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Wo die Journalistin Werbung vorliest

Foto: © Tobias Koch für meko factory

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Im Alleingang werden Podcasts wohl nicht den Journalismus retten, aber sie bieten neue Möglichkeiten: Viel Raum für aufwendige Recherchen etwa oder einen Einblick in die Arbeit von Journalisten. Das muss allerdings auch finanziert werden.

Während die meisten Zeitungen in Deutschland verzweifelt um Leser kämpfen, wird ein Format immer beliebter: Podcasts, hierzulande zunächst eine Randerscheinung, gehören für viele Menschen mittlerweile zum Alltag. 22 Prozent der Deutschen hören nach Angaben des Digitalverbands Bitkom aus dem Jahr 2018 Podcasts. Bei den 14- bis 49-Jährigen sind es sogar 30 Prozent.

„Rettet der Podcast-Boom den Journalismus?“ Unter diesem Titel stand der jüngste Mediensalon, der am 5. Juni in Kooperation mit dem Hörbuch- und Podcast-Anbieter Audible in der taz-Kantine in Berlin stattfand. Allein: Mit dieser Frage hielten sich die Gäste auf dem Podium nicht lange auf. Podcasts seien ein Geschäft von vielen, sagte Medienjournalist Daniel Bouhs (u.a. Zapp).

Das sah auch Anja Pasquay, so. Die Sprecherin des Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV) bezeichnete Podcasts als »ein kleines Beiboot neben anderen«. Auch Patrizia Schlosser, preisgekrönte Podcast-Redakteurin, setzt in ihrer Arbeit als freie Journalistin nicht allein auf das Audioformat. Für Journalisten seien Podcasts allerdings eine zusätzliche und willkommene Möglichkeit, ihre Arbeit anzubieten.

Großer Hype um Podcast aus den USA

Schlosser hatte 2018 den Deutschen Radiopreis für den Audible-Podcast „Im Untergrund“ gewonnen – gemeinsam mit Audible-Redakteur Tim Kehl, ebenfalls zu Gast im Mediensalon. Für „Im Untergrund“ begibt sie sich gemeinsam mit ihrem Vater, einem früheren Streifenpolizisten, auf die Suche nach drei untergetauchten, mutmaßlichen RAF-Mitgliedern. Über ein Jahr hat sie an der investigativen Audioserie gearbeitet, sechs Folgen sind entstanden.

„Im Untergrund“ ist eines der Beispiele für einen Podcast, der ein Thema sehr ausführlich und mit aufwendiger Recherche verfolgt. Damit erinnert „Im Untergrund“ an den US-amerikanischen Podcast „Serial“, der ungelösten Kriminalfällen nachgeht. Von Moderator Johannes Altmeyer (Welt) nach dem Grund für den Podcast-Boom gefragt, kam Tim Kehl auf die erste „Serial“-Staffel aus dem Jahr 2014 zu sprechen. Diese Staffel war so erfolgreich, dass sie vielen
Beobachtern als eine wesentliche Ursache für den Durchbruch von Podcasts gilt.

Podcasts, die Geschichten erzählen, sollte es mehr geben in Deutschland, sagte Patrizia Schlosser. Dieser Meinung ist auch Sandra Sperber die beim Spiegel das Ressort Audio leitet und für den Spiegel-Online-Podcast »Stimmenfang« verantwortlich ist. „Podcasts in Deutschland bedeuten oft: Zwei Leute reden miteinander“, sagte Sperber. Für „Stimmenfang“ sei man bemüht, den Hörern Inhalte als Geschichten nahezubringen. Das sei aber natürlich aufwendiger. In Zeiten zunehmenden Misstrauens gegenüber Medien seien Podcasts eine Möglichkeit, die eigene
Berichterstattung zu erklären und „die Menschen hinter der Geschichte zu zeigen“, so Sperber.

„Mancher wird die Nase rümpfen“

Wer den „Stimmenfang“-Podcast startet, hört zunächst, wie Sandra Sperber Werbung vorliest. Dieses Modell der so genannten „Host-read Ads“ habe sich für „Stimmenfang“ bislang bewährt. „Mancher wird die Nase rümpfen“, sagte Sperber. Doch dieses Finanzierungsmodell erlaube es dem Podcast, auf die nervige Werbung zu verzichten, die man aus dem Radio kennt, wo einem
bisweilen die neuesten Sonderangebote regelrecht entgegen geschrien werden. Sie lege bei ihrem Umgang mit den Werbepartnern Wert auf Distanz, sagte Sperber, und würde keine persönlichen Empfehlungen für Produkte aussprechen.

„Stimmenfang“ ist frei zugänglich – anders als Formate, die nur über ein Abo eines der üblichen Audio-Anbieter oder eine Paywall zugänglich ist. Bei einer Paywall, betonte Anja Pasquay vom BDZV, sei es wichtig, dass die Zahlung möglichst unkompliziert funktioniert. Paywalls seien oft sehr umständlich. „Wenn wir sagen, wir stecken etwas hinter die Paywall, dann ist es manchmal fest dahinter“, sagte sie.

Medienjournalist Daniel Bouhs brachte den Streamingdienst Spotify ins Gespräch, der in Sachen Podcasts ein „relevanter Player“ sei. Kritisch sieht Bouhs, dass Spotify den Podcastern zwar erlaube, ihre Werbekunden mitzubringen, sie allerdings nicht an den eigenen Erlösen durch Werbung oder Abo-Beiträge beteilige. Da hakte Sandra Sperber vom Spiegel kurz ein: Es gehe auch um Reichweite, die eine Plattform wie Spotify generiere und die man den Werbekunden verkaufe.

Spotify sei als Plattform für Podcasts „sicher auch am einfachsten zu nutzen“, sagte Bouhs. Seiner Ansicht nach ist das eine entscheidende Frage für die Marktfähigkeit eines Podcasts: Wie einfach ist er zugänglich?

Unterschiede zwischen den Generationen

Sie müsse oft erklären, wie und wo man ihren Podcast hören kann, sagte Sandra Sperber. Dabei gebe es große Unterschiede zwischen den Generationen. Gerade Älteren müsse sie erst einmal erklären, was ein Podcast überhaupt ist. Diese beiden Welten zusammenzubringen – die regelmäßigen Hörer und die Podcast-Anfänger –, sei nicht einfach. Unterschiede beobachtet sie auch in der Hörweise: Jüngere hörten Podcasts gern nebenbei, zum Beispiel in der S-Bahn oder beim Putzen. Ältere hingegen machten es sich für das Podcast-Hören auch mal auf dem Sofa gemütlich.

Auch beim Mediensalon war zu spüren, dass Podcasts bei Jüngeren auf besonderes Interesse stoßen: Im Publikum saßen auffallend viele junge Menschen, vor allem junge Frauen.

So erfolgreich Podcasts auch sind – in der Berichterstattung spielen Podcast-Inhalte nach Ansicht von Audible-Redakteur Tim Kehl nur eine untergeordnete Rolle. „Nur wenige Journalisten schreiben Rezensionen über Podcasts“, sagte Kehl. Er bedauere das. Wer neue Formate entdecken wolle, der sei in der Regel auf Tipps von Freunden oder Kollegen angewiesen – oder auf Empfehlungen, die Podcast-Macher in ihren Sendungen geben.

Autorin: Sarah Schaefer für meko factory