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Urlaubsgespräch: Journalismus in Zeiten von Social Media

Foto: © Fotolia/tortoon
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Der Medienwandel ist überall zu spüren, selbst auf meiner Lieblingsinsel Hiddensee. Nicht nur, dass mich meine digitalen Informationsquellen hier genau so zuverlässig mit den aktuellsten Nachrichten versorgen wie an jedem anderen Ort der Welt oder dass man mehr Menschen mit Smartphones im Café sitzen sieht als mit Zeitungen. Nein, mein Urlaub gibt mir auch die Zeit für längere Gespräche über Journalismus.

Im Garten bei Kaffee und selbst gebackenem Kirschkuchen kamen wir so auf das Thema Social Media. Meine Gesprächspartnerin ist freie Mitarbeiterin beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und erwägt gerade, sich beruflich zu verändern. Als freie Mitarbeiterin ist sie eine Universalwaffe des Journalismus. Sie kann ihre Beiträge technisch selber produzieren und baut sich schon mal die Dusche mit einigen Kissen und Matratzen zu einem Tonstudio um, damit sie einen Beitrag professionell fertigstellen kann.

Meine Frage, ob sie neben einer Stelle bei einem öffentlich-rechtlichen Sender auch schon mal über eigene Social-Media-Formate nachgedacht hat, beantwortet sie abwehrend. „Das ist nichts für mich. Das kann ich nicht!“. Diese Antworten wiederholen sich immer wieder. Schnell bin ich in der Rolle des Social-Media-Evangelisten angekommen und zähle die diversen Vorteile des selbstständigen „Journalismus“ auf, den man in den sozialen Medien betreiben kann.

Ihre Argumente sind pro „klassischer“ Journalismus: Eine Redaktion kümmert sich um Themenfindung und kreative Programmgestaltung, sie produziert die bei ihr beauftragten Sendungen und moderiert live oder im Radio. Aufgabenteilung, Struktur und Sicherheit bietet ein solches System. Wobei das mit der Sicherheit so eine Sache ist für die freien Mitarbeiter … und die Bezahlung fällt nicht immer üppig aus.

Ich erzähle ihr von den Social-Media-Stars des Journalismus wie Richard Gutjahr, der als Fernseh- und Rundfunkjournalist eine klassische Medienkarriere absolviert und gleichzeitig als Ein-Mann-Medium auf allen Tasten der Social Media Klaviatur seine eigene Melodie spielt. Auch Garbor Steingart fällt mir ein, der bis vor Kurzem noch Herausgeber des Handelsblatts und Vorsitzender der Geschäftsführung der Handelsblatt Media Group war – und jetzt, nach seinem Ausscheiden, das mit seiner Person stark verbundene „Morning Briefing“, einen Newsletter mit den wichtigsten Themen des Tages, in Eigenregie weiterproduziert.

Meine Gesprächspartnerin hält mir zurecht entgegen, dass sie aber den Journalismus auch zum Broterwerb betreibe und eine Familie ernähren muss. Diese Aufgabe ist wohl mit Social-Media-Journalismus nicht zu erfüllen. So können zwar Influencer wie Bianca Heinicke mit ihrem „BibisBeautyPalace“ auf ein gutes Einkommen blicken, eher auf Information und Journalismus ausgerichtete Formate sind aber nicht annähernd so kommerziell erfolgreich wie diese Kosmetik-Videos auf YouTube.

Wenn ich jetzt mit Abstand auf die Diskussion zurückblicke, scheint es mir zwar obligatorisch, dass Journalisten in Zukunft ihre Netzwerke auch digital pflegen und sich als Influencer auf ihren Themengebieten positionieren, eine Familie ist damit aber nicht ernährt. Optimalerweise steigt durch Social-Media-Aktivitäten der eigene Marktwert, den man dann bei Verlagen oder öffentlich-rechtlichen Medienanbietern erzielen kann. Am Ende bleibt somit die alte Erkenntnis: Dem Journalismus fehlt im Moment das richtige Geschäftsmodell. Die Gesellschaft muss wieder lernen, dass guter Content auch Geld kostet, damit die Ersteller von gutem Content auch ihre Familien ernähren können.


Über den Autor: Uwe Mommert ist Geschäftsführender Gesellschafter von Landau Media. Darüber hinaus ist der Digitalexperte begeisterter Social Media- und Technology-Jünger und immer an innovativen Ideen interessiert. Für medienrot.de kommentiert Uwe Mommert regelmäßig das Mediengeschehen. Sie erreichen Uwe Mommert auch unter mommert@landaumedia.de, bei Xing und bei LinkedIn.