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Wir machen mal was mit einem Bot

Armin Sieber (Jahrgang 1966) ist Gründer und Geschäftsführer der Sieber Senior Advisors. Seit mehr als 15 Jahren treibt ihn die PR Branche um – als Berater in führenden Consulting-Firmen und Kommunikationsmanager bei internationalen Unternehmen. Gerade ist sein neues Buch „Dialogroboter. Wie Bots und künstliche Intelligenz Medien und Massenkommunikation verändern“ erschienen.

Oliver Plauschinat, Head of Business Development bei Landau Media, hat Armin Sieber zum Interview getroffen und die Frage geklärt, welche Rolle KI in der Unternehmenskommunikation zukommt.

1. Was sind aus deiner Sicht aktuell die größten Barrieren bei der Umsetzung von KI in der Unternehmenskommunikation?

Da gibt es eine Reihe von Gründen. Zunächst einmal fehlt es oft an sinnvollen Use-Cases. Der Ansatz: „Wir machen mal was mit einem Bot“ ist grundsätzlich richtig. Neugier und Bereitschaft zum Experiment sind eine wichtige Voraussetzung. Wenn man aber von vornherein mit unklaren oder völlig unrealistischen Vorstellungen an solche Projekte heran geht, dann kann das viel Frust und Desillusionierung mit sich bringen. Am Anfang steht ein Use-Case – und der muss pragmatisch, realistisch und sinnvoll sein.

Viele Probleme haben schlicht mit Know-how zu tun. Unternehmen sitzen oft auf tonnenweise Daten – und sie wissen es gar nicht. Oder wenn sie es wissen, fehlt Ihnen die Expertise, wie man damit umgehen soll. Ist beides vorhanden, dann kämpft man sich an Zuständigkeitsfragen in den Datensilos ab. Und auch die mangelnde Kompatibilität und Integrität von Daten hat schon viele zu Verzweiflung getrieben.

Und schließlich hängt es auch mit dem digitalen Reifegrad zusammen. Manche Unternehmen sind gerade erst in der Digitalisierung angekommen. Andere kämpfen noch mit den Herausforderungen des integrierten Content Marketings. Nur wenige wie Siemens, Bosch oder die Telekom denken schon über den nächsten Schritt nach – wie man Kommunikation automatisieren kann. Und das ist eine gewaltige strategische Herausforderung.

2. Welche realistischen Anwendungsfelder siehst du beim Einsatz von KI in der Unternehmenskommunikation in den nächsten 12 bis 18 Monaten?

Am besten eignen sich Pilot-Projekte in der internen Kommunikation. Ich denke hier etwa an personalisierte Information, Knowledge-Management und natürlich auch Dialogroboter. Da sehen wir inzwischen eine Reihe von sehr interessanten Use-Cases.

Gut geeignet erscheinen mir auch Projekte mit Natural Language Generation – so genannten Redaktionsrobotern. Wir haben etwa für ein großes Telekommunikationsunternehmen ein automatisiertes Einladungskonzept bei Großevents entwickelt. Zu einem internen Zukunftskongress wurden an die Mitarbeiter hoch individualisierte Einladungen verschickt, die von einem NLG-Algorithmus geschrieben wurden. Keiner der Texte war identisch. Durch individuelle Vertextungsstrategien nahm der Redaktionsroboter auf sehr persönliche Merkmale der Teilnehmer Bezug – und zwar sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Alle waren von dem persönlichen, individuellen und frischen Stil der Einladungen überrascht. Niemand kam auf die Idee, dass eine Maschine das geschrieben hat.

3. Welche konkreten Use Cases beim Einsatz von KI in der Kommunikation kennst du und wie bewertest du diese?

Grundsätzlich sehe ich sechs Ansatzpunkte dafür:

· Identifikation von interessanten Medieninhalten (etwa für das Topic Surfing)

· Recherche und sammeln von relevantem Content

· Identifikation von relevanten Influencern (Influencer Listening)

· Produktion von Content und Texten (etwa in Form von Rohtexten)

· Automatisierung von Dialogen (etwa durch Dialogroboter)

· Orchestrierung und Kuratieren von individuellen Inhalten

In all diesen Bereichen wird KI bereits eingesetzt und hier wird ihr Einsatz auch noch weiter stark ausgebaut. Marketing und Unternehmenskommunikation unterscheiden sich im Hinblick auf diese Entwicklungen nicht. Allerdings gibt es gravierende Unterschiede im Hinblick auf Formate, Inhalte und Zielgruppen der Kommunikation. Und natürlich verfügen viele Marketing-Abteilungen nach wie vor über deutlich höhere Budget-Kraft – dort fällt es leichter, in die notwendige Infrastruktur zu investieren.

4. Welche Rolle könnten zukünftig PR-Dienstleister wie Landau Media, Talkwalker, Brandwatch etc. beim Einsatz von KI in der Unternehmenskommunikation einnehmen?

Ich denke, dass sie eine entscheidende Rolle spielen können. Zum einen verfügen diese Unternehmen über das nötige Data-Know-How und sie haben in der Regel auch die KI-Expertise, die in den Unternehmen oft nicht vorliegt. Sie können so beim Aufbau von Realtime Monitoring, bei Sentiment-Messungen und Real-Time-Reputationsanalysen unterstützen – sowohl in den klassischen Medien als auch in den Influencer-Ökosystemen. Dadurch können Unternehmen ins Influencer Listening und Topic Surfing einsteigen. Sie können beispielsweise datengetriebene News Rooms einführen und eine ausgeprägte Outside-In-Kommunikation etablieren.

Allerdings müssen die Kommunikationschefs ihre strategischen Hausaufgaben machen, denn da gibt es keine One-size-fits-all-Lösung. Automatisierung heißt nicht Rationalisierung. Es bedeutet Probleme in Zukunft besser und kreativer zu lösen, als man es bisher getan hat. Und das fängt mit den Menschen in den Kommunikationsabteilungen an. Der Erfolg im Zeitalter der KI hängt mehr denn je von den Prozessen, vom Mindset der Menschen und von einer agilen Kultur ab. Da setzen unsere Beratungsprojekte in der Regel auch an: Bei der Digitalisierungsstrategie und beim Aufbau einer agilen Kommunikationsabteilung.


Das Interview führte: Oliver Plauschinat, Head of Business Development bei Landau Media. Der diplomierte Betriebswirt verfügt über langjährige Erfahrungen bei der Entwicklung sowie dem Einsatz von unterschiedlichen Researchmethoden und Daten in der Unternehmenskommunikation. Als Keynote Speaker, Dozent und Autor engagiert sich Oliver Plauschinat, um die Themen Planung, Steuerung und Messbarkeit von Kommunikation weiterzuentwickeln und zu professionalisieren.