
Markus Beckedahl, Gründer und ehemaliger Chefredakteur von netzpolitik.org, hat – mit Unterstützung von Campact – eine neue Organisation ins Leben gerufen, die sich dem Schutz digitaler Grundrechte widmet. Das „Zentrum für Digitalrechte und Demokratie“ konzentriert sich auf strategische Kommunikation in diesem Themenfeld und positioniert sich als zivilgesellschaftliche Alternative zu den industrienahen Verbänden wie Bitkom.
Solche Lobbyverbände seien bei aktuellen Ereignissen stets schnell mit Statements und Pressemitteilungen präsent, erklärt Markus Beckedahl. Die Zivilgesellschaft hingegen könne in solchen Momenten oft nicht in gleichem Tempo reagieren – ein Nachteil in öffentlichen Debatten. Um gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen, brauche es jedoch öffentlichen Druck, alternative Perspektiven und neue Narrative.
Diese Lücke will der erfahrene Medienakteur und bekannte Internet-Erklärer mit einer neuen Organisation schließen, die auf sogenannte „Rapid Response“ – also schnelle, gezielte Reaktionen – spezialisiert ist. Campact-Vorständin Astrid Deilmann betont, ihr Verein wolle mit diesem Schritt ein kluges Projekt unterstützen, das sich für den Schutz der Demokratie einsetzt. „Die Auseinandersetzung um die Gestaltung des digitalen Raums ist ein ganz entscheidender Faktor für die Zukunft unserer Demokratie und unserer Sicherheit. Wir stehen in Europa vor einer grundlegenden Richtungsentscheidung: Rutschen wir in rasantem Tempo in Richtung Big-Tech-Oligarchie oder kriegen wir jetzt noch die Kurve?“, so Deilmann.
Das „gemeinwohlorientierte Start-up“ ist zunächst für drei Jahre finanziell gesichert, so Beckedahl. Weitere Einnahmen sollen über Spenden, Kooperationen und zusätzliche Fördermittel erfolgen. Zum Start wird die NGO mit zwei fest angestellten Mitarbeitenden und mehreren Freelancern ihre Arbeit aufnehmen.
Schnelle Eingreiftruppe für digitale Grundrechte
Ein zentraler Schwerpunkt des neuen Zentrums wird auf den sogenannten „Big Tech“-Konzernen wie Meta und Google liegen – Unternehmen, die sowohl das Internet als auch den Alltag vieler Menschen maßgeblich beeinflussen. „Ich beobachte mit Sorge, dass große Plattformen zunehmend zu politischen Akteuren werden – jedoch ohne demokratische Kontrolle, dafür mit erheblichem Einfluss auf Meinungsbildung und öffentliche Debatten“, erklärt Markus Beckedahl.
Das Zentrum will sich aber nicht nur auf diesen Bereich beschränken. Auch zu anderen digitalen Themen will die NGO Stellung beziehen – sofern es inhaltlich passt. Ziel ist es, sich als Anlaufstelle für Journalist:innen zu etablieren und einen Mediendienst aufzubauen, der nicht nur fundierte Einordnungen liefert, sondern auch konstruktive Lösungsvorschläge anbietet. „Wir haben in der Vergangenheit zu oft nur kritisiert, ohne Alternativen aufzuzeigen“, sagt Beckedahl gegenüber netzpolitik.org. Künftig soll das Aufzeigen von praktikablen Gegenmodellen ein fester Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit sein. Dabei richtet sich die Kommunikation auch gezielt an Digitalreferent:innen in Unternehmen, Behörden, Organisationen und Kommunen.
Für gesellschaftliche Mehrheiten
Darüber hinaus strebt das Zentrum Kooperationen mit Partnern außerhalb der klassischen netzpolitischen Szene an. Gerade durch ungewöhnliche und breit angelegte Bündnisse könnten digitale Grundrechte gestärkt werden, so Beckedahl. „Wir wollen gesellschaftliche Mehrheiten für eine gemeinwohlorientierte Digitalpolitik gewinnen.“
Markus Beckedahl hat in den vergangenen 20 Jahren die digitale Debatte in Deutschland entscheidend mitgeprägt. Er steht für die Verbindung von Digitalisierung und Grundrechten. Neben netzpolitik.org rief er auch den Verein Digitale Gesellschaft sowie die Netzkonferenz re:publica ins Leben.
Das neue Zentrum für Digitalrechte wird offiziell auf der diesjährigen re:publica, die kommende Woche stattfindet, vorgestellt. In einer ersten Phase will das Team rund um Beckedahl mit verschiedenen Formaten experimentieren. Nach der Sommerpause soll die Arbeit dann richtig starten – oder, wie er es formuliert: „Knöpfe drücken und schauen, was passiert.“
netzpolitik.org, blog.campact.de (Interview)