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Warum Agenturen Pitches hassen

Foto: © AdobeStock / Chris Titze Imaging

Pitches sind bei Agenturen bekanntlich sehr unbeliebt. Wie sehr, das zeigt die Neuauflage einer Studie der Agentur-Management-Beratung Cherrypicker, an der ich in den letzten Wochen mitwirken durfte. Fast 500 Agenturen wurden zu ihren Erfahrungen mit Pitches befragt. Nur sechs Prozent halten demnach den Pitch für ein geeignetes Instrument zur Agenturauswahl.

Und die Zahlen in der Studie liefern uns eine Ahnung, warum das so ist: Erstens werden Pitches offenbar immer komplexer, damit steigt der Aufwand für die Agentur. Zum zweiten schrumpfen die Etats, um die es im Pitch überhaupt geht. Das bedeutet konkret: Die Wirtschaftlichkeit von Pitches gerät gleich von zwei Seiten unter Druck, was langfristig die Qualität der Agenturarbeit gefährden wird. Dennoch nehmen Agenturen den Zahlen der Studie zufolge heute deutlich mehr Pitcheinladungen an als noch vor fünf Jahren, als Cherrypicker die Befragung zuletzt unternommen hat.

Warum ist das so?

Kunden überfrachten Pitches nicht selten mit der Komplexität der Kommunikationsarbeit, die ihnen täglich Kopfschmerzen macht. Allerdings ist der Pitch nicht die Bühne, um Kommunikationsprobleme zu lösen, sondern nur um den besten Problemlöser zu finden. Es geht im Pitch nur darum, ob die Chemie zwischen den potenziellen Partnern passt – und ob der Kunde der Agentur die Problemlösung prinzipiell zutraut. Je komplexer Kunden ihre Pitchaufgabe stellen, desto weniger aussagekräftig ist am Ende das Ergebnis. Sie überfordern das Format und sich selbst: Denn sie müssen die Ergebnisse der Pitchaufgabe sinnvoll bewerten.

Weil andererseits Projekte kleiner und kleinteiliger werden, werden das auch die Etats, um die gepitcht wird. Für zunehmend komplexe Aufgaben braucht es offenbar heute ein bewegliches Set an Dienstleistern, das den Full-Service-Anbieter verdrängt. Und einzelne Agenturen, die nur bei Teilprojekten oder kleinen Etats zum Zug kommen, lassen sich häufiger und schneller tauschen als früher. Große Etats und Retainer werden seltener.

Dennoch sehen sich Agenturen offenbar gezwungen, teuer in Pitches zu investieren, um die New-Business-Pipeline unter Druck zu halten. Das Investment pro Pitch kann substanziell ausfallen: Die große Idee allein überzeugt nicht mehr. Agenturen reflektieren heute weit mehr Informationen, Kanäle und Optionen als früher und müssen beweisen, dass sie Technologie, Daten und Komplexität managen können. Das kostet, frisst Ressourcen und Kapazitäten, die streng genommen bei Bestandskunden auf die Rechnung kommen müssen. Ich bin nicht sicher, ob das Einkäufern immer so bewusst ist.

Offenbar drängen insbesondere junge Manager zunehmend auf schnelle Pitches zur Agenturauswahl, weil sie Pitches für den Standard und Routine halten. Und weil Alternativen noch immer kaum bekannt sind. Branchennostalgiker wünschen sich die Tage zurück, als gute Ideen noch auf Bierdeckeln gescribbelt wurden und sich nachhaltige Partnerschaften auch aus spontanen Miniprojekten ergeben konnten. Alles vorbei – dank neuer Transparenz- und Compliance-Regimes in den Unternehmen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Gut, dass es diese Regeln gibt! Aber sie engen Entscheider bisweilen ein und befördern im Alltag Prozesse von fragwürdiger Effizienz.

In der Beliebtheitsskala – aus Agentursicht – hängen auch deshalb Formate wie Testprojekte, Workshops und Chemistry Meetings den Pitch ab. Bei weitem.

Disclaimer: Nico Kunkel hat an dem hier besprochenen Whitepaper mitgearbeitet.


nico-kunkel_150x150pxÜber den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30. Er ist Herausgeber des PR Career Center, das PR-Studierende unterstützt und vernetzt. Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.