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Surf ‘n’ Hijack – wie man die Medienwelle reitet und was hat eigentlich Newshijacking damit zu tun?

Foto: © AdobeSTock/Jacob Lund

Es gibt diese Momente, bei denen man sich gerade mit einem neuen Thema auseinandersetzt und es plötzlich medial aufgegriffen, öffentlich diskutiert und verhandelt wird. Wer diesen glücklichen Umstand nutzt und auf die sich anbietende mediale „Welle“ steigt, um sich in die Diskussion einzubringen, der betreibt nichts anderes als Agenda Surfing.
Wer sich nicht auf sein Glück verlassen möchte, kann mit ein paar Kniffen nicht nur diese Welle früher erkennen, sondern sein ganzes Team mit auf den nächsten Ritt nehmen. Hier erfahren Sie wie.

Was ist Agenda Surfing nochmal? Und wer hijacked eigentlich wen?
Bevor wir aber zum Wie kommen, hier eine kurze Begriffskunde: Agenda Surfing ist eine Ableitung von Agenda Setting und kommt eigentlich aus den Medien- und Kommunikationswissenschaften. Agenda Setting beschreibt das gezielte „Setzen“ von Themen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Zeitspanne.
Beim Agenda Surfing hingegen geht es vor allem darum, eine bereits gesetzte Agenda, beispielsweise ein Thema, das gerade in den Medien zirkuliert oder im Begriff ist aufzutauchen, für sich zu nutzen und sich in die bestehende oder zukünftige Diskussion einzubringen. Wer das richtige Timing hat, kann somit eigene Inhalte in den Medien platzieren, indem er oder sie sich thematische Trends in der Berichterstattung zu Nutze macht – man springt bildlich gesprochen auf eine (Themen)Welle.
Agenda Surfing eignet sich besonders für die Social-Media-Kommunikation, weil dort schnell auf Themen reagiert werden kann. Sehr deutlich ablesen kann man das beispielsweise an der Rolle, die Twitter in der globalen politischen Kommunikation eingenommen hat. Aktuell wird anhand der Corona-Krise deutlich, wie vor allem in der politischen Kommunikation Agenda Surfing gerne genutzt wird, um Reichweite für die eigenen Themen (Stichwort: Wahlkampf) zu erzeugen. Natürlich eignet sich Agenda Surfing aber vor allem für klassische PR und Online PR.

Eine komplett auf Speed ausgelegte und vor allem für Social-Media-Kommunikation geeignete Strategie ist das Newshijacking (oder: Newsjacking). Hier werden geeignete tagesaktuelle Nachrichten direkt nach ihrem Erscheinen sprichwörtlich „gekapert“ (hijacking) und für die Setzung eigener Themen zweckentfremdet. Damit eignet sich die Strategie vor allem für kurzfristige und kreativ verdichtete Platzierung von Inhalten, um einen viralen Effekt zu erzielen – kein Wunder, denn der Begriff kommt ursprünglich aus dem Marketing. Newshijacking ist im Vergleich zu Agenda Surfing weit weniger planbar und inhaltlich schwierig vorhersehbar, kann aber bei Erfolg große Reichweiten erzielen. Durch die kurze Halbwertszeit sollte nicht vergessen werden, genau abzuwägen, welche News seriös und brauchbar sind, da die Maßnahme Fokus bindet.

Worauf kommt es also an?
Wer mit seinen eigenen Inhalten auf aktuelle Themen aufspringt, hat den großen Vorteil, dass Zielgruppen nicht mehr von der Bedeutung der Inhalte an sich überzeugt werden müssen, da die Öffentlichkeit bereits auf das Thema eingestellt ist. Durch die gegebene Relevanz kann somit ohne Umwege die eigene Botschaft platziert werden. Das ist bis zu einem gewissen Grad planbar anhand der Beobachtung, welche Themen gerade an Bedeutung gewinnen. Daher sollte man immer genau aufpassen über welche Themen die eigenen Zielgruppen sprechen und was sie gerade beschäftigt.
Ist ein Thema gerade aktuell oder im Begriff es zu werden, sollte dieser Zeitpunkt erkannt und nicht verpasst werden. Meist sind Themen über mehrere Wochen in den Medien präsent. Das bedeutet, dass betreffende Themen beobachtet werden müssen (Medien-Monitoring), um schnell mit der eigenen Botschaft zu reagieren.
Relevante Thementage, Veranstaltungen oder andere wiederkehrende Ereignisse bieten sich für die langfristige Planung von eigenen Inhalten an und sollten berücksichtigt werden.
Ergänzend lohnt sich der Blick in die Redaktions- und Themenpläne der Medien, um relevante Schwerpunkte herauszufiltern.
Ein absolutes No-Go ist es tragische Ereignisse für Agenda Surfing zu nutzen, wie Anschläge, Naturkatastrophen oder Verkehrsunfälle.

Triple T‘s – Tools & Tipps zur Themenbeobachtung
So wie das Meer stets in Bewegung ist, so dynamisch verhält es sich auch mit dem tagtäglichen Mediengeschehen. Damit hier der Überblick nicht verloren geht und kleine wie große oder auch neu aufkommende Themen kontinuierlich auf ihre Potenziale überprüft werden, ist der Einsatz von Monitoring-Tools unerlässlich.
Ein kleines kostenloses Surf ‘N” Hijack-Setup kann sich schon aus ein paar einfachen Instrumenten zusammensetzen. Diese müssen lediglich in der Lage sein, schnell und intuitiv einen Überblick über das betreffende Medien- bzw. Kommunikationsumfeld zu geben. Das kann im ersten Schritt durch das Abonnieren von ausgewählten Newslettern großer Tageszeitungen oder themenspezifischer Magazine in der Kombination mit der Einrichtung automatisierten Benachrichtigungen, sogenannten Alerts, erfolgen. Zusätzlich kann man Twitter Trends beobachten oder für englischsprachige Medien den Hashtag #journorequest nutzen. Für den schnellen digitalen Zugriff auf Zeitungen, Zeitschriften und Magazine eignet sich der Online-Kiosk Blendle (frisch übernommen von Cafeyn) und der Nachrichtendienst Nuzzera. Der Mix aus Alerts mit definierten Themenbereichen und Schlagworten, Twitter-Trends und nahtlosem Zugriff auf betreffende Zeitungsartikel kann einem somit schnell Aufschluss darüber geben, welche Ideen und Ereignisse momentan zirkulieren und welche Akteure im Fall daran beteiligt sind. Weitere wichtige Ressourcen sind redaktionelle Themenpläne und Mediendaten von Online- und Printmedien, Veranstaltungskalender über relevante Messen, nationale und weltweite Aktions- und Thementage.
Detaillierte Analysen und langfristige Medienbeobachtung liefern Monitoring-Dienstleister.

Wie Kollegen einbinden und schnell reagieren?
Das eigene Team ist unersetzlich, um geeignete Inhalte für das Surf ‘n’ Hijack zu identifizieren. Deshalb sollte jeder Mitarbeiter seine Kollegen gut kennen und mit deren Arbeitsweise und Themenschwerpunkten vertraut sein. Denn im Idealfall beschäftigt sich jeder von ihnen mit unterschiedlichen oder ergänzenden Zielgruppen. In der Kombination mit den richtigen Tools lassen sich damit blitzschnell anschlussfähige Themen finden und in Echtzeit verfolgen. Damit vermeidet man nicht nur einen Flaschenhals in der Beschaffung von relevanten Inhalten, sondern kommt durch die interne Expertise an ganz neue News heran oder trägt sie an die richtigen Personen.
Langfristig kann dadurch eine Teamkultur entstehen, die sich nicht wie eine Gruppe von Einzelkämpfer anfühlt, sondern sich durch Rückhalt und Involviertheit auszeichnet.

Fazit
Das Agenda Surfing ist eine gute und erfolgreiche Methode um lang- und mittelfristig Themen aufzugreifen und für die eigene Pressearbeit zu nutzen. Sie erfordert Aufmerksamkeit, einen umfassenden Überblick über die eigenen Klienten, Kreativität und vor allem die Bereitschaft vorausschauend zu planen.

Das Newshijacking hat auf den ersten Blick Zufälligkeitscharakter. Beim genaueren Hinschauen fällt jedoch auf,wie viel Arbeit, Engagement und Instinkt für potenzielle Ereignisse, Kreativität sowie Einfallsreichtum dahinter stecken. Diese vielen Anforderungen können eingespielte Teams besonders gut meistern und werden dafür bei Erfolg mit kurzzeitiger aber sehr großer Aufmerksamkeit belohnt.


Über den Autor:
Tolgahan Kaftan ist nicht nur ein erfahrener Narrative Designer, sondern verfügt auch über umfassende Erfahrung mit Games jedweder Art, da er für bekannte Namen wie YAGER, Games for Friends, Stratosphere Games und Aeria Games gearbeitet hat.
Bei Laika Communications taucht Tolgahan tief in technische Themen ein, von Gaming, Datenschutz oder Logistik bis hin zu Streaming und Nachhaltigkeit.