Stellenanzeigen werden gerne totgesagt. Nach meinem Empfinden ist zwar das Gegenteil der Fall, aber sie wirken tatsächlich meist zumindest blutleer. Auch in der Agenturszene: Sie sind oft formelhaft wie Arbeitszeugnisse, und wenn mal einer aus der Reihe tanzt, ist das direkt eine Meldung in der W&V wert.
Auf der Suche nach einer systematischen Analyse von Stellenanzeigen in Deutschland stoße ich auf viele Treffer, die Bewerbern erklären, wie sie Stellenanzeigen richtig zu interpretieren haben. Dabei wollen Arbeitgeber doch, dass sich Talente interessieren. Sie kommunizieren dennoch oft, was sie glauben, wer sie als Arbeitgeber sind – statt sich auf die Sicht des möglichen Bewerbers einzulassen. Wie würden Journalisten über meine Agentur als Arbeitgeber berichten? Mit dieser externen Perspektive würde ich mich auseinandersetzen. Potenzielle Bewerber tun das schließlich auch.
Bisweilen mache ich – im Auftrag von Agenturen – vertrauliche Recherchen, um herauszufinden, wie es um ihre Arbeitgebermarke steht, heißt: Wie ihre Mitarbeiter und ehemalige Kollegen von ihnen denken. Selbst Mitarbeiter verfallen im Gespräch (und vor allem in offiziellen Interviews) über das eigene Unternehmen in formelhaftes Geschwätz, von dem sie glauben, dass ihre Personalabteilung das so ganz gerne hören würde, weil das auch so in der Stellenanzeige steht. Aber sind solche Enthusiasten glaubwürdige Botschafter, die Interesse wecken und Vertrauen aufbauen? Agenturchefs erlebe ich im Vorgespräch manchmal als erschreckend pessimistisch, sie vermuten als Ergebnis der Recherche vor allem Kritik. Dabei ist das Feedback am Ende oft sehr ausgewogen und liefert Ansätze, mit denen sich weiter arbeiten lässt.
Stellenanzeigen müssten „semantisch abrüsten“, formuliert Sascha Theisen in einem wertvollen (und seltenen) Whitepaper zu dem Thema, das er bereits 2016 veröffentlicht hat. Er vermisst in den Anzeigen Relevanz, Differenzierung und Dialogbereitschaft. Wer schreibt schon gerne mit jobs@xxx.de? Und er rät: Realitäten anerkennen. Wenn wir doch wissen, dass sich junge Mitarbeiter heute nicht mehr sehr lange binden wollen, sondern in Agenturen insbesondere steile Lernkurven und Vielfalt schätzen, sich aber absehbar auch anderswo entwickeln, warum arbeiten wir nicht damit?
Stellenanzeigen müssen sich inhaltlich abheben, erst recht in der Agenturbranche, in der aus Sicht von (jungen) Bewerbern viele das gleiche tun. Die immer gleichen Phrasen, Floskeln und Bilder, die Jobsuchende nachts auswendig aufsagen können, leisten das nicht. Bewerber, die sich so im Anschreiben präsentieren, werden gar nicht erst eingeladen. Aber offenbar scheuen Arbeitgeber und ihre Personaler (auch wegen rechtlicher Bedenken?) hier noch die Differenzierung oder gar eine Provokation, anders als man das in der Produktkommunikation machen würde.
Ich erlebe in den unterschiedlichen Formaten – ob #30u30 oder PR Career Center – wie junge Kollegen auf Augenhöhe offen und differenziert über Vor- und Nachteile in ihren Agenturen oder der Arbeit auf Agentur- oder Unternehmensseite sprechen – sobald sich etwas Vertrauen und Nähe aufgebaut hat. Claims und Kampagnen sind schön, aber sie treten dann in den Hintergrund.
Arbeitgebermarken entstehen im offenen Dialog. Warum nicht in der Stellenanzeige damit schon anfangen.
Danke an Sascha Theisen für den Austausch.
Über den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30. Er ist Herausgeber des PR Career Center, das PR-Studierende unterstützt und vernetzt. Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.