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Zwischenbericht ADAC: Ja, wie denn nun?

Eigentlich hätte dies ein Artikel zum erdrutschartigen Abschied der Veranstaltung „Gelber Engel“ des ADAC werden sollen. In der Redaktion sammelten wir die verschiedenen Details zusammen und wollten am Ende dokumentieren, wie sich dieser Skandal um geschönte Zahlen zur Wahl „Das Lieblingsauto der Deutschen“ entwickelt hatte und welche Konsequenzen er nach sich gezogen hätte.

Doch nun ist alles anders. Der ADAC kommt aus der Skandalspirale gar nicht mehr heraus!

Am 14. Januar 2014 erschien ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung, der Schummeleien bei der aktuellen Preisvergabe thematisierte. In den darauffolgenden Tagen griffen die verschiedensten Medien das Thema auf. Der Automobilclub musste am Ende einräumen, dass es seit längerer Zeit schon Manipulationen bei der Preisvergabe gegeben hatte. Als Konsequenz musste ADAC-Chefredakteur und Kommmunikationschef Michael Ramstetter als Verantwortlicher seinen Hut nehmen. Der pompöse Auto-Award wird gar komplett eingestellt.

Es folgt die klassische Aufarbeitungsstrategie: Der Verein entschuldigt sich für Medienschelte und bedauert die Manipulationen. Der ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair geht in die Offensive und gelobt im Interview mit Spiegel Online eine umfangreiche Aufklärung durch eine externe Instanz.

Eigentlich würde man sich als Kommunikationsprofi nun die Rückkehr zur Normalität wünschen, wahrscheinlich den Fall transparent aufarbeiten und vor KundInnen, PartnerInnen und Mitgliedern einen Kotau machen. In der Hoffnung, dass man die verloren gegangene Reputation zurückgewinnen kann.

Tatsächlich muss man sich in der Führungsetage des ADAC inzwischen ganz warm anziehen. Denn jetzt wird von Seiten der Medien offenbar an allen Ecken und Enden nach Verfehlungen der Vereinsoberen gesucht. Und man wurde fündig: Die Nutzung der durch Spenden finanzierten Rettungshubschrauber und der Rettungsjets. Aktuell wurde auch bekannt, dass der ADAC-Regionalclub Hessen mithilfe von Mitgliedsbeiträgen ein Grundstück erworben und für einen Geschäftsführer eine Villa gebaut haben soll. So weit, so schlecht.

Wir haben Heiko Kretschmer, Gründer und Geschäftsführer Johanssen + Kretschmer, und Klaus Eck, Gründer und Geschäftsführer und Managing Partner der Eck Consulting Group, um ihre Einschätzungen zum „Fall ADAC“ gebeten.

Herr Kretschmer, Herr Eck, nach dem Bekanntwerden des Frisierens von Award-Zahlen wird gleich die Frage nach dem Sinn des ADAC gestellt. Wie konnte es dazu kommen, dass die Medienwelt jetzt den kompletten Verein infrage stellt?

heiko-kretschmer-copyright-j+kHeiko Kretschmer: „Hinter der gefälschten Zahl an Teilnehmern steht ja symbolisch die Frage, dass der ADAC sich als größte Lobbyorganisation in Deutschland geriert hatte. Die Erkenntnis, dass offenbar nur knapp 20 bis 30 Tausend Menschen an einer Wahl zum Auto das Jahres teilnehmen, rückt die Kommunikationspower des ADAC in ein ganz neues Licht. Da sich der ADAC in den vergangenen Monaten sehr dezidiert politisch positioniert hatte, musste er mit der Gegenoffensive aus Kreisen der Mautbefürworter rechnen. Der Umstand, dass man mitten in der Krise, noch bevor man die eigenen Verfehlungen zugab, die Medien beschimpfte und dabei die Vorstände mehrerer Automobilkonzerne als eigene Kronzeugen instrumentalisierte, musste schließlich zu einer konzertierten Absetzbewegung führen. Bleibt abschließend die Feststellung, dass der Wirtschaftskonzern ADAC in letzter Zeit schon öfter mit Zahlenspielen aufgefallen und mit seiner Intransparenz für Berichte gesorgt hatte. Es gab also genug im Internet recherchierbares Material, das nun zur Story zusammengeschrieben werden konnte. Letztlich hat sich diese Krise also schon seit mehreren Jahren schleichend entwickelt und ist nun explosionsartig zum Durchbruch gekommen.“

klaus-eck-copyright-eck-groupKlaus Eck: „Die Rolle des ADAC wird so stark hinterfragt, weil die Enttäuschung über die falschen Zahlen sehr groß und die Glaubwürdigkeit der Marke angeschlagen ist. Die Reputation des ADAC beruht in erster Linie auf die Pannenhelfer, die auch weiterhin von der Bevölkerung geschätzt werden. Diese Leistung wird keinesfalls in Frage gestellt. Anders sieht es mit den anderen Aufgaben des ADAC und einer falschen Selbstwahrnehmung aus. Viele der 19 Millionen Mitglieder und vor allem die Journalisten misstrauen der politischen Positionierung des ADAC und sehen im Auftreten des Vereins eine gewisse Hybris. Bisher zeichnete der Verein sich durch seine Undurchsichtigkeit aus. Zu Anfang verweigerte sich der ADAC der Kritik, danach sah der Verein darin den Fehler eines Einzelnen. Demgegenüber gehen viele Journalisten von einem „System“ aus und decken immer neue vermeintliche Skandale auf.“

Wie kann der ADAC jetzt in die Offensive gehen und langfristig das Vertrauen von Mitgliedern, Politik und Öffentlichkeit zurückgewinnen?

heiko-kretschmer-copyright-j+kHeiko Kretschmer: „Es hilft nichts. Genauso umfassend wie die Krisengründe, so umfassend muss auch der Ansatz der Krisenlösung sein: Entwicklung einer klaren Governance, Compliance gerechtes Verhalten, Trennung von Geschäftszwecken und Vereinsangelegenheiten, Verzicht auf Interessenkonflikte (was auch Verzicht auf bestimmte Geschäftsmodelle heißen kann), Transparenz über das eigene Verhalten.“

klaus-eck-copyright-eck-groupKlaus Eck: „Der ADAC müsste seine heutige Rolle selbst stärker hinterfragen und sogar über eine Neupositionierung nachdenken. In jedem Falle würde es ihm guttun, die Kritik anzunehmen und mit viel Transparenz und Empathie darauf zu reagieren. Das geschieht bisher kaum oder gar nicht. Es reicht nicht mehr aus, die Autopreis-Verleihung durch ein Prüfungs- und Beratungsunternehmen untersuchen zu lassen und irgendwann einen Bericht dazu herauszugeben. Das wirkt wie ein Spielen auf Zeit und ein Versuch, auf weitere personelle Konsequenzen zu verzichten. Die Forderungen in der Öffentlichkeit gehen längst viel weiter. Die vorhandenen Social Media Kanäle des ADAC werden viel zu unzureichend genutzt, um auf die Kritik zu reagieren.“

Es bleibt also abzuwarten, welche Fehltritte noch publik werden oder ob jetzt das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Der Schaden für den ADAC ist noch nicht ganz einzugrenzen. In jedem Fall ist das Image bei den Mitgliedern und in der Öffentlichkeit beschädigt. Die Meinungsmacht bei verkehrspolitischen Themen dürfte zumindest in nächster Zeit infrage gestellt werden, was ein erhebliches Problem für die Lobby-Arbeit des Vereins sein dürfte. Die finanziellen Auswirkungen in Bezug auf die zahlreichen Versicherungs-, Reise- und Finanzdienstleistungen sind ebenfalls noch nicht abzusehen.

Knapp 19 Millionen Mitglieder sollten zumindest Grund genug sein, dass sich die Führungsebene des ADAC jetzt zügig in die Spur macht, um sowohl die Kommunikation als auch das System ADAC zu hinterfragen und neu anzugehen.

jst-autorenbildÜber den Autor: Jens Stoewhase ist verantwortlicher Redakteur für medienrot.de und Geschäftsführer der Rabbit Publishing GmbH, die dieses Onlinejournal im Auftrag der Landau Media AG betreibt. Bis Ende 2011 betreute er selbst u.a. die digitalen Aktivitäten zahlreicher kommerzieller Kinder- und Jugendmagazine und YPS. Stoewhase arbeitete vorher jahrelang für den Onlinebereich der TV-Serie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ und als Freelancer im Musikbereich und entwickelte Konzepte für digitale Angebote im Entertainmentsegment.