Mesut Özil hat die Medienwoche mit einer vollen Breitseite eingeläutet. Dabei setzten er und sein Team auf die sozialen Medien und zeigten einmal mehr, wie man die Klaviatur spielen muss, wenn man seinen Messages die maximale Aufmerksamkeit, aber auch Wirkung ermöglichen will. Jens Stoewhase widmet sich deshalb nicht dem Pro und Contra zu Mesut Özils Rücktritt von der Nationalmannschaft oder zu den einzelnen Anschuldigungen und Stellungnahmen, er rekapituliert vielmehr das WIE. Warum, wann und wie hat sich Özil über Social Media geäußert. Ein kurzer Überblick.
Reichweite rules
Mesut Özil hat die Kraft des zweiten Medienherzes genommen und seine Stellungnahme und Kritik zum Umgang mit seiner Person per Twitter, Facebook und Instagram veröffentlicht. In Summe ergibt das eine Brutto-Reichweite von 71 Mio. Followern, die Özil damit erreichen konnte.
Tatsächlich hätte sicherlich allein die Veröffentlichung auf Twitter gereicht, wo sich die JournalistInnen inzwischen tummeln, spätestens seit ein Präsident dort seine Politik macht. Themen werden auf Twitter aufgesammelt und in die klassischen Medien transportiert: Zeitung, Radio, Fernsehen und Onlineauftritte der alten und neuen Medienmarken. Özil und sein Team haben diesen Weg gewählt und ganz trocken ihre Sicht der Dinge präsentiert – ohne Einordnung von JournalistInnen. Die Gatekeeper-Funktion der Medien ist damit vollkommen ausgehebelt worden. Ein Prinzip, das inzwischen gelernt ist.
In English please
Die eigene Intention auf vermeintlich vollständige Wahrnehmung durch das Publikum hat das Özil-Team dabei noch auf die Spitze getrieben. Die Internationalität der Medien- und Sportmarke Mesut Özil sendete ihre Sicht der Dinge direkt in englischer Sprache. Damit haben faktisch sämtliche Medien auf der Welt die gleiche Zugangsvoraussetzung zu Özils Messages. Eine allgemein verständliche Sprache, die ein Großteil der MediennutzerInnen auch im Original verfolgen kann. Bis zu einem gewissen Punkt wurde also die Deutungshoheit nicht abgegeben.
Dramaturgisch & snackable
Und Team Özil hat noch einen wichtigen Punkt bedacht. Der Inhalt der Stellungnahme wurde zeitlich versetzt in drei Teilen veröffentlicht. Die drei Teile waren thematisch aufgeteilt. „Meeting President Erdogan“, „Media & Sponsors“ und „DFB“ waren die Überschriften und damit auch die Inhalte. Gleichzeitig wurde direkt das erste Posting mit „I / III“ gekennzeichnet. Es war also direkt klar, dass man weitere Informationen veröffentlichen würde. Man baute so parallel auch noch einen Spannungsbogen auf. Darüber hinaus dürfte die Aufmerksamkeit beim dritten Kapitel (DFB) die höchste gewesen sein, da sich die Spannung und die erste mediale Berichterstattung bereits über den Tag aufgebaut hatte. Damit dürfte auch der Schwerpunkt der Messages klar definiert sein.
Timing hilft
Wenn man bis hierhin den Akt des Publizierens zusammenträgt, dann fällt es mir schwer zu glauben, der Veröffentlichungstermin wäre nicht auch strategisch gewählt worden. Özils Team hat die Messages an einem Sonntag veröffentlicht. Mitten in die Zeit, in der es nur wenig aus einem Wochenende zu berichten gibt. An einem Tag, an dem – zumindest deutsche Institutionen – nicht mit voller Mannschaftsstärke besetzt sind. Özils Inhalte konnten also erst einmal wirken und sich dankbar verbreiten, bis die Welle der Reaktionen zurückschwappte. An einem üblichen Wochentag hätte das vielleicht anders ausgesehen.
Trigger happy
Ich schrieb eingangs, Özil hätte die Kraft des zweiten Medienherzes genommen – Social Media. Faktisch hat er damit die Kraft des ersten Medienherzes – der klassischen Medien – getriggert. Er hat quasi „Doppelmedienherz“ genommen – und zwar aus der ganz großen Flasche. Und dabei hat er sich Zeit gelassen. Vorher haben sich die anderen geäußert. Mit sehr viel geringerer Reichweite, schon weil sie in deutscher Sprache kommunizierten.
The Germans
Gleiches passierte auch nach der sonntäglichen Veröffentlichung. MinisterInnen und Bundeskanzlerin, Sponsor und Verband äußerten sich in deutscher Sprache in den Medien oder auf Social Media. Während also die Marke Özil auf der internationalen Bühne spielte, blieben die KommunikatorInnen der deutschen Politik, Wirtschaft und Verbandswelt im Wesentlichen auf deutschen Brettern stehen. Interessant sind auch die Reaktionen von zahlreichen prominenten Özil-Fans und WegbegleiterInnen. Sie bekunden ihre Sympathien für den deutschen Fußballer häufig ebenfalls in englischer Sprache.
Der Fall Özil zeigt also einmal mehr, dass Social Media tatsächlich für die Kommunikationsarbeit wichtiger denn je ist, wenn man denn weiß, wie man die Klaviatur bespielen muss. Ob das Vorgehen allerdings nachhaltig ist, wird erst die Zeit zeigen.
Über den Autor:
Jens Stoewhase ist Geschäftsführer der Rabbit Publishing GmbH, die das Onlinejournal medienrot.de im Auftrag von Landau Media betreibt. Dabei ist er auch Produzent des medienrot-Podcasts. Bis Ende 2011 betreute er selbst u.a. die digitalen Aktivitäten zahlreicher kommerzieller Kinder- und Jugendmagazine und YPS. Stoewhase arbeitete vorher jahrelang für den Onlinebereich der TV-Serie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“, als Freelancer im Musikbereich und entwickelte Konzepte für digitale Angebote im Entertainmentsegment.