Schluss mit halbherziger Nachhaltigkeit: Wer nur „grün“ tut, wird sich „schwarz“ ärgern

Foto: © AdobeStock/Romolo Tavani
Foto: © AdobeStock / Romolo Tavani

Der Klimawandel und die schwindenden Ressourcen unseres Planeten machen Verbraucher immer sensibler, was die Nachhaltigkeit von Produkten, Herstellungsprozessen und Werbung betrifft. Die Anforderungen an die Environmental, Social and Corporate Governance (ESG) von Unternehmen steigen, auch seitens der Gesetzgebung. Für die Unternehmen wird ein nachhaltiges Wirtschaften zunehmend verpflichtend. Die Verantwortung liegt meist bei der Geschäftsführung, im Sustainability Management, aber eben auch immer öfter in der Marketingabteilung. Denn die Vermarktung von Produkten und Leistungen muss den nachhaltigen Charakter schließlich widerspiegeln. Doch was es heißt, nachhaltig zu werben, haben noch nicht alle Unternehmen verinnerlicht.

Fragt man in einem beliebigen Betrieb, der sich selbst offenkundig als nachhaltig bezeichnet, zehn unterschiedliche Mitarbeitende aus allen Abteilungen und hierarchischen Ebenen, erhält man – was wohl? Zehn verschiedene Definitionen und Erklärungen, was Nachhaltigkeit bedeutet. An dieser Stelle beginnt schon das Problem, welches sich durch Strategien und Konzepte, durch Maßnahmen und Ergebnisse fortsetzt: Nachhaltigkeit ist nicht gleich Nachhaltigkeit.

Vorsicht: Greenwashing!

In Marketing und Werbung wird ein von der Kundschaft abweichendes Nachhaltigkeitsverständnis schnell als Greenwashing verurteilt – unabhängig davon, ob es das wirklich ist oder nicht. Das heißt, Unternehmen müssen sich zuerst mit dem Begriff von Nachhaltigkeit und verantwortungsvollem Handeln auseinandersetzen und die gesetzlichen ESG-Vorgaben berücksichtigen. Obendrein existieren etliche Mythen und Fehlannahmen, was nachhaltiges Werben betrifft: So ist etwa der Energie- und Ressourcenverbrauch für die Herstellung von haptischen Werbemitteln logischerweise höher als für eine digitale Werbeanzeige. Allerdings müssen Werbetreibende dabei schon genauer hinsehen! Bezieht man etwa die für die Darstellung der Anzeigen genutzten Endgeräte mit ein, schnellt der Energieverbrauch nach oben und die Bewertung ist eine völlig andere. Da gilt es, die Hausaufgaben sorgfältig zu machen, um keine Greenwashing-Vorwürfe heraufzubeschwören.

Nachhaltig werben – aber wie?

Die Deutsche Umwelthilfe weist darauf hin, dass beispielsweise Außenwerbung trotz hoher Reichweite relativ wenig CO2 produziert (max. 30 g pro 1.000 Werbekontakte). Bezogen auf die Werbeträger müssen sich Unternehmen jedoch die Fragen stellen:

  • Sind diese eigens für Werbung hergestellt, wie zum Beispiel Litfaßsäulen, Mega Lights, City-
    Light-Poster oder -Vitrinen?
  • Wie gestaltet sich deren Produktions- und Entsorgungsprozess?
  • Erfüllen sie unter Umständen noch einen weiteren Zweck, wie etwa gebrandete Mülleimer
    oder Werbung im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)?

Fakt ist, die wenigsten Marketer betrachten Nachhaltigkeit in all ihren Facetten. Doch das wird sich kaum noch vermeiden lassen, um den steigenden Anforderungen seitens Gesellschaft und Politik an einen ressourcenschonenden Geschäftsbetrieb nachzukommen. Folglich müssen sich die Firmen mehr und mehr Gedanken darüber machen, wie sie ihren Mediamix gestalten.

Ein Strauß aus „grünen“ Maßnahmen

Ein nachhaltiger und verantwortungsvoller Mediamix sollte Werbemittel und Werbeträger beinhalten, die einen sinnvollen Primärzweck erfüllen, emissionsarm und klimafreundlich sind – wie zum Beispiel öffentliche Mülleimer, der ÖPNV oder Leihfahrräder. Gerade solche hochfrequentierten oder bewegten Werbeträger bieten eine große Reichweite bei zugleich geringen Produktionskosten und -emissionen. Ratsam ist es, innerhalb der gesamten Werbekampagne den CO2-Fußabdruck im Blick zu behalten – ja, vielleicht sogar das klimaschonende Verhalten von Verbraucher:innen, etwa das Recycling oder den Verzicht auf Pkw-Fahrten, aktiv zu fördern. Denn das schlägt sich positiv auf das Image des werbetreibenden Unternehmens nieder: Also, Schluss mit bloßen Rabatten – und zum Beispiel lieber mal Freiminuten für einen Bike-Sharing-Anbieter als Aktion zum Produkt- oder Leistungsangebot starten. Auf diese Weise lässt sich die Marke authentisch mit einem Nutzen für die Umwelt und die Gesellschaft verknüpfen. Doch wer hier nicht glaubwürdig auftritt, wird von den Zielgruppen abgestraft.

Rund um die nachhaltigste EM aller Zeiten

Dass an „echtem“ Green Marketing kein Weg mehr vorbeiführt, beweist ebenso das wohl größte Werbe-Event 2024: die Fußball-EM, die ja die nachhaltigste aller Zeiten werden soll. Die Veranstalter planen Maßnahmen in den Bereichen „Umwelt und Klima“, „Gesellschaft“, „Good Governance“ sowie „Gesundheit und Bewegung“. Ersteres umfasst beispielsweise, den Verkehr rund um die Veranstaltung zu reduzieren, obwohl die Austragungsorte einen erheblichen Besucherzufluss erleben werden. Da sind ÖPNV und Bike-Sharing eine gute Alternative, um als Privatperson gut durch die Stadt zu gelangen und als Werbetreibender innerhalb eines hochfrequentierten Umfelds zu werben. Viele werden sich dieses Event nicht entgehen lassen – Werbung darf also ringsherum auf hohe Reichweiten hoffen. Und „ringsherum“ heißt dabei auch: live vor Ort in den Städten und Regionen, in denen Spiele stattfinden.

Fazit: Authentizität ist alles

Fakt ist, dass Werbetreibende, die wirklich nachhaltig agieren wollen, an einem ausgewogenen Mediamix im digitalen und urbanen Werbeumfeld nicht vorbeikommen. Hier gilt es, die passenden Werbeträger nicht nur aus Zielgruppen- und Reichweiten-, sondern zunehmend auch aus Nachhaltigkeitsaspekten auszuwählen. Dabei ist zu beachten, was für das Unternehmen authentisch ist: Gibt es direkt ein nachhaltiges Produkt zu bewerben, profitiert die Kundschaft von eigenem nachhaltigem Handeln oder ist das Unternehmen selbst um Nachhaltigkeit bemüht? Nachhaltigkeit beginnt also zuerst im Mindset und der Unternehmenskultur – ansonsten sind alle „grünen“ Bemühungen zum Scheitern verurteilt.


 

Jan Gewinner nextbike by TIERÜber den Autor: Jan Gewinner ist Head of Business Development Media & Services bei nextbike by TIER, dem europäischen Bike-Sharing-Anbieter. Seit 19 Jahren ist er in verschiedenen Positionen im Bereich Sales & Vertriebsmarketing im Bereich Außenwerbung und Ambient Media tätig. Zuletzt war er sechs Jahre lang bei der Wall GmbH tätig, bevor er 2016 zu nextbike wechselte, wo er heute den Bereich B2B Sales mit Schwerpunkt Fahrradwerbung verantwortet.