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Reporter ohne Grenzen startet neues Online-Transparenz-Tool

Reporter ohne Grenzen (RSF) hat die Webanwendung der Journalism Trust Initiative (JTI) freigeschaltet, eine Plattform, die vertrauenswürdige Nachrichtenquellen identifizieren und stärken soll. Mithilfe des JTI-Online-Tools das bisher in Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch verfügbar ist, können Medien ihre eigene Arbeitsweise evaluieren, redaktionelle Prozesse transparent machen und so das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit von professionellem Journalismus stärken.

Breites Bündnis entwickelt Qualitätskriterien
Die Initiative basiert auf Kriterien, die RSF seit Mai 2018 zusammen mit mehr als 130 VertreterInnen von Medien, Verbraucherorganisationen, Technologieunternehmen, Regulierungsbehörden und Nichtregierungsorganisationen erarbeitet und im Dezember 2019 unter der Aufsicht des Europäischen Komitees für Normung (CEN) veröffentlicht hat. An der Entwicklung der JTI-Standards wirkten unter anderem Associated Press, die BBC, die Thomson Foundation, Independent Monitor of the Press, Internews (Großbritannien), die polnische Gazeta Wyborcza, der Schweizer Presserat, die Journalistenvereinigungen von Taiwan und Südkorea, Google, Facebook und die UNESCO mit. Aus Deutschland beteiligten sich die Deutsche Presse-Agentur dpa, der Tagesspiegel und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Dem Start der JTI-Webanwendung ging eine Pilotphase voraus, in der fast 50 Medien das Instrument ausgiebig testeten, darunter das Nachrichtenmagazin Der Spiegel, die bulgarische Zeitung Dnevnik, CBC-Radio Canada, France Télévisions, SRG-swissinfo, die Schibsted Group, Tiempo Argentino, Colorado Public Radio und The Wire in Indien.

Mehrere Stufen von Transparenz und Evaluierung möglich
Das JTI-Angebot besteht aus drei Stufen: Zunächst füllen Medien eine Selbstevaluierung über die JTI-Online-App aus und prüfen dabei, ob die eigene Arbeitsweise dem JTI-Standard entspricht. Als nächstes können die Ergebnisse dieser Selbstevaluierung freiwillig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und als Transparenzberichte veröffentlicht werden. Die letzte Stufe des Prozesses ist ein externes Audit mit einer unabhängigen Bewertung durch eine lizenzierte Zertifizierungsstelle.

Nach erfolgreichem Abschluss aller drei Stufen erhält das jeweilige Medium das „JTI-Zeichen“. Es soll sowohl MediennutzerInnen als auch Werbetreibenden helfen, zwischen hochwertigen, seriösen Quellen und fragwürdigen Informationen zu unterscheiden. Journalistische Berichterstattung soll so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Propaganda, Desinformation und Meinungsmache erhalten.

Erstes deutsches Medienhaus wendet JTI an
Ein erstes deutsche Medienhaus in Deutschland hat JTI bereits angewendet und die Ergebnisse veröffentlicht: United Internet, Publisher von WEB.DE und GMX. „Die Selbstevaluierung hat uns geholfen, Prozesse innerhalb der Redaktion zu optimieren und vor allem auch, die Transparenz nach außen zu verbessern. Unsere Daten zeigen uns, dass wir insbesondere auch Leserinnen und Leser erreichen, die klassische Medienmarken kaum oder nicht mehr nutzen. Dieser Verantwortung möchten wir gerecht werden“, sagte Thomas Rebbe, Chefredakteur von WEB.DE/ GMX.

Hilfsmittel gegen Desinformationen
Die JTI ist eine Antwort auf die anhaltende Debatte über den Umgang mit falschen oder tendenziösen Informationen im Internet. Anders als die meisten anderen Vorschläge verzichtet die Initiative darauf, einzelne veröffentlichte Beiträge auf Faktentreue und die Einhaltung journalistischer Standards zu untersuchen. Stattdessen legt sie den Fokus auf den Entstehungsprozess von Journalismus. Zu den Kriterien gehören unter anderem Transparenz über Eigentumsverhältnisse und Einnahmequellen von Medien sowie Mindestanforderungen an journalistische Ethik und redaktionelle Standards. Das „JTI-Zeichen“ kann als Nachweis der Vertrauenswürdigkeit der Arbeit bestimmter Nachrichtenmedien nicht nur die Bedenken der Nutzerinnen und Nutzer ausräumen, sondern auch Reichweite und Einnahmen dieser Medien steigern.


Termin-Tipp: Webinar über die Journalism Trust Initiative am 7. Juni
Interessierte Fachleute aus der Medienbranche können in einem Webinar am 7. Juni 2021 von 14 bis 15.30 Uhr mehr über den dreistufigen Prozess der JTI erfahren. Das Webinar bietet eine Einführung in das Tool und ein Peer-to-Peer-Panel, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von Medien, die an der Pilotphase beteiligt waren und ihre Erfahrungen mit der Initiative aus erster Hand teilen. Es findet in englischer Sprache statt, bietet aber auch die Möglichkeit, sich in einem separaten Raum auf Deutsch auszutauschen.


Die Journalism Trust Initiative wird mitfinanziert von der Europäischen Kommission und von Craig Newmark Philanthropies.

Quelle: PM ICF Next