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Working Dad: Warum auch Väter Vorbilder brauchen.

Foto: © AdobeStock/goodluz
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Von echter Gleichberechtigung sind wir noch weit entfernt, das wurde zum Weltfrauentag wieder laut und deutlich. Als Stellschraube (eine von vielen) fällt mir immer stärker die faire und partnerschaftliche Arbeits- und Rollenverteilung junger Eltern auf: Sie macht jungen Paaren Kopfzerbrechen.

Statistisch sind Männer in Beziehungen älter und damit häufig einen Karriereschritt voraus, zudem reden wir seit gefühlt immer vom Gender-Pay-Gap, das sich warum auch immer nicht geschlossen wird. Folge: Der Vater arbeitet weiter, weil so einfach mehr Kohle in der Familienkasse bleibt. Väter (wie Mütter) treibt zudem die Angst vor dem Karriereknick, zudem die Sorge inhaltlich den Anschluss zu verlieren in unserer Branche, in der sich ja vermeintlich alles immer so schnell dreht.

Junge Väter aber wollen mehr Familie, dieser Wunsch ist für mich mittlerweile unüberhörbar. Im Corona-Jahr kamen mir in meiner (freilich nicht-repräsentativen) Junge-PR-Talente-Community Schwangerschaften und Vaterfreuden so häufig unter wie nie zuvor. Flexible Arbeitszeitmodelle und Homeoffice sind notgedrungen im Trend und das führt jungen Vätern einerseits vor Augen, wie stark die Belastung in einer jungen Familie sein kann, die immer noch die Mütter überproportional schultern. Und andererseits macht es ihnen klar, was sie verpasst hätten.

Doch den werdenden jungen Vätern fällt es offensichtlich nach wie vor schwer, die Angst vor dem Karriereknick zu ignorieren oder ein flexibleres Arbeitszeitmodell wie selbstverständlich einzufordern, weil es oft nicht selbstverständlich ist. Selbst modern denkende Führungskräfte haben alte Schranken im Kopf, derer sie sich nicht bewusst sind. Ich erlebe erstmals junge Väter, die nachempfinden, wie sich werdende Mütter wohl fühlen müssen, bevor sie in der Agentur von ihrer Schwangerschaft erzählen: Es kostet Mut.

Wir wähnen uns in der PR-Blase in einem vergleichsweise progressiven Umfeld, aber sind das die Branche, die Unternehmen, die Auftraggeber wirklich? Sie ticken im Zweifel konservativ, und ausgeglichene Elternzeit oder Teilzeit für Väter hinterlässt noch immer einen faden Beigeschmack. Wie immer: Es braucht mehr Vorbilder, die den Schritt erleichtern und zeigen, dass die Richtung stimmt. Unternehmen wie SAP oder Bosch verknetzen intern junge Väter oder schicken Newsletter, die Beispiele liefern. Auch unternehmensübergreifende Netzwerke wie das Väter-Netzwerk helfen.

Es ist eine Gerechtigkeitsdebatte, eine sehr emotionale dazu. Und unabhängig davon hat sie eine wirtschaftliche Dimension. Divers aufgestellte Teams liefern schlicht bessere Einfälle, auf die es in Zeiten der Veränderung besonders ankommt. Und der Fachkräftemangel ist trotz Krise real. Wir können uns es schlicht nicht leisten, auf helle Köpfe in den Unternehmen und Agenturen zu verzichten. Helle Köpfe, die eben auch Mütter oder Väter sind.

Ohne die Väter allerdings, die sich mehr Vaterschaft leisten, werden wir das moderne Familienbild in den Unternehmen nicht etablieren. Junge Väter werden dazu mit den Füßen abstimmen, Krise hin oder her. Unternehmen, die diese Diskussion offen und kompromissbereit aufgreifen und ernst nehmen können, werden profitieren. Sie liegen im Trend. Sie werden nicht nur leichter Talente gewinnen, sie werden vor allem weniger Talente verlieren. Unternehmerisch scheint mir das doch ein Anreiz zu sein.

Im Vorfeld zum Weltfrauentag hatten wir uns unter der Regie von Susanne Marell im Clubhouse als reine Männergruppe getroffen, um einen kleinen Kontrapunkt zu setzen. Uns trieb die Frage um: Wie lassen sich Karriere und Familie für (junge) Väter vereinen? Danke an Susanne Marell, die den Talk angestiftet hat, danke an Claudio Rehmet-Halfmann, Martin Camphausen, Steffen Braun und Philip Müller, die ihre Erfahrungen geteilt haben.


nico-kunkel_150x150pxÜber den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30. Er ist Herausgeber des PR Career Center, das PR-Studierende unterstützt und vernetzt. Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.