„Problematischer Umgang mit Recherchen“: Verkehrsminister Wissing erhält „Verschlossene Auster“

Bundesverkehrsminister Volker Wissing
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (Foto: © Bundesregierung/Denzel)
Bundesverkehrsminister Volker Wissing
Bundesminister für Digitales und Verkehr Volker Wissing (Foto: © Bundesregierung/Denzel)

Netzwerk Recherche hat auf seiner zweitägigen Jahreskonferenz am 20. Juli beim NDR in Hamburg die „Verschlossene Auster“ für den Informationsblockierer des Jahres an Volker Wissing und das Bundesverkehrsministerium verliehen. Wissing erhält den Negativpreis für seinen problematischen Umgang mit Recherchen des Handelsblatt-Reporters Daniel Delhaes zu Interessenkonflikten in seinem Ministerium.

Im vergangenen Sommer hatte Delhaes in mehreren Artikeln aufgedeckt, dass der für Wasserstoff-Förderungen zuständige Abteilungsleiter im Verkehrsministerium einem persönlichen Freund eine Millionenförderung zugeteilt hatte – dem Vorsitzenden des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbandes. Statt nach den kritischen Berichten für Aufklärung zu sorgen, ging Wissings Ministerium aggressiv gegen den Reporter vor und leugnete die Missstände.

„Das Vorgehen von Volker Wissing und seinen Mitarbeiter*innen hat gezeigt, dass der Minister die eigenen Interessen und die seines Ministeriums über die Interessen der Bevölkerung und einer freien Presse stellt. „Die Affäre zeigt auch, wie wichtig hartnäckiger investigativer Journalismus ist“, sagt Daniel Drepper, Vorsitzender von Netzwerk Recherche. „In diesem Fall hätte es Wissing durch sein aggressives Vorgehen fast geschafft, die Affäre ohne Konsequenzen für sein Ministerium zu überstehen. Zum Glück haben andere Medien wie der Spiegel die Arbeit des von der Recherche abgezogenen Handelsblatt-Reporters Delhaes fortgesetzt.“

Der Spiegel hatte durch Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz interne E-Mails des Verkehrsministeriums erhalten, die Monate später die Recherchen von Handelsblatt-Reporter Delhaes bestätigten und erweiterten. Das Ministerium hatte darin jedoch trotz der kritischen Berichte aus dem Sommer 2023 mehr als ein halbes Jahr lang kein Problem gesehen. Im Gegenteil: Die Recherchen von Delhaes hatte das Ministerium zunächst noch abgestritten und das Handelsblatt dazu gebracht, eine inhaltlich nicht gerechtfertigte, lange Korrektur zu veröffentlichen.

Leuchtturm 2024 für Correctiv-Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“

Der „Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“ 2024 ging an das Medienhaus Correctiv. Die gemeinnützige Rechercheplattform hatte im Januar dieses Jahres unter dem Titel „Geheimplan gegen Deutschland“ über ein geheimes Treffen von Rechtsextremen in einer Potsdamer Villa berichtet.

„Die Arbeit von Correctiv steht exemplarisch für den Wert und die Notwendigkeit von investigativem Journalismus“, sagt Daniel Drepper, Vorsitzender von Netzwerk Recherche. „Selten hat eine einzelne Recherche einen solchen Impact gehabt und uns allen gezeigt, wie wichtig diese Art von Journalismus für unseren demokratischen Diskurs ist.“

An dem Treffen am 25. November 2023 in Potsdam hatten neben dem früheren Kopf der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, auch AfD-Politiker, einzelne Mitglieder der CDU, der Werteunion sowie Unternehmer teilgenommen. Sellner sprach bei dem Treffen über eine massenhafte Ausweisung von Menschen aus Deutschland, basierend auf rassistischen Kriterien. Diese Pläne, die unter dem Begriff „Remigration“ diskutiert wurden, sahen die Vertreibung von Millionen Menschen vor.

Die Veröffentlichung von Correctiv verdeutlichte, wie tief Extremismus in Teilen der politischen Landschaft verwurzelt ist – und das nicht nur innerhalb der AfD. Die Reaktionen auf die Recherche waren beispiellos. Hunderttausende sind über Wochen auf die Straßen gegangen, um gegen diese menschenfeindlichen Pläne zu protestieren.

Die beteiligten Journalist:innen sind seit der Veröffentlichung massiven Anfeindungen ausgesetzt. Zudem mussten sie sich zahlreichen juristischen Auseinandersetzungen stellen. „Wir möchten die Arbeit der Reporter:innen von Correctiv mit diesem Leuchtturm-Preis nicht nur auszeichnen, sondern auch der gesamten Redaktion symbolisch den Rücken stärken. Correctiv ist eine Bereicherung für den investigativen Journalismus“, sagt Daniel Drepper.

Quelle: netzwerkrecherche.org (Verschlossene Auster), netzwerkrecherche.org (Leuchtturm)