
Der Machtkampf beim SPIEGEL zwischen dem Chefredakteur Dirk Kurbjuweit und der stellvertretenden Chefredakteurin Dr. Melanie Amann ist entschieden. Amann wird das Medienhaus zum Ende dieses Jahres verlassen, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden. Bis dahin bleibt sie als Autorin der SPIEGEL-Chefredaktion aktiv.
Amanns Vertrag als stellvertretende Redaktionschefin endete Ende August. Eine Verlängerung stand offenbar nicht zur Debatte; ein Verbleib als Redakteurin war höchstens möglich. Nun verlässt sie den SPIEGEL vollständig.
Das Zerwürfnis an der Spitze der Redaktion zeichnete sich schon länger ab. Nach seinem Amtsantritt im Mai 2023 entzog Kurbjuweit Amann die Verantwortung für Politikberichterstattung, investigative Recherchen und die Leitung des Berliner Büros. Anfangs unterstützte sie noch Mitarbeiter KG, der Hauptanteilseigner des Blatts, doch diese Unterstützung soll inzwischen verpufft sein. Auch Geschäftsführer Stefan Ottlitz soll gegen sie Stellung bezogen haben. Amann wiederum ließ durchblicken, dass sie Kurbjuweit für den falschen Chefredakteur halte.
Amann war unter Kurbjuweits Vorgänger Steffen Klusmann auf ihren Posten gekommen. Zwischen ihr und Kurbjuweit entwickelte sich von Anfang an ein klassischer Machtkampf.
Die Redaktion sieht Kurbjuweit als kollegialen Chefredakteur, während Amann mit zahlreichen Talkshowauftritten ihre eigene Marke stärkt. Auf LinkedIn kündigte sie an, ab Oktober als „John F. Kennedy Memorial Policy Fellow“ an der Harvard-Universität zu arbeiten – ein faktisches vorzeitiges Ausscheiden aus dem SPIEGEL.
In den vermeintlich freundlichen Worten zur unfreundlichen Trennung kann man leicht vergiftete Spitzen erkennen, heißt es in der Frankfurter Allgemeinen. SPIEGEL-Chefredakteur Dirk Kurbjuweit würdigte Amanns Arbeit: „Ich danke Melanie Amann für die Arbeit, die sie für den SPIEGEL geleistet hat, vor allem für ihre unerschrockene Berichterstattung über die AfD und ihre glänzende Vertretung des SPIEGEL in Talkshows und Podcasts. Für ihren weiteren Weg wünsche ich ihr das Allerbeste.“
Auch Amann selbst blickt dankbar auf ihre Zeit beim SPIEGEL zurück: „Ich blicke mit Dankbarkeit auf zwölf erfüllende und erfolgreiche Jahre in der SPIEGEL-Redaktion zurück. Es war für mich eine Ehre und Freude, für das Haus von Rudolf Augstein als Redakteurin, Hauptstadtbüroleiterin und stellvertretende Chefredakteurin tätig gewesen zu sein. Den Kolleginnen und Kollegen wünsche ich für die Zukunft alles Gute.“
Künftig wird die SPIEGEL-Chefredaktion weiterhin aus Dirk Kurbjuweit sowie seinen beiden Stellvertreter:innen Cordula Meyer und Thorsten Dörting bestehen.
Melanie Amann, Jahrgang 1978, studierte Rechtswissenschaft in Trier, Aix-en-Provence und Berlin und promovierte an der LMU München. Nach Stationen bei der Financial Times Deutschland, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wechselte sie 2013 zum SPIEGEL. Ihre Recherchen über die AfD mündeten 2017 in dem Buch „Angst für Deutschland – Die Wahrheit über die AfD“. Seit Februar 2019 leitete sie gemeinsam mit Kollegen das Hauptstadtbüro, 2021 wurde sie in Personalunion Mitglied der Chefredaktion, 2023 ernannte Kurbjuweit sie zu seiner Stellvertreterin.