragten aus unterschiedlichen Altersgruppen zu erfahren und daraus Erkenntnisse zur Gestaltung der Lokalzeitung von morgen abzuleiten. Die Rekrutierung der TeilnehmerInnen erfolgte durch eine quantitative Online-Befragung, in der bereits Basisfragen zur allgemeinen Mediennutzung, zur speziellen Bedeutung von lokalen Nachrichten sowie zur Nutzung von Angeboten lokaler Medienmarken gestellt wurden.

Das Lokale zählt und nur das Lokale
Bereits bei den 145 Befragten aus der quantitativen Rekrutierungsstudie wurde deutlich, dass über alle Altersgruppen und alle Lebensphasen hinweg lokale Nachrichten für eine deutliche Mehrheit (sehr) wichtig sind (70 % Top2 Box). Auch für 64 Prozent der jungen Zielgruppe aus der Lebensphase Postadoleszenz (bis 29 Jahre) haben lokale Informationen eine hohe bzw. sehr hohe Bedeutung. Das Interesse steigt in der Lebensphase Rush Hour (30 bis 49 Jahre) auf 69 Prozent an, am höchsten ist die Zustimmung mit 95 Prozent bei der Generation Zweiter Aufbruch (ab 50 Jahren). Die tiefergehenden Gruppeninterviews förderten dabei weiter zutage, dass bei den Inhalten vor allem zwei Aspekte die besondere Bedeutung des Lokalteils ausmachen: auf der einen Seite lokale Nachrichten und Geschichten, die auf emotionaler Ebene das Heimatgefühl und die Bindung zu einem Ort (positiv) verstärken, und auf anderen Seite Servicethemen als Antwort auf die Frage, was passiert vor Ort. „Für mich ist regional quasi die Verbindung aus […] Geokoordinate plus Interesse“, formuliert es ein Proband (45 Jahre), „[…] es geht uns ja allen irgendwie um die Stadt oder um die Region und so. Das ist für die meisten eine Herzensangelegenheit, weil wir uns ja in nichts anderem bewegen“, so eine Teilnehmerin (32 Jahre).

Überregionale Themen, die nicht in den lokalen Kontext eingeordnet werden, spielen in der regionalen Zeitung für die Befragten dagegen eine eher untergeordnete Rolle und werden an einigen Stellen als nicht mehr zwingend notwendig erachtet. Hier stehen der regionalen Tageszeitung eine Vielzahl an neuen Wettbewerbern aus der digitalen Welt gegenüber.

Nachrichtenkonsum der jungen Zielgruppe: on the go & individualisiert
Wie aus den Gesprächen weiter hervorgeht, ist es bei der Entwicklung zukünftiger Zeitungsangebote essenziell zu verstehen, WIE und WO die Inhalte konsumiert werden. Für die jüngste Alterskohorte ist hier wenig überraschend das Smartphone am relevantesten. Allerdings ist auch für die „Älteren“ Digitalisierung ein wichtiges Thema und neue Formate finden zunehmend Einzug in die Mediennutzung. Die klare Anforderung lautet: Die Zeitung der Zukunft muss vor allem auch ein Produkt sein, das einfach unterwegs konsumiert werden kann. Entsprechend signalisieren auch die Befragten in allen drei Altersgruppen Interesse an Audio-Formaten wie z.B. Podcasts, in denen lokale Nachrichten zusammengefasst sind.

Während bei den älteren LeserInnen noch ein ritualisierter Nachrichtenkonsum zuhause, auf dem Weg zur Arbeit oder am Arbeitsplatz dominiert, will die junge Zielgruppe aktiv angesprochen werden. So befürworten vor allem die jungen GesprächsteilnehmerInnen eine individuelle Ansprache in Form von Push-Nachrichten: „Ich denke einfach der Vorteil an […] dem digitalen Produkt ist, dass man eben Nachrichten einzeln ausspielen kann. Die werden dann eingespeist in […] eine News-App und die erscheinen sofort als Push-Nachricht“, erklärt hier ein 21-jähriger Studienteilnehmer.

Und Print? Auch gedruckte Zeitungsangebote sind von Interesse, doch wünschen sich die jungen StudienteilnehmerInnen statt der klassischen gedruckten Zeitung neben einem handlichen Format vor allem auch eine visuell ansprechendere, graphischere Aufbereitung der Inhalte.

Zahlungsbereitschaft ist vorhanden, aber bitte einfach
„Und für gute Berichterstattung muss ich halt auch was bezahlen. Das kostet Geld“, bringt es eine 58-jährige Frau auf den Punkt – ein Fakt, um den alle GesprächsteilnehmerInnen wissen. Ein entscheidender Faktor ist dabei allerdings der Zahlungsvorgang, der vor allem einfach sein muss. Prozesse und Modelle wie bei Spotify oder Netflix werden hier vielfach genannt.

„Die qualitative Studie unterstreicht erneut die zentralen USPs der regionalen Tageszeitungsmarken: Die Heimatverbundenheit, die lokale Nähe und die Exklusivität der lokalen Inhalte, hier sind die regionalen Tageszeitungshäuser hervorragend aufgestellt. Für die Zukunft geht es darum, diese Stärken in Verbindung mit einem differenzierten Produktangebot für die Konsument*innen auszuspielen“, kommentiert Carsten Dorn, Geschäftsführer der Score Media Group, die Ergebnisse. „Egal in welcher Darreichungsform: Die vertrauenswürdigen Umfelder der regionalen Tageszeitung werden werbungtreibenden Unternehmen in Zukunft noch mehr Möglichkeiten für ihre Markenauftritte bieten.“

Prof. Christof Seeger, Leiter des Instituts für angewandte empirische Kommunikationsforschung an der HdM, ergänzt: „Die Medienmarke wird in Zukunft immer wichtiger, da die einzelnen Produktformen austauschbar werden. Für die Verlage gilt es also, die Menschen möglichst früh mit der Medienmarke in Verbindung zu bringen.“


Studiensteckbrief

Quantitative Online-Befragung
/ Befragungszeitraum: 18.11.-9.12.2020
/ Postadoleszenz (U30) n=90, Rush Hour (30-49) n=35 und Zweiter Aufbruch (Ü50) n=20
Qualitative Gruppendiskussionen
/ Befragungszeitraum: 11.12.-18.12.2020
/ Stichprobe: n=16, unterteilt in die vier Gruppen Postadoleszenz, Rush Hour, Zweiter Aufbruch und eine gemischte Gruppe


Quelle: PM Score Media Group