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Otto Brenner Stiftung zeichnet zum 17. Mal herausragenden Journalismus aus

Collage: © Otto Brenner Stiftung

Collage: © Otto Brenner Stiftung
Seit 2005 vergibt die Otto Brenner Stiftung den Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus. Den mit 10.000 Euro dotierten 1. Preis erhält in diesem Jahr Pitt von Bebenburg für eine Serie von exklusiven Recherchen, die er seit Juli 2020 in der Frankfurter Rundschau (FR) veröffentlicht hat.

Es war der FR-Redakteur, der die Dimensionen des „NSU 2.0“-Skandals um rechtsextreme Drohschreiben an meist prominente Frauen mit seiner Veröffentlichungsreihe aufgezeigt und nach Auffassung der Jury damit „etwas sehr Beachtliches“ geschaffen hat: Er deckte das Ausmaß der Drohungen auf, die von einem oder mehreren Neo-Nazis per Mail, per Fax, per SMS vor allem an Frauen verschickt wurden, unterzeichnet mit „NSU 2.0“, und recherchierte die damit verbundenen illegalen Datenabfragen bei der Polizei. Seine Artikel in der Frankfurter Rundschau führten dazu, dass personelle Konsequenzen gezogen wurden und sich die hessische Landespolitik und die Polizei zwei Jahre nach den ersten „NSU 2.0“-Drohungen endlich ernsthaft um einen substanziellen Kampf gegen rechtsextreme Umtriebe in den Sicherheitsbehörden bemühten. Nicht zuletzt die Berichterstattung von Pitt von Bebenburg, so die Jury, setzte die Verantwortlichen unter den notwendigen Handlungs-Druck: „Eine journalistische Leistung, die aller Ehren wert ist“. Hinzu kommt, dass ihm aus Sicht der Jury mit seiner intensiven Recherche „ebenso Fulminantes“ gelungen ist: Er habe sich nämlich „Differenzierung bewahrt und die Achtung vor demokratischen Institutionen“. Beides sind Phänomene, „die in unserer Zeit erschreckend rasch schwinden und dabei so wichtig im Kampf gegen rechts sind“, schreibt die Jury in der Begründung.

Der 2. Preis (5.000 Euro) geht an Christian Baars, Oda Lambrecht und Simone Horst gemeinsam mit ihrem Redakteur Lutz Ackermann vom Norddeutschen Rundfunk für die „Panorama – die Reporter“-Dokumentation „Wem gehört der Impfstoff?“.

Mit dem 3. Preis (Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro) werden die beiden taz-Journalisten Kersten Augustin und Sebastian Erb für „Hitlergruß im Reichstag“, ihre Recherche über rechtsextreme Verdachtsfälle bei der Bundestagspolizei, ausgezeichnet.

Mit dem „Spezial-Preis der Jury“, dotiert mit 10.000 Euro, wird das WDR-Fernseh-Magazin Monitor mit seinem Leiter Georg Restle ausgezeichnet.

Den Newcomerpreis, dotiert mit 2.000 Euro, erhält Selina Bettendorf, die auf einer Doppelseite im Tagesspiegel sexuelle Belästigung im Alltag beleuchtet hat. Aus Sicht der Jury hat sie dafür eine ungewöhnliche Perspektive gewählt: Sie lässt nicht nur Opfer, also die betroffenen Frauen zu Wort kommen, sondern auch Täter. Sechs Männer hat die Preisträgerin dazu bewegen können, ihr eigenes Verhalten kritisch zu reflektieren.

Im Wettbewerb um die Brenner-Preise zeichnet die Jury auch innovative und wegweisende Medienprojekte mit 2.000 Euro aus.

In diesem Jahr geht der Medienprojektpreis an das Redaktionsteam von „offen un‘ ehrlich“ um Kim Stoppert und Robert Hecklau, das für den Saarländischen Rundfunk und „funk“, das öffentlich-rechtliche Angebot für junge Zielgruppen, die neuesten Instagram-Hypes auseinandernimmt. Immer wieder wird beklagt, dass der Journalismus seine Wächterfunktion in den sozialen Medien viel zu selten wahrnimmt – zum Teil, weil JournalistInnen einfach noch nicht wissen, wie sie das anstellen sollen. Das ausgezeichnete Medienprojekt „offen un‘ ehrlich“ zeigt, wie es geht, und das mit Bravour, urteilt die Jury. Erst überprüfen die MacherInnen die Produktmaschen und Manipulationsstrategien der InfluencerInnen. Dann bereiten sie die Rechercheergebnisse publikumsgerecht auf, und zwar mit der härtesten Währung auf Social Media: mit Humor.

Die Jury hat im Rahmen ihrer diesjährigen Sitzung Ende September auch wieder Recherche-Stipendien vergeben. Zwei Anträge können nach der Entscheidung der Jury umgesetzt werden:

Johanna Tirnthal und Timo Stukenberg recherchieren zu „Angriffen auf Obdachlose“ und fragen, wie und warum sich der Hass gegen schutzlose Menschen entlädt, wie sich Obdachlose schützen und was das „über uns als Gesellschaft aussagt“.

Fabian Federl greift mit seinem Stipendium ein noch wenig beleuchtetes Thema auf. Fischzucht, so die allgemeine Absicht, soll die Meere vor Überfischung retten. Was für Europa funktioniert, führt aber im Senegal zu einem perversen Paradox: Den Menschen fehlt es an Nahrung, weil dort ihr Fisch zu Mehl verarbeitet wird, der an unseren Fisch verfüttert wird. Die Recherche will den Blick auf absurde Verhältnisse in einer globalisierten Welt lenken und zudem eine Geschichte von Ungleichheit, Umweltzerstörung und globaler Wirtschaft erzählen.

Weitere Informationen zu den diesjährigen PreisträgerInnen finden Sie hier >>

Die Preisverleihung findet auf Grund der Corona-Pandemie am 22. November in Berlin in kleinem Kreis nur für die PreisträgerInnen und geladene Gäste statt – sie wird für alle Interessierten ab 18:00 Uhr im Livestream über die Internetseiten der Stiftung zu verfolgen sein.


Die Otto Brenner Stiftung verleiht den Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus 2021 zum 17. Mal. Prämiert werden journalistische Arbeiten, die das Motto der Ausschreibung „Gründliche Recherche statt bestellter Wahrheiten“ in ihren Beiträgen beispielhaft umgesetzt haben. Aus mehr als 450 Bewerbungen wählte die Jury am 21. September in Frankfurt a. M. die PreisträgerInnen in fünf Kategorien aus. Das Preisgeld beträgt 2021 insgesamt 42.000 Euro.

Jurymitglieder 2021 sind die freie Journalistin Brigitte Baetz (u.a. Deutschlandfunk), Nicole Diekmann (ZDF-Hauptstadtstudio Berlin), Prof. Dr. Volker Lilienthal (Universität Hamburg, Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Qualitätsjournalismus), Henriette Löwisch (Leiterin der Deutschen Journalistenschule in München, DJS), Prof. Dr. Heribert Prantl (Kolumnist und Autor, Süddeutsche Zeitung), Harald Schumann (Mitbegründer Investigative Europe, Redakteur für besondere Aufgaben Der Tagesspiegel) sowie Jörg Hofmann (1. Vorsitzender der IG Metall und OBS-Verwaltungsratsvorsitzender).


Quelle: PM Otto Brenner Stiftung