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Kommunikation & PR 2016 – Ein Rückblick

Foto: © Fotolia/stockWERK
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Was war das für ein Jahr? Oder? Das ablaufende Jahr 2016 hat bei vielen Kollegen keine Sympathiepunkte gesammelt. Auch bei mir nicht – im Augenblick, weil es sich offensichtlich so schlecht kartographieren lässt, dass selbst erfahrene Jahresrückblicker wie Günther Jauch am Versuch scheitern. Die Fazits der Kommunikationsbranche spielen die Hits von 2015: Content Marketing, Big Data, Digitale Transformation, dazu künstliche Intelligenz – mit Bots, Messengern, Algorithmen. Filterblase und Fake News. Das sind die Vokabeln des Jahres.

Welche Spuren hat 2016 unter PR-Kollegen konkret hinterlassen? Mein Eindruck: Viele sind auf der Suche nach Halt, einem Platz in der Branche, auf dem sich planbar und halbwegs glücklich leben und arbeiten lässt. Es schwinden dabei die Orientierungspunkte, wie der Platz zu erreichen ist.

Neulich bezeichnete mich ein PR-Chef als den „Jugendtrainer der Branche“, in Anspielung auf Nachwuchsinitiative #30u30. In dem Label schwingt für den Manager die Hoffnung mit, ich könnte bei der Einschätzung junger Talente helfen – und ihm beim Zusammenbau seines Teams. Zunehmend suchen PR-Verantwortliche das Personal nach den individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen aus, weil Ansprüche und Aufgaben der Kommunikation komplexer werden. Klassische PR-Berufsbilder liefern ihnen da keine Orientierung mehr, sie scheinen zur Einordnung zu undifferenziert geworden. Um im Bild zu bleiben: PR-Chefs suchen keinen Stürmer, sondern brauchen Schnelligkeit und Kopfballstärke in der Offensive, um ihren Kader zu ergänzen.

Auf der anderen Seite droht dadurch dem „alten, weißen Mann“ in der Kommunikation das Abstellgleis. Sein Wissens- und Erfahrungsschatz gleichen die fehlende digitale Fitness nicht aus, die moderne Organisation der Unternehmenskommunikation fordert die Anpassung. Gleichzeitig drängen Frauen (zu recht!) an die Spitze – endlich mag man rufen! Für viele erfahrene männliche Kommunikatoren allerdings wird die Luft dadurch noch dünner, wie der Kollege Daniel Neuen kürzlich im PR Report aufschrieb.

Und der Nachwuchs? Seit Jahren treiben wir mühsam die Akademisierung der PR-Branche voran, obwohl (oder weil?) uns Studien regelmäßig vor Augen führen, dass wir von Quereinsteigern abhängen. Personalien, die vom Wechsel namhafter Journalisten und Blogger in die Branche künden, erzeugen große Aufmerksamkeit und zeigen die Richtung an. Eine gute Handvoll Hochschulen bildet exzellente PR-Leute aus, meist flankiert von lokalen Studierendeninitiativen. Von der Kanzel herab hören sich PR-Studierende aber immer wieder an, dass sie noch nicht breit genug aufgestellt seien. Mehr Rundumblick, bitte! Technologiekompetenz! Sonst macht euch der Algorithmus platt!

Künstiche Intelligenz senkt angeblich langfristig den Personalbedarf an PR-Leuten. Wenn Algorithmen die Stimmungen beim Publikum schneller auswerten, wenn sie die Mikro-Öffentlichkeiten exakter ausmessen und sie mit den passenden Botschaften versorgen, die sie zuvor noch selbst getextet haben – dann fallen die Jobs an der PR-Werkbank dem zum Opfer. Die These ist steil, insbesondere da wir aktuell erleben, wie sehr die Algorithmen die Ansprüche an intelligente Kommunikation konterkarieren können. Die Mahnung ist aber angebracht. Derzeit läuft eine zweite Welle der Digitalisierung der Kommunikation. Die künftige Rolle des PR-„Menschen“? Unklar.

Ein Buch, das ich dieses Jahr gerne gelesen habe, hat Frank Behrendt geschrieben. In zehn Thesen sprach er sich für eine gesunde Balance zwischen Job und Privatleben aus. Er hat dafür zwar viel, aber nicht nur Applaus bekommen. Die große PR-Welle, die Behrendt begleitend erzeugte, mag Kollegen auch von der Lektüre abgeschreckt haben. Zu Unrecht: Er trifft einen Nerv: Diese ständige Suche nach dem Platz an der Sonne in einer Branche im Umbruch raubt sichtbar Kräfte. Und viele Kollegen können den Überall-Content auf den Always-On-Kanälen kaum noch beherrschen – es laugt sie aus, wenn Ruhepol und Fokus fehlen.

Erinnern Sie sich an das Cover des PR Report vor einem Jahr? Thema: Burn Out. Slow Media und Entschleunigung – auch das waren vielzitierte Vokabeln in der PR-Branche in diesem Jahr. Ich wünsche Ihnen ein besinnliches Weihnachten!

nico-kunkel_150x150pxÜber den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30 (www.30u30.de) – und inspizierte mit dieser Anfang September selbst den Siemens-Newsroom. Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.