Ein interdisziplinäres Forschungsteam startet mit der Fossillagerstätte „Bromacker“ im Thüringer Wald eine paläontologische Ausgrabung. Man will Erkenntnisse zu frühen Landwirbeltieren und ihren Lebensräumen sammeln. Gleichzeitig können BürgerInnen den Forschenden beim Bromacker-Projekt über die Schulter blicken.
Mit dem Projekt Bromacker startet im August eine neuartige, wissenschaftliche Kooperation an der weltweit einzigartigen Fossillagerstätte „Bromacker“ im Thüringer Wald. Nach mehr als einem Jahrzehnt gibt es dort erstmals wieder systematische Ausgrabungen und geologische Bohrungen.
Aber nicht nur das: Das Ziel der Kooperation ist es, anhand der Fossillagerstätte „Bromacker“ Forschung und Wissensvermittlung so miteinander zu verzahnen, dass die Öffentlichkeit ein Fenster zur frühen Evolution der Landwirbeltiere bekommt. In den kommenden fünf Jahren arbeiten hierfür das Museum für Naturkunde Berlin – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, die Friedrich-Schiller-Universität in Jena und der Nationale GeoPark Thüringen Inselsberg-Drei Gleichen zusammen. Das deutschlandweit einzigartige Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Forschende werden verschiedensten wissenschaftlichen Forschungsfragen nachgehen, um in Zukunft das Leben an der Fossillagerstätte „Bromacker“ als Ganzes besser zu verstehen. Mit neuen Arten der Wissenschaftskommunikation soll die Öffentlichkeit am Forschen teilnehmen und mit Forschenden ins Gespräch kommen. So wird es neben einem Bromacker Lab(oratorium), auch digitale Medien und Führungen zur Ausgrabungsstelle sowie Einblicke in die Live-Präparation und Live-CT-Scans von Fossilien geben. Im Verlauf des Projektes soll es voraussichtlich für BürgerwissenschaftlerInnen die Möglichkeit geben, an Forschungsaufgaben mitzuwirken.
„Forschung ist spannender als jeder Blockbuster. Wir öffnen Forschung und stellen Kontakt zu Forschenden her: Nicht erst, wenn die Forschung abgeschlossen ist, sondern schon während der ersten Ausgrabung. Die „Bromacker“-Fundstelle ist ein unermesslicher Schatz von Millionen Jahre alten, frühen Landwirbeltieren, der nun endlich für die breite Öffentlichkeit aus seinem Dornröschenschlaf geholt wird“, sagt Johannes Vogel, Generaldirektor am Museum für Naturkunde Berlin. „Als Forschungsmuseum treiben wir die Öffnung der Wissenschaft mit dem Zukunftsplan weiter voran und wollen von Menschen lernen. Unterstützen Sie uns, machen Sie mit.“
Wissenschaftskommunikation der Zukunft
„Dieses Projekt verbindet erstmals die Forschungsfelder Naturwissenschaft und Wissenstransfer auf Augenhöhe. Bromacker hat das Potential, deutschlandweit und international ein beispielgebender Ansatz zu werden: Für mehr Dialog über Forschung“, sagt Tobias Pfeifer-Helke, Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, in deren Sammlungen auch die Fossilien der bisher in der Fossillagerstätte entdeckten zwölf Arten von Landwirbeltieren zu Hause sind.
„Direkt in der thüringischen Ausgrabungsstätte soll eine Besucherplattform entstehen, von der das Publikum bei Events und Führungen die Arbeit der Paläontologinnen und Paläontologen verfolgen kann und einen authentischen Blick auf die Arbeitsplätze in einer der weltweit bedeutendsten Fossillagerstätten bekommt“, sagt Syliva Reyer-Rohde, Leiterin des Managementbüros des Nationalen GeoParks Thüringen Inselsberg-Drei Gleichen.
„Das Museum für Naturkunde Berlin hat in den vergangenen Jahren erfolgreich mit vielen offenen Formaten der Wissenschaftskommunikation experimentiert. Diese Erfahrungswerte fließen hier als Grundlage in die Entwicklung von innovativen Angeboten für Bürgerinnen und Bürger ein. So wird beispielsweise die Präparation der Fundstücke in Berlin live für das Publikum sichtbar gemacht. Wir möchten aber nicht nur neue Einblicke und Erlebnisse für die Öffentlichkeit schaffen, sondern auch über die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass sich hochkomplexe Forschung und bestimmte Formen der Wissenschaftskommunikation vereinen lassen“, sagt Uwe Moldrzyk, Leiter des Forschungsbereiches Museum und Gesellschaft, MfN.
Dreidimensionale Fossilien
„Die „Bromacker“-Fundstelle ist weltweit einzigartig, wenn es um erstklassig erhaltene, dreidimensionale Wirbeltierfossilien und eine außerordentlich große Artenvielfalt im frühen Perm vor etwa 290 Millionen Jahren geht. Die Ausgrabungen und modernsten Forschungsansätze werden wertvolle Einblicke in die Paläobiologie und Ökologie früher Landwirbeltiere und ihrer Umwelt geben“, sagt Jörg Fröbisch, Professor für Paläobiologie und Evolution und Projektleiter (MfN). „Wir wollen herausfinden, wie die Evolution von stabilen Ökosystemen funktioniert. Insbesondere die Evolution der frühesten Pflanzenfresser und die darauffolgende Evolution der trophischen Pyramide mit vielen Pflanzenfressern an der Basis und wenigen Top-Prädatoren, also Fleischfressern, an der Spitze, sind von besonderem Interesse.“
„Unser Ziel ist es, den Lebensraum dieser Reptilien und ihrer Nahrung sowie das vorherrschende Klima in diesem von Flüssen, Sümpfen und Seen geprägten Gebiet dreidimensional zu rekonstruieren“, sagt Christoph Heubeck von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Geologische Studien von unseren Mitarbeitenden und Studierenden an den zahlreichen Aufschlüssen der Umgebung, eine detaillierte Kartierung, mehrere Flachbohrungen in der Umgebung der fossilführenden Steinbrüche sowie eine geologische Tiefbohrung im Zentrum des Sedimentbeckens werden dazu beitragen. Die Ergebnisse wollen wir auch in einem dreidimensionalen, interaktiven Computermodell darstellen.“
Obwohl Deutschland kein großer Flächenstaat ist, zeichnet es sich durch seine komplexe und vielseitige Geologie aus und beherbergt damit einige weltweit berühmte Fossilfundstellen verschiedenster Erdzeitalter. Die Fossillagerstätte „Bromacker“ in der unterpermischen Tambach-Formation zwischen den Gemeinden Tambach-Dietharz und Georgenthal im Thüringer Wald ist seit mehr als 100 Jahren bekannt. Sie repräsentiert außerhalb der USA eine der bedeutendsten und produktivsten Fossillagerstätten für Landwirbeltiere (terrestrische Tetrapoden) aus dem frühen Perm von vor etwa 290 Millionen Jahren.