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Vier Buchstaben, große Wirkung – die Macht des Nein

Foto: Gerrit Breustedt

Als DienstleisterInnen fällt es uns mitunter schwer, zurückzupushen, klare Kante zu zeigen oder einfach mal eine dumme Idee auch als solche zu entlarven. Intern, in Themen-Brainstorms oder Kampagnenentwicklung, scheuen wir nicht davor zurück, auch mal Kontra zu geben, aber kaum haben Kunde oder Journalist ein Anliegen, eiern wir gerne mal rum. Wir versuchen, es dem Gegenüber Recht zu machen. Dabei ist ein klares „Nein“ teilweise nicht nur erfrischend ehrlich, es ist auch Teil unseres Auftrags als BeraterInnen!

Jeder kennt die Situation, in der ein Kunde auf einen zukommt und eine Story in den Medien platziert haben möchte, von der wir im Vorfeld bereits wissen, dass sie niemanden interessieren wird. Im schlimmsten Fall soll sogar eine Pressemitteilung entstehen, die offensichtlich nur als weiterer Ballast die ohnehin schon überfüllten Inboxen der RedakteurInnen füllt und es nie in einen News-Feed schaffen wird. Klar, für den Kunden haben manche Entwicklungen eine ganz andere Bedeutung, als für einen selber oder gar die Welt da draußen. Hier gilt es, die Außenperspektive aufzuzeigen. „Der Kunde zahlt, also machen wir das“ darf nie ein Argument sein. Und wenn der Kunde trotzdem darauf besteht, dann gilt es die (fehlenden) Konsequenzen auch entsprechend nachzuhalten.
Ich hatte zum Beispiel mal eine Kollegin, die der Ansprechpartnerin eines Kunden mehrfach von einem Thema (Award-Gewinn) und einer dazugehörigen Meldung abgeraten hat. Der Kunde bestand darauf, dass das Thema dennoch bespielt wird. Das Ergebnis war das von der Agentur erwartete. Im daraufhin folgenden Review nahm meine Kollegin das Thema nochmal auf und rechnete Aufwand, Ertrag und Opportunitätskosten vor. Mit Erfolg: künftige Award-Gewinne würden in kurzen Sätzen auf der Webseite und in Social Media gefeiert, aber nicht mehr in der Pressearbeit verwendet.

Nein, weil …

Ein „Nein“ geht schnell von den Lippen. Wir beraten unsere Kunden jedoch nur dann und sind auch nur dann PartnerIn für redaktionelle AnsprechpartnerInnen, wenn dem „Nein“ auch eine entsprechende Begründung folgt. Klar, oft lehrt uns die Erfahrung oder zumindest ein bestimmtes Bauchgefühl, dass eine bestimmte Taktik nicht zum Erfolg führt oder möglicherweise über das Ziel hinausschießen wird. Und häufig ist es schwierig, dies auch klar zu artikulieren oder nachvollziehbar zu begründen. Das „Weil…“ ist aber ebenso wichtig wie das „Nein“ selber, denn alleinstehend gleicht es fast schon Renitenz.

Wir dürfen keine falsche Scheu vor einem initialen „Nein“ haben. Wir sind es unseren AuftraggebernInnen und PartnerInnen und letztlich auch unserer Rolle als BeraterInnen aber schuldig, uns im Zweifel noch eine zweite Meinung einzuholen, unsere Einschätzung zu begründen und gegebenenfalls auch nochmal mit Daten und Fakten abzusichern. Erst wenn die Ablehnung auch begründet und belegt ist, kann sie als Basis für weitere Diskussionen und zukünftige Entscheidungen dienen.

Das gilt übrigens auch intern in Richtung der KollegInnen. Spricht juniorige KollegInnen deutlich häufiger direkt mit JournalistInnen, können sie die Relevanz eines Themas möglicherweise deutlich besser einschätzen, als Senior KollegInnen, die an der Strategie basteln. Auch hier gilt es, die eigene Einschätzung nicht herunterzuschlucken, sondern sachlich einzubringen.

Doch, weil …

Nur wenn eine Entscheidung mehr als ein reiner Impuls ist, dann kann sie im weiteren Verlauf auch bewertet und in einen anderen Kontext gestellt werden. Ein Text zu einem Award-Gewinn kann nämlich sehr wohl Sinn ergeben, wenn er über unternehmenseigene Kanäle an die Zielgruppen herangetragen wird, die sich dafür interessieren. Dann kann ein Interview zu einem artfremden Thema auf einmal Sinn ergeben, weil es die Möglichkeit bietet, entweder den Kontakt zum Redakteur/in zu intensivieren oder im gleichen Zuge Nebenthemen aufzumachen.

Und wenn die AnsprechpartnerIn beim Kunden trotz eindeutiger Beratung darauf besteht, ein Thema durchzudrücken, dann ist auch er in der Pflicht, seine Entscheidung zu begründen. Denken Sie an meine Kollegin. Es gibt natürlich Entscheidungen, die wir auch akzeptieren müssen. Aber ganz gleich, wie sie zustande kommen, es gibt immer einen Weg, die Weichen für bessere Entscheidungen in der Zukunft zu stellen.

Nein, aber …

Wird aus dem „Nein“, kein „Doch“, dann ist keiner von uns aus der Pflicht. Denn nur weil etwas nicht so funktioniert, wie es sich der AnsprechpartnerIn des Kunden vorstellt, heißt das nicht, dass es keine Alternativen gibt. Nochmal: Wir müssen unserem Kunden eine partnerschaftliche BeraterIn sein. Will der Kunde also ein Thema in einem bestimmten Format platziert sehen und wir lehnen dies ab, sollten wir hinterfragen, was der Kunde damit denn eigentlich erreichen wollte? Gibt es vielleicht andere Möglichkeiten zum Ziel zu kommen? Können wir andere Wege aufzeigen oder einen Alternativvorschlag machen, wie mit einem vielleicht schon freigegebenen Budget die gewünschte Aufmerksamkeit erreicht werden kann?

Ein „Nein“ alleine entbindet uns nicht von unserer Aufgabe als BeraterInnen. Deswegen ist ein „Ja“ auch oftmals die einfachere Antwort. Kommt das „Ja“ aber nicht von Herzen und aus tiefster Überzeugung, dann fällt es einem schneller auf die Füße, als einem lieb ist.

Klare Kante zahlt sich aus

Es gibt Dinge im Agenturalltag, die sind nicht verhandelbar. PR für bestimmte Themen zum Beispiel. Klar, dass muss jede Agentur für sich selber entscheiden und teilweise auch jede BeraterIn für sich gemäß des eigenen ethischen Standards. Aber wenn hier Klarheit herrscht, wissen die Angestellten auch ganz genau, wo sie sachlich klare Kante zeigen können. Pressemitteilungen nachtelefonieren ist ein anderes solches Thema. In unserer Agentur haben für uns klar definiert, dass wir so etwas nicht machen. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir damit nicht nur Redaktionskontakte vergrätzen, sondern auch langfristige Kontakte zerstören. Ich kenne da zum Beispiel einen Redakteur der FAZ, der entsprechende Kollegen in seinem Telefonbuch markiert, um in der Folge nicht mehr ans Telefon zu gehen.

Wer ein „Nein“ (mit entsprechender Begründung) nicht akzeptiert, der sieht uns PR-BeraterInnen nicht als Kommunikationspartner auf Augenhöhe. Denn ein „Nein“ zeugt von Respekt der Aufgabe gegenüber. Es zu akzeptieren zeugt von Vertrauen. Drum lasst uns alle mehr „Nein“ wagen, da wo es Sinn macht.


Über den Autor:
Gerrit Breustedt ist Partner bei der Kommunikationsagentur Oseon. Er verantwortet den Bereich Relationships, das internationale Partnermanagement sowie die strategische Beratung und Kampagnenplanung für Adtech-, e-Commerce- und Medienunternehmen.