Tweets aus dem Weltall – kein Problem! Das hat Astronaut Alexander Gerst im vergangenen Jahr bewiesen. Ein populäres Thema und für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein Highlight in der Unternehmens- und Wissenschaftskommunikation. Wie diese organisiert ist und welche Themen sonst noch auf welchen Kanälen kommuniziert werden, verrät Sabine Hoffmann, Leiterin Kommunikation beim DLR, im Interview.
Das DLR beschäftigt sich mit dem Weltraum und über seine Arbeit berichtet vermutlich jedes Medium gern. Aufmerksamkeit ist also bereits da. Wie muss denn das DLR dann noch kommunizieren und mit wem?
Sabine Hoffmann: Das ist richtig. Wenn es um den Weltraum geht und um so faszinierende Missionen wie Blue Dot oder die Landung von Philae auf dem Kometen 67P, dann ist das DLR in aller Munde. Wir machen aber so viel mehr, z.B. in der Luftfahrtforschung sowie in der Energie- und Verkehrsforschung. Obwohl die Themen noch „alltäglicher“ sind und mindestens genauso spannend, ist es um ein vielfaches schwerer, sie auch in die Medien und damit an die Öffentlichkeit zu bringen. Eigentlich paradox. Für uns ist es deshalb wichtig, nicht nur auf die Verbreitung über die Medien via Pressemitteilung zu setzen, sondern auch die eigenen Web-Kanäle, wie z.B. YouTube oder Twitter zu befüllen. Die gute Mischung macht es möglich, ein vielschichtiges Publikum zu erreichen.
Das DLR hat solch populäre Themen, wie Alexander Gerst als Astronaut, ist aber vermutlich zum Stillschweigen verpflichtet, wenn es um Sicherheits- und Militärprojekte geht. Andere Projekte sind nur für ganz spezielle Nischenbereiche interessant. Wie wird dieser Bandbreite an Zielgruppen Rechnung getragen?
Sabine Hoffmann: Die Bandbreite der Zielgruppen ist mindestens so vielfältig wie die Bandbreite der Forschungsthemen, die wir in 32 Instituten und Einrichtungen bearbeiten. Allen gerecht zu werden, ist die große Herausforderung. Dabei spielt die interne Erwartungshaltung mindestens eine genauso große Rolle wie das externe Informationsbedürfnis. Zum Glück passiert es eher selten, dass großartige Forschungsergebnisse gleichzeitig verkündet werden müssen. Durch die gute Verknüpfung mit unseren Instituten und einer flexiblen Redaktionsplanung sind wir sehr erfolgreich. Darüber hinaus ist unser Medienverteiler so aufgebaut, dass wir unsere Ergebnisse sowohl breit streuen als auch gezielt Meldungen an Fachpublikationen absetzen können. Nach dem bekannten Gießkannenprinzip alles an alle zu schicken, hat sich nicht bewährt. Im Gegenteil. Zum Stillschweigen sind wir übrigens nur dann verpflichtet, wenn wir einen industriellen Drittmittelauftrag bearbeiten. Sobald wir Steuergelder für die Forschung einsetzen, ist es unsere Aufgabe, über unsere Forschung zu berichten.
Können Sie für ein DLR-Projekt beispielhaft beschreiben, wie die Kommunikation entwickelt und über die verschiedenen Medien und Zielgruppen gespielt wird?
Sabine Hoffmann: Große Projekte oder Missionen wie Blue Dot oder Rosetta werden von langer Hand geplant. An diese Planung wird die begleitende Kommunikation angepasst, in Absprache mit der Missionsleitung und den Wissenschaftlern. In gemeinsamer Arbeit entsteht ein Kommunikationskonzept, das die einzelnen Missionsetappen widerspiegelt. Jede dieser Etappen wird in ihrer medialen Verwertbarkeit beurteilt und der passende Informationskanal definiert. Je nach Thema und Zielgruppe gehen wir auch Medienpartnerschaften ein. Bei der Mission Blue Dot haben wir bereits vier Jahre vor dem Start begonnen, die Botschaften zu platzieren, das Training zu begleiten und neben Alexander Gerst andere missionsbezogene Experten in den Medien zu platzieren. Denn es hat sich grundsätzlich bewährt, Wissenschaft und Technik zu personalisieren – den Geschichten ein Gesicht zu geben. Unser Kommunikationskonzept war ein „lebendes“ Dokument. Damit konnten wir auf Veränderungen der Informationslage sehr schnell reagieren.
Alexander Gerst alias @Astro_Alex hat sicherlich neue Standards in der Wissenschaftskommunikation gesetzt. Können Sie beschreiben, wie es möglich war, aus dem All zu twittern? Inwieweit war das DLR-Team in diesen permanenten Prozess involviert?
Sabine Hoffmann: Jeder Astronaut hat auf der Internationale Raumstation (ISS) einen Zugang zum Internet. Die ISS fliegt ja nur 400 Kilometer über uns, also keine so große Entfernung für eine fast lückenlose Internetverbindung, sei es direkt zur Erde oder über Satellit. In enger Kooperation mit den Kommunikationskollegen der ESA haben wir uns im Vorfeld schon Gedanken gemacht, wie wir die maximale Verbreitung von Alex‘ Nachrichten hinbekommen können. Gemeinsame Seiten und Pressemeldungen, Retweets etc. Dabei hat sich die ESA auf den Astronauten Alexander Gerst fokussiert und wir eher auf die deutschen Experimente, die Alex für uns auf der ISS durchgeführt hat. Die fantastischen Bilder haben wir natürlich alle auf allen Kanälen wiedergegeben.
Hat sich denn durch die Kommunikationsleistung von Alexander Gerst und dem DLR-Team etwas Grundsätzliches in Ihrer Arbeit mit den Medien verändert? Haben sich neue Grenzen aufgetan?
Sabine Hoffmann: Grundsätzlich hat sich nichts verändert. Wir haben immer die Devise verfolgt, möglichst schnell sehr transparent zu kommunizieren. Dazu gehört für uns zwingend, Medienanfragen umgehend zu beantworten. Natürlich hat sich irgendwann bemerkbar gemacht, dass wir keine direkte Verbindung zu Alexander Gerst hatten, sondern alle Anfragen über die ESA spielen mussten. Bei der Gesamtmenge der Anfragen, die an die ESA-Kollegen gestellt wurden, war es schon eine Meisterleistung, den Überblick zu behalten.
Welche Erwartungen hatte das DLR in Bezug auf dieses Projekt und die Kommunikation? Wie wurde diese Arbeit evaluiert?
Sabine Hoffmann: Unser erklärtes Ziel war, den Nutzen der ISS, also die Forschung, die an Bord betrieben wird, in den Fokus zu rücken. Raumfahrt geschieht ja nicht zum Selbstzweck, weil es Spaß macht. Raumfahrt ist harte Arbeit, technische Meisterleistung und wertvolle Forschung, deren Ergebnisse uns auf der Erde zugutekommen. Alexander Gerst hat in erster Linie medizinische, biologische und physikalische Langzeit- und neue Experimente durchgeführt. Unsere Medienanalyse zeigt, dass wir im Zeitraum der Mission über 830 Beiträge in den von uns verfolgten Medien generiert haben. Alleine mit den Online-Publikationen haben wir mehr als 13,7 Milliarden potenzielle Kontakte erreicht.
Wie ist denn das Kommunikationsteam des DLR aufgestellt?
Sabine Hoffmann: Insgesamt arbeiten 33 Kolleginnen und Kollegen in der DLR-Kommunikation, aufgeteilt in die vier Abteilungen Presse, Crossmedia, Event und Interne Kommunikation, sowie die Vertreter an den Standorten. Der Hauptsitz der Kommunikation ist in Köln.
Wissenschaftskommunikation findet inzwischen auch durch die einzelnen beteiligten WissenschaftlerInnen in den sozialen Netzwerken statt. Gibt es eine Art Social-Media-Knigge für die MitarbeiterInnen des DLR und wie sieht der aus?
Sabine Hoffmann: Wir begrüßen alle Social-Media-Aktivitäten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn es geht uns um Vernetzung und den Dialog mit der Öffentlichkeit. In unserer Social-Media-Richtlinie weisen wir auf potenzielle Fallstricke hin, vor allem, wenn es zu einer Vermischung von Privatperson und DLR-MitarbeiterInnen kommt. Offizielle Stellungnamen werden natürlich immer von autorisierter Stelle gegeben. Wie bei fast allem ist der gesunde Menschenverstand das Maß der Dinge. Und bisher funktioniert das sehr gut.
Wissenschaftliche Projekte und ForscherInnen müssen auch immer wieder mit Misserfolgen umgehen. Wie begleitet Ihr Team solch einen Kommunikationsprozess und mit welchen Zielen?
Sabine Hoffmann: Misserfolge gehören zur Forschung und Entwicklung dazu, vor allem, wenn man in einem hochtechnisierten Umfeld arbeitet wie wir. Am Ende ist ein Fehlschlag auch ein Ergebnis, das in die weitere Arbeit einfließt. Auch hier verfolgen wir die Devise größtmöglicher Transparenz. Über Misserfolge offen zu berichten, macht Erfolge umso glaubwürdiger.
Können Sie uns einen kurzen Ausblick auf die kommunikativen DLR-Highlights für das Jahr 2015 geben?
Sabine Hoffmann: An die medialen Erfolge des Jahres 2014 anzuknüpfen, wird sehr schwer werden. Aber auch 2015 haben wir schöne Themen in der Planung. In der Raumfahrt werden es neue Möglichkeiten der satellitengestützen Kommunikation sein oder der Start eines operativen Feuermeldesystems in die Erdumlaufbahn. Unsere Luftfahrtforscher widmen sich der Emissionsvermeidung, der Verringerung von Lärm und Schadstoffen. So geht es zum Beispiel um den Einsatz alternativer Treibstoffe. Die Energieforschung steht im Zeichen der Speichertechnologien, ein entscheidendes Element der Energiewende. Und bei den Wissenschaftlern der Verkehrsforschung stehen vor allem intelligente Verkehrssysteme und deren Verknüpfung im Mittelpunkt.
Über den Interviewgast: Sabine Hoffmann leitet seit 2008 die Kommunikation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Sie verantwortet u.a. die gesamte Außendarstellung, die strategische Ausrichtung der Kommunikation, die Krisenkommunikation sowie die Interne Kommunikation des DLR. Zuvor war sie Chefredakteurin des DLR-Magazins. Insgesamt ist sie seit mehr als 16 Jahren in der Wissenschaftskommunikation tätig.