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Warum das Pfeffer-Ranking unscharf ist – und doch das beste, das wir haben.

Foto: © Fotolia/enterlinedesign
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Der Frühling ist da. Es blüht und es sprießt, und es „rankt“, pflegte der ehemalige Kollege Sebastian Vesper zu sagen. Im Frühjahr erscheinen zahlreichen Ranglisten zur Branche. Unser Urgestein Gerhard Pfeffer steuert seit gut 20 Jahren die Nabelschau der größten PR-Agenturen in Deutschland bei – basierend auf dem jährlichen Honorarumsatz mit PR-Arbeit.

Ein bisschen verhält es sich damit wie früher mit der Bravo. Alle lesen das. Aber keiner will’s gewesen sein. Verlässlich spielen die Agenturbosse bei uns Journalisten die Relevanz des Rankings herunter. Es sei denn, man macht Boden gut. Dann flattert uns die Jubel-PM ins Haus. Im Zwiegespräch echauffieren sich viele über die Unschärfen der Erhebung oder sie zweifeln direkt die Performance der Konkurrenz an.

Das Ranking ist umstritten.

Stiefkind der Branche etwa ist die mc group, seit 2012 offiziell Marktführer. Geschäftsführer Harald Zulauf meidet die Branche – und die Branche ihn. Viele halten es für schleierhaft, wie und wo die Umsätze entstehen oder wundern sich über die angebliche Profitabilität. Für 2016 weist die mc group einen beachtlichen Pro-Kopf-Umsatz von mehr als 170.000 Euro aus.

Anlass zur Debatte liefern auch die meisten anderen Agenturen in der Top-10-Liste, die Verluste im Ranking vermeiden wollen und kreativ rechnen können. Unkt man zumindest. Wettbewerber und ausgeschiedene Manager spielen nämlich jedes Jahr eine interessante Begleitmusik zu den offiziellen Zahlen, und manchmal erregen auch anderswo veröffentlichte Zahlen den journalistischen Spürsinn.

Amerikanische Netzwerkagenturen melden in der Regel nicht an Pfeffer. Sie verstecken sich gerne hinter dem Sarbanes-Oxley-Act, der es börsennotierten Unternehmen angeblich untersagt, die Zahlen für ihre Töchter preiszugeben. Dem ist nicht so. Nur: Veröffentliche Zahlen müssten korrekt sein, will man das Gesetz nicht verletzen. Deutsche Statthalter scheuen das Risiko und den Aufwand. Sie lassen sich stattdessen von Pfeffer schätzen.

Pfeffer macht sich eine persönliche Leidenschaft daraus, die PR-Branche zu kartographieren und Zahlen zu erheben, die das PR-Geschäft in Deutschland abwirft. Vor zwanzig Jahren war das leichter abzugrenzen als heute, wo internationale Accounts und verblassende Grenzen zwischen den Disziplinen die Zuordnung erschweren – selbst für ehrliche Agenturen. Das Ranking hat so ohne Zweifel Unschärfen, mit denen übrigens ausländische PR-Rankings wie das von Paul Holmes ebenso zu kämpfen haben.

Eine gute Platzierung im Ranking bedeutet nicht, dass die Geschäfte durch die Decke gehen. Allenfalls profitieren die Top-10-Agenturen. Anfragen kommen dann nicht selten von Kunden aus dem Ausland, für die der deutsche Markt noch eine Black Box ist. Jenseits der Top-10-Liste sind konkrete Platzierungen ohnehin mit Vorsicht zu sehen. Die Honorarumsätze liegen relativ dicht zusammen und wir operieren in einem Markt mit überschaubaren Umsätzen. Der Verlust eines Kunden kann Agenturen abstürzen lassen, und das sieht dann auf den ersten Blick dramatischer aus als es ist.

Die Platzierungen verstellen die Sicht auf Geschichten, Köpfe, Trends, die sich mit den Agenturzahlen verbinden. Zahlt sich eine Positionierung aus? Wie erfolgreich arbeitet eine neue Führungsmannschaft? Verwerfungen im Ranking sind nur Anhaltspunkte für die Recherche – für Journalisten und für potenzielle Kunden ebenso. Für unterschätzt halte ich die Auswertungen des Rankings nach Branchen und Regionen, die unsere komplizierte deutsche Agenturlandschaft gut aufschlüsseln.

Und vergessen Sie nicht: Es ist ein Umsatzranking. Wir arbeiten in der Kommunikation mit Menschen und in Beziehungen. Für die Agenturauswahl ist die Größe der Agentur mitunter nicht das entscheidende Kriterium. Sondern Kundenzufriedenheit, Beratungsqualität, die Loyalität von Mitarbeitern.

Die Branche bemängelt die Bewertung nach Umsätzen gerne. Andererseits verschließt sie sich verlässlich dem Versuch einer neuen Vermessung – und Verbände wie Fachmedien haben sich damit eine blutige Nasen eingehandelt. Pfeffer ist gesetzt, sein Ranking bleibt der Benchmark.

nico-kunkel_150x150pxÜber den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30 (www.30u30.de). Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.