Umfrage: Finanz- und Wirtschaftsjournalisten haben kein Interesse an gegenderten PR-Texten

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Foto: © AdobeStock/MichaelJBerlin
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Deutsche Finanz- und Wirtschaftsjournalisten wollen keine gegenderten PR-Texte. Das ist das Ergebnis einer Online-Befragung der PR-Agentur redRobin unter 55 Redakteurinnen und Redakteuren vom Dezember 2022. Mit 84 Prozent (46 Teilnehmern) ist die Quote der Ablehnung hoch. Nur 13 Prozent (7 Teilnehmer) möchten gegenderte Texte erhalten, weitere zwei Teilnehmer überlassen diese Entscheidung dem Absender.

Besonders hoch ist die Präferenz für eine genderneutrale Sprache bei Männern: 94 Prozent der Teilnehmer wünschen sich Pressetexte ohne Sternchen, Doppelpunkt oder Binnen-I. Von den befragten Frauen wollen über die Hälfte (56 %) keine gegenderten Texte erhalten, 38 Prozent der Redakteurinnen bevorzugen PR-Texte, die sprachlich auf die Vielfalt möglicher Geschlechtsidentitäten hinweisen.

In den Texten des eigenen Mediums gendern nach eigenen Angaben aktuell nur 5 von 55 Befragten (9 %), das entspricht 19 Prozent der befragten Frauen und 6 Prozent der Männer. Bei 67 Prozent aller Redakteurinnen und Redakteure wird in den eigenen Medien nicht gegendert, weitere 20 Prozent geben an, dass geschlechtsbezogene Formulierungen derzeit von einigen Kollegen oder in einigen Texten eingesetzt werden.

Unter den Befragten, die den Geschlechtsidentitäten in der Sprache mehr Raum geben wollen, ist eine grafische Lösung mit Stern oder Doppelpunkt der Favorit, sechs von elf Teilnehmern präferieren diesen Weg. Vier Befragte setzen auf eine ausgeschriebene Doppelnennung wie „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Den durchgehenden Einsatz von Partizip-Konstruktionen wie „Arbeitnehmende“ oder „Anlegende“, die ebenfalls als genderinklusive Formulierungen vorgeschlagen werden, findet nur ein Teilnehmer sinnvoll.

Das generische Maskulinum bleibt auch in der Zukunft der Favorit der deutschsprachigen Finanz- und Wirtschaftspresse: Laut drei Viertel der Befragten (76 Prozent) gibt es in ihrem Medium keine Pläne, Geschlechtsidentitäten sprachlich stärker in den Vordergrund zu rücken, 13 Prozent geben an, dies sei für die Zukunft geplant.

Keine Text*/:e in der Praxis: Nennung von Geschlecht nur bei direkter Ansprache

Begleitend zur Umfrage wertete redRobin im Dezember 2022 auch den aktuellen Sprachgebrauch von 10 Publikationen der Finanz- und Wirtschaftspresse aus. Die Stichprobe bestätigt das Ergebnis der Befragung, dass das generische Maskulinum weiter der sprachliche Regelfall ist. Geschlechtsbezogene Formulierungen finden sich vor allem in Editorials und Kommentaren, wo „Leserinnen und Leser“ oder „Anlegerinnen und Anleger“ angesprochen werden.

Auch Partizip-Konstruktionen werden aktuell praktisch nicht genutzt. Grafische Ansätze mit Stern oder Doppelpunkt fanden sich einzig im Handelsblatt und nur in der Rubrizierung: Hier heißt die Seite, auf der Gründer porträtiert werden, jetzt „Unternehmer:in des Tages“.

Kommunikationsexpertin rät: Ansprache passend zur Zielgruppe

„Ob in der Sprache gegendert werden soll oder nicht, ist ein hoch emotionales Thema. Das merken wir nicht nur bei Gesprächen mit Kunden und Journalisten, sondern auch in den Diskussionen bei uns im Team“, sagt Susanne Wiesemann, geschäftsführende Gesellschafterin bei redRobin. Die Kommunikationsexpertin und ihr Team beraten im Schwerpunkt Unternehmen aus den Branchen Finanzen, Immobilien und Technologie und beobachten auch bei ihren Kunden Klärungsbedarf, wie sie in der Pressearbeit mit diesem Thema zukünftig umgehen sollen.

„Wie sich Menschen zum Gendern positionieren, ist eine sehr persönliche Frage. Die Diskussion mit wertenden Begrifflichkeiten wie der sogenannten gendergerechten Sprache weiter aufzuheizen, hilft aber in der Sache nicht weiter und geht auch am Thema vorbei“, so Wiesemann. „Ob Unternehmen wirklich gleiche Rechte und Chancen gewähren, zeigt sich nicht vorrangig in der Sprache, sondern in der Praxis.“

Wiesemann rät ihren Kunden zur Kommunikation, die auf den Bedarf der Zielgruppe zugeschnitten ist: „Die Finanzpresse ist keine Arena des Geschlechterkampfes und will dies auch nicht werden, das zeigt unsere Umfrage deutlich. Wer als Unternehmen hier Haltung zeigen will, kann das durch mehr Diversität bei den ausgewählten Repräsentanten tun, wie einer weiblichen CEO, einer Fondsmanagerin oder der zitierten Expertin.“ Bei der internen Kommunikation oder der Ansprache potenzieller Mitarbeiter könne je nach Dialogpartner dagegen eine stärker auf Diversität und Geschlechtsidentität ausgerichtete Sprache der Unternehmen sinnvoll sein.

Rat für deutsche Rechtschreibung gegen Aufnahme von Sonderzeichen

Immer mehr Unternehmen spüren den Bedarf, zu diesem Thema Stellung zu beziehen: Laut einer Umfrage der WirtschaftsWoche im Sommer 2022 haben bereits 64 Prozent der DAX-40-Firmen eine Mitarbeiter-Leitlinie zu ihrem Umgang mit dem Thema verfasst, ob, wie und mit welchen Zielgruppen auf welche Weise kommuniziert werden kann, sollte oder muss. In der Bevölkerung gibt es derzeit keine Mehrheit für diesen sprachlichen Wandel: Nach einer Umfrage von Infratest Dimap für die Welt am Sonntag von 2021 lehnen 65 Prozent der Befragten eine gegenderte Sprache ab.

Auch der Rat für deutsche Rechtschreibung spricht sich gegen die Aufnahme von Sonderzeichen im amtlichen Regelwerk aus. Der Rat hatte zuletzt im März 2021 erneut betont, dass die Sprache es ermöglichen solle, wesentliche Sachverhalte und Kerninformationen zu erfassen. Die Nutzung von Sonderzeichen zur Kennzeichnung verschiedener Geschlechtsidentitäten widerspreche dem Ziel, dass Sprache sachlich korrekt, verständlich, vorlesbar und auf verschiedene deutsche Sprachräume übertragbar sein solle.


Die Umfrage von redRobin wurde vom 13. bis 22. Dezember 2022 durchgeführt. Insgesamt füllten 55 Journalisten aus dem deutschsprachigen Finanz- und Wirtschaftsbereich den Online-Fragebogen aus, darunter 37 Männer und 16 Frauen.


<small< Quelle: redRobin