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Reden ist Silber, Machen ist Gold

Foto: © AdobeStock/michaklootwijk
Ich kann mich noch genau an mein Bewerbungsgespräch vor inzwischen über fünf Jahren erinnern. Ich wurde gefragt, wie ich PR definieren würde. Eine ganz klare Sache für mich: PR ist dazu da, um den Menschen dabei zu helfen, komplexe Produkte und Dienstleistungen zu verstehen und sie in unserer reizüberfluteten Welt überhaupt erst zu finden. Ich verstehe diese Aufgabe also in erster Linie als Dienst an den KundInnen unserer KundInnen, da alle Maßnahmen dort ankommen und wirken sollen. Darin liegt die Kraft unserer Arbeit. Und aus großer Kraft folgt große Verantwortung, das wusste schon Peter Parkers Onkel. Eine Verantwortung gegenüber all den Menschen, mit denen wir diesen Planeten teilen, keinen allzu großen Bullshit zu erzählen.

Was ist Bullshit? Ganz einfach. Bullshit ist, wenn es einem Unternehmen völlig egal ist, ob sein ersonnenes Produkt hochwertig und sinnvoll ist. Hauptsache, es verkauft sich gut. Bullshit ist, wenn Unternehmen bei aktuellen Trends als ExpertInnen mitreden wollen, aber keine eigene, fundierte Meinung haben. Die Agentur kann sich etwas einfallen lassen, wo nur noch der Name der UnternehmensvertreterIn darunter gepackt wird. Bullshit ist, wenn Unternehmen nach außen hin geradezu Heilversprechen liefern, aber nichts davon in ihrer eigenen Kultur umsetzen oder die Ideale, die sie zeichnen, selbst nicht verinnerlichen. Zusammengefasst: Die reine Profitmaximierung, vollständig entkoppelt von der gelebten Wirklichkeit sowie Bedürfnissen, Wünschen und Sorgen der Menschen in der heutigen Zeit. Es gibt allerdings einen Lichtblick am Ende des Tunnels. Denn glücklicherweise existieren reichlich Unternehmen, Initiativen und Vereine, die ebenfalls rein gar nichts mit diesem Bullshit anfangen können und wirklich daran arbeiten, die Welt in ihrer jeweiligen Nische ein kleines bisschen besser zu machen. Habe die Ehre!

Storydoing statt Storytelling

Auch unsere Arbeit als KommunikationsberaterInnen bleibt nicht auf der Stelle stehen und wir haben Möglichkeiten, Unternehmen aus ihrer Komfortzone herauszulocken und sie von reinen Schnackern zu echten Machern zu wandeln. Wie das geht? Eigentlich ist es recht einfach, aber ich hole mal ein kleines bisschen aus. Stichwort Storytelling.
Jetzt nicht gleich aufhören zu lesen! Schon klar, dass dieser Begriff inzwischen wirklich überall angekommen ist. Ohne Storytelling geht schließlich gar nichts mehr, es ist der Selfiestick der Kommunikation. Irgendwie omnipräsent, witzig und sorgt nach wie vor für Aufmerksamkeit, aber so ohne Smartphone und ein gelungenes Motiv doch auch ganz schön überflüssig. Alles, was Unternehmen so kommunizieren, soll in emotionalen Geschichten verpackt sein. Gefühle sind schließlich der Schlüssel zu unserer aller Kaufverhalten. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Emotionen sind ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste, Teil unseres Menschseins. Wieso also nicht mit ihnen arbeiten? Allerdings bringt mir das alles rein gar nichts, wenn ich keine Substanz dahinter habe; eben wenn das Smartphone fehlt. Und Substanz lässt sich nicht herbeireden, sie ist etwas zum Anfassen, Sehen und Erleben.

Deswegen wurde ich auch geradezu euphorisch, als ich vor einiger Zeit den Begriff „Storydoing“ las. Eigentlich schon fast ein bisschen albern, denn dahinter verbirgt sich nichts anderes als die Ansage, dass es zunächst einmal etwas geben muss, über das es wert ist, eine Geschichte zu erzählen. Klingt doch eigentlich vollkommen selbstverständlich, oder nicht? Ist es aber in der Tat nicht. In der Vergangenheit waren wir sehr oft damit beschäftigt, Geschichten aus dem Nichts zu kreieren. Es gab eine schöne Story, aber es wurde nichts wirklich umgesetzt. Damit machen wir uns jedoch zu den Gebrüdern Grimm des 21. Jahrhunderts. Wir erzählen Märchen, zwar spannend und unterhaltsam, aber doch frei erfunden. Das kann einfach nicht der Sinn der Sache sein. Wir erinnern uns an die Verantwortung, die wir alle in dieser Branche tragen.

Gesellschaftliche Themen als Treiber

Wie genau funktioniert nun also Storydoing? Zu allererst muss ein Unternehmen nicht nur ein kommerzielles Ziel formulieren, sondern Ziele, die darüber hinausgehen. Dafür muss sich jedes Unternehmen darüber klar werden, welches gesellschaftliche Thema in seiner Verantwortung liegen könnte. Das kann etwas sehr Naheliegendes sein, beispielsweise der Schutz der Ressource Wasser bei einem Unternehmen, das Hygieneprodukte herstellt. Es kann jedoch auch ein wenig weiter weg vom eigentlichen Kern der Arbeit sein. Eine große Vermögensverwaltung hat sich die Stärkung der Frauen in der Welt der Börsen und großen Konzerne auf die Fahne geschrieben. Wichtig ist nur, dass Unternehmen und MitarbeiterInnen dieses Thema intrinsisch motiviert mittragen. Daraus entsteht die Brand Story mit Antworten auf die Fragen, wofür und wogegen gekämpft wird. Wenn dieser erste Schritt geschafft ist, geht es richtig ans Eingemachte. Die Story wird nicht nur mithilfe von Interviews und flockigen Social-Media-Posts nach außen kommuniziert, sondern zusätzlich in Form von fortlaufenden Events, Kampagnen, Initiativen und Projekten zum Leben erweckt und soll dabei zum Mitmachen anregen. Die Story, oder eben das gesellschaftliche Thema, steht im Mittelpunkt des Unternehmens und wird konsequent in alle Produkte und Services eingebaut.

Dieses Vorgehen hat meiner Meinung nach ausschließlich Vorteile. Die MitarbeiterInnen des Unternehmens bekommen das wohlig warme Gefühl, morgens nicht nur zum Rumschubsen der Tabellen im Büro erscheinen zu müssen und gehen wesentlich motivierter ans Werk. KundInnen sehen, dass ein Unternehmen ernsthaft bemüht ist, in einem bestimmten Bereich, wie Gleichberechtigung, Naturschutz, Integration oder Bildung, einen Unterschied zu machen und einen positiven Einfluss auszuüben. Genau das ist Authentizität und genau das funktioniert, weil es das einfach immer tun wird, so lange wir in einer sozialen Gesellschaft leben.

Neben dem Wissen um die gute Sache, lässt sich diese Art zu Handeln und zu Kommunizieren auch wunderbar messen. Das Beratungsunternehmen co:collective hat sich die Mühe gemacht, ein paar Zahlen hierüber zusammenzutragen. Sie stellen dabei die Performance von Unternehmen, die immer noch nur Storytelling betreiben, gegenüber jene, die sich schon mit Storydoing beschäftigen. Fazit: In allen Bereichen, wie Interaktionsraten auf Social Media oder der Umsatzwachstumsrate des Unternehmens, schneiden die Storydoing-Heroes um einiges besser ab als ihre noch handlungsunfähigen MitbewerberInnen. Weiterer kleiner Fun Fact: Dafür müssen sie sogar weniger in mediale Berichterstattung investieren. Denn es zeigt sich, dass die Menschen einfach sehr viel lieber und freiwilliger mit einem ehrlichen, transparenten und sozialen Unternehmen interagieren, als mit einem, das sich ausschließlich mit kleinen Geschichtchen ohne Mehrwert und Substanz umgibt. Weniger Investment, mehr Aufmerksamkeit. Da muss doch jeder Unternehmensverantwortlichen das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Kommunikation im Wandel

Wir als Kommunikationsverantwortliche bekommen durch diese Form des Wirtschaftens die wundervolle Chance, unseren Aufgabenbereich auszuweiten und unsere anschließende Arbeit wesentlich effektiver zu gestalten. Schon bei der Suche nach einem gesellschaftlichen Thema, das als leuchtende Galionsfigur dem Unternehmen durch die See hilft, können wir mit unseren Fähigkeiten helfen. Das Formulieren der anschließenden Brand Story und schließlich die Entwicklung von Projekten – der richtig spannende und spaßige Teil unserer Arbeit – die einen wirklichen Unterschied machen und über die es sich zu berichten lohnt, setzen dem Ganzen dann noch die Krone auf. Wir sind nicht mehr länger nur GeschichtenerzählerInnen! Vielmehr vereinen sich in der Kommunikation immer stärker mehrere Kompetenzen, vom Business Development über Kundenservice bis hin zu VermittlerInnen zwischen Politik, BürgerInnen und Unternehmen. Wie sehr mich das freut! Und wie sehr es mich freuen würde, wenn jedes Unternehmen anfängt, die Vorteile des Storydoings zu erkennen und sich auf die Suche nach seiner Galionsfigur macht.

Also bleibt nur noch eine Frage übrig: Welches Thema soll es sein? Es gibt genug zu tun.


Über die Autorin: Als Trend & Creativity Scout bei der Kommunikationsagentur Oseon ist Nicole Dau am Puls der neuesten gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen. In ihrer Arbeit für Kunden konzentriert sie sich auf die Bereiche Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Umwelt- sowie GreenTech-Themen.