
Die Reden der deutschen DAX-40-Vorstandsvorsitzenden auf den Hauptversammlungen sind 2025 erneut ähnlich gut verständlich wie im Vorjahr – obwohl sie im Schnitt immer kürzer werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart. Seit 2010 analysiert Prof. Dr. Frank Brettschneider mit seinem Team, wie klar und nachvollziehbar die CEOs in ihren Reden kommunizieren.
Im Durchschnitt erreichen die Vorstände dieses Jahr einen Wert von 14,3 Punkten auf einer Skala von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich).
Spitzenreiter und Schlusslichter
Mit der maximalen Punktzahl von 20,0 führt Telekom-Chef Timotheus Höttges erneut die Liste der formal verständlichsten Reden an. Ihm folgen BMW-Vorstandsvorsitzender Oliver Zipse (19,3 Punkte) und Beiersdorf-CEO Vincent Warnery (18,9 Punkte).
Am anderen Ende der Skala steht Neuankömmling Helen Giza von Fresenius Medical Care mit lediglich 5,3 Punkten. Auch Hans Dieter Pötsch (Porsche SE, 6,7 Punkte) und Merck-Chefin Belén Garijo (7,2 Punkte) rangieren trotz Verbesserungen weiterhin auf den hinteren Plätzen.
Den größten Fortschritt in der Verständlichkeit verzeichnen Armin Papperger (Rheinmetall) mit plus 6,1 Punkten und Nikolai Setzer (Continental) mit plus 4,1 Punkten. Bemerkenswert ist zudem der Unterschied bei Oliver Blume: „Während er als CEO der Porsche AG mit 16,5 Punkten recht gut abschneidet, ist seine Rede als VW-Chef mit 12,4 formal weniger verständlich.“
Prof. Brettschneider erklärt dazu: „Die Verständlichkeit einer Rede liegt nicht nur am CEO, sondern auch an anderen Faktoren: den Redenschreibern und dem Zustand des Unternehmens. So gibt es über die Porsche AG mehr Positives zu berichten als über VW. Unangenehmes wird jedoch oft in Schachtelsätzen verpackt. Das reduziert die Verständlichkeit.“
Weniger Fachchinesisch, klarere Sprache
Laut Dr. Claudia Thoms vom Institut für Kommunikationswissenschaft tragen vor allem „Bandwurmsätze, abstrakte Begriffe, zusammengesetzte Wörter und nicht erklärte Fachbegriffe“ zur schlechten Verständlichkeit einiger Reden bei. Positiv: Überlange Sätze und extrem zusammengesetzte Wörter kommen immer seltener vor.
Auch der Gebrauch komplizierter Fachausdrücke, die nur Expert:innen verstehen, nimmt ab. Begriffe wie „FME25-Transformationsprogramm“ (Fresenius MC), „Antikörper-Wirkstoff-Konjugate“ (Merck) oder „Sustainable-Future Solutions“ (BASF) tauchen inzwischen vergleichsweise selten auf. Wo nötig, werden solche Fachwörter häufiger erklärt.
Beispielsweise erläutert Siemens-Healthineers-Chef Bernd Montag den Begriff „PET“: „PET steht für ‚Positronen-Emissions-Tomographie‘. Das ist ein bildgebendes Verfahren, das Stoffwechselvorgänge im Körper sichtbar macht.“
Henkel-Vorstand Carsten Knobel erklärt „Rezyklat“: „Hier haben wir den Anteil von recyceltem Kunststoff – sogenanntem Rezyklat – in den Verpackungen für verschiedene Produkte kontinuierlich erhöht.“
Dr. Thoms kommentiert: „Zu erläutern, was ‚Rezyklat‘ ist oder was unter ‚PET‘ zu verstehen ist, mag nicht für alle im Publikum notwendig sein. Dadurch steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass auch Personen mit weniger Vorkenntnissen das verstehen, was der Redner oder die Rednerin meint.“
Klarheit schafft Vertrauen
Prof. Brettschneider betont, dass die formale Verständlichkeit nur ein Teil einer gelungenen Rede sei. Noch wichtiger seien Inhalt, Aufbau und Vortragsstil. Dennoch gilt: „Formal verständliche Botschaften werden von den Zuhörenden besser verstanden und erinnert. Und verständliche Botschaften genießen mehr Vertrauen als unverständliche.“
Er empfiehlt daher Grundregeln für gute Reden: „kurze Sätze, gebräuchliche Begriffe, Fachbegriffe übersetzen und zusammengesetzte Wörter möglichst vermeiden. Denn nur wer verstanden wird, kann auch überzeugen.“
Reden werden kürzer
Ein weiterer Trend: Die CEO-Reden werden immer kürzer. Während die Jahreshauptversammlungen der DAX-30-Unternehmen 2010 im Schnitt noch 4.163 Wörter umfassten, sind es 2025 bei den DAX-40-Unternehmen erstmals weniger als 3.000 Wörter – konkret 2.879 Wörter.
Prof. Brettschneider kommentiert: „Der Trend zu knapper Kommunikation, den wir nahezu überall in der Gesellschaft beobachten können, scheint auch bei den CEOs angekommen zu sein.“
Hintergrund: Der Hohenheimer Verständlichkeits-Index
Der von den Kommunikationswissenschaftlern Prof. Dr. Frank Brettschneider, Dr. Claudia Thoms und ihrem Team entwickelte „Hohenheimer Verständlichkeits-Index“ misst die Verständlichkeit von Texten mithilfe der Software „TextLab“. Diese analysiert Faktoren wie Satzlänge, Wortlänge, Schachtelsätze und abstrakte Begriffe.
Der Index reicht von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich). Zum Vergleich: Politikwissenschaftliche Doktorarbeiten erreichen durchschnittlich nur 1,2 Punkte, während Hörfunk-Nachrichten 16,4 und politische Beiträge großer Zeitungen Werte zwischen 11 und 14 erzielen.
uni-hohenheim.de, uni-hohenheim.de (Studie, PDF)