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Warum wollt ihr die Maschine schlagen?

KI Stockfoto mit Roboterhand
Foto: © AdobeStock/M.Dörr & M.Frommherz

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Beat the machine: Warum wollt ihr die Maschine schlagen? Das fragt sich Branchenkenner Nico Kunkel in seiner Kolumne. Wir Menschen seien v.a. die Datenquelle, dank der KI lernt – und statt das überbieten zu wollen, sollten wir es für uns nutzen.

Ich gehöre zu den Menschen, die immer nach Google Maps navigieren, die dann unterwegs aber die Route anzweifeln, weil sie mehr ihrer vermeintlichen Ortskenntnis und ihrem Bauchgefühl trauen. Mehr als der Künstlichen Intelligenz und den Daten. Und ich gerate deshalb nicht selten vom Weg ab. Oder in den Stau.

Warum ist das so? Warum tue ich mir so schwer, Verantwortung an die Maschine abzutreten? Beat the Machine heißt das Motto des Super Communication Land 2020, der Veranstaltung, die mir den Anlass zu dieser Frage gibt. Wie schlagen wir (Menschen) die Maschine, die KI, den Algorithmus, der so einen schlechten Ruf hat? Und: Warum wollen wir das überhaupt?

Als der Bagger erfunden wurde, wie dachten die Schaufler darüber? Haben sie den Bagger direkt als Werkzeug wahrgenommen, das ihre Arbeit erleichtert – oder erst ermöglicht? Oder sahen sie einen Angstgegner, einen Fressfeind, der ihre Existenz bedroht? Das Bild ist unrealistisch. Trotzdem: So ähnlich verhält es sich doch mit der Künstlichen Intelligenz in einer intellektuellen Industrie, wie sie die PR ist. Ob wir KI als Wettbewerber oder als Werkzeug betrachten, ist eine Frage der persönlichen Haltung. Konsequenz: Wenn es keine Schaufler mehr braucht, wie werde ich schnellstens zum Baggerführer?

Auch ich frage mich das. Als Netzwerker beschäftige ich mich hauptberuflich mit Menschen und Persönlichkeiten, fördere und verbinde kluge Köpfe, damit sie ihre Ziele erreichen, indem sie voneinander lernen. Intelligente (analoge!) Netzwerke sind eine Form, Wissen zu organisieren, von dem ich heute noch nicht weiß, dass ich es in Zukunft brauchen werde. Was, wenn ein Algorithmus meine Aufgabe besser erledigt als ich? Angeblich errechnet LinkedIn heute bereits gut, wann wer mit einem Arbeitgeberwechsel liebäugelt – warum nicht also auch, wer von wem lernen kann.

Ängste aber vernebeln die Sicht. Die Erzählung von der Künstlichen Intelligenz (in der Kommunikation) hat so einen revolutionären Nachhall, den ich deshalb für gefährlich halte. In Wirklichkeit schleicht sich die Veränderung (leider?) nur schrittweise ein, das lässt uns aber immerhin den Raum, uns damit zu arrangieren, wenn wir das wollen. Unternehmen wie Siemens zeigen, wie sinnvolle Evolutionen in der Kommunikation dank KI aussehen können: Algorithmen senken Fehlerquoten, die KI liefert Textbausteine, sie individualisiert Kommunikation und übernimmt lästige Verschlagwortungen. Das ist zunächst profan, aber im PR-Alltag hilfreich.

Wir reden andernorts auch von automatisierten Reputationsanalysen und der Echtzeit-Beobachtung von Influencer-Kommunikation, so dass sich Vorstände noch während Pressekonferenzen auf Fragen vorbereiten lassen können, die noch nicht gestellt wurden. Ich höre von Daten-Tanks, in die der Verlauf von Vorstandskommunikation gepumpt wird, damit eine Künstliche Intelligenz herausfischt, wo sich die nächste Krise anbahnt oder Reputationsrisiken verbergen. Quantum Computing und Machine Learning verändern Wissenschaft, Medizin und die Finanzmärkte. Also auch den Kommunikationsberuf. Aus Sicht der KI sind wir als Benutzer nicht einmal mehr Ursache oder Rechtfertigung für ihre Existenz, wir Menschen sind vor allem die Datenquelle, dank der die Künstliche Intelligenz lernt. Wir werden das nicht überbieten, aber für uns nutzen können.

Ich halte es mit Jack Ma, Gründer von Alibaba, der einst auf dem World Economic Forum sinngemäß formulierte: Schickt eure Kinder spielen. Wir sollten sie nicht (nur) das Programmieren lehren, sondern sie in Kreativität schulen. Maschinen programmierten sich in absehbarer Zeit nämlich selbst. Übersetzt für PR-Menschen bedeutet das: Kritisches Denken bewahren, Mut zu Originalität und Individualität fördern, Kreativität ausleben, Empathie zulassen, unberechenbar bleiben, Improvisation üben. Es sind die komparativen Vorteile des Menschen gegenüber der Maschine.


nico-kunkel_150x150pxÜber den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30. Er ist Herausgeber des PR Career Center, das PR-Studierende unterstützt und vernetzt. Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.