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Wie achten wir mehr auf unsere Senior Talents?

Foto: fotolia.com / contrastwerkstatt
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Eine erstaunlich beliebte Frage zu der PR-Nachwuchskampagne #30u30, sprich 30 unter 30, die ich seit ein paar Jahren betreibe, lautet: Nico, wann machen wir endlich auch 50 unter 50! Das ist freilich als Flachs gemeint – stützt aber dennoch zwei Beobachtungen in der Branche.

Es gibt erstens eine latente Sorge vor einem Jugendwahn, erst recht, wenn das rasante Tempo des digitalen Wandels einen selbst aus der Kurve zu tragen droht, wenn Arbeitgeber ihre Hoffnungen in jüngere Kollegen setzen, die mehr Aufbruch verkörpern. Und ich spüre zweitens eine leichte Enttäuschung darüber, dass die Branche den erfahrenen KollegInnen zwar so eine kräftezehrende Anpassung und Rollenveränderung abverlangt, ihnen aber nur selten Anerkennung dafür zollt – während sie gleichzeitig junge Talente so leidenschaftlich umwirbt. Das demotiviert.

Wo bleiben PR-Leute – vor allem aus der so genannten zweiten und dritten Reihe – wenn zwischen 40 und 50 die Karriere stockt? Ich höre vor allem aus Unternehmen die Klage, wie schwer man sich mit dem Kulturwandel tue, weil das eingefahrene Kollegium nicht mitziehe. Und ja, diese Bremser gibt es: Menschen auf gut dotierten oder stressfreien Parkpositionen, die sich auf Veränderungen mit innerer Opposition einstellen.

Es fällt ihnen offenkundig schwer, flexibel und handlungsfähig zu bleiben, wenn sich sowohl das eigene Berufsbild stark verändert und die Branche, in der man es ausübt ebenso. Das schafft aus meiner Sicht nur, wer nicht intellektuell von der Substanz lebt. Der Haken: Sich weiterbilden kostet Zeit und es braucht Freiräume, die viele in ihren Jobs aktuell nicht finde können.

Ich halte es allerdings für gefährlich, den Anschein zu erwecken, dass ältere MitarbeiterInnen mehrheitlich den Veränderungen nicht gewachsen sind – und sie mit dieser Ausrede auszumustern. Ich halte das gar für ein Kalkül: Weil mit dem Altersdurchschnitt auch die Kosten sinken, und das dürfte eingeplant sein, wo immer gerade eine Unternehmenskommunikation umgebaut wird.

Jungen Leuten fällt der Wandel leichter, weil sie ihn nicht so sehr als Wandel empfinden. Aber nicht alle U30-Jährigen taugen zur Rettung der Branche oder streben das überhaupt an. Im Gegenteil: Ich erlebe nicht selten U30-Jährige, die unbeweglicher und konservativer auftreten als ältere KollegInnen, die mit Erfahrung und Praxis im Rücken souveräner und entschlossener auf Veränderung reagieren. Junge Leute dürfen daher keinen exklusiven Anspruch auf junge Themen haben.

WunschkandidatInnen von Unternehmen und Agenturen sind dennoch oft weiblich, jung und haben erste Führungserfahrung. Das ist eine Phantasiefigur, die in der Masse, in der sie gebraucht wird, nicht verfügbar ist. Die Realität ist männlich und um die 40, und das wirft die Frage auf: Wie nachhaltig sind Karrieren in der Kommunikation?

Nach der 30 kommen ja erst die Jahre, in denen Menschen ihre Lebensentscheidungen treffen, die die Karriere potenziell konterkarieren. Überbelastung oder Familienplanung sind häufige Stolpersteine, die auffallen. Insbesondere für Frauen, die nach dem Kind wieder einsteigen und dann oft in der Mutti-Teilzeit-Schiene landen. Aus dieser Perspektive setzt Frauenförderung in der Branche vielleicht zu früh an, weil sie sich ebenfalls auf Frauen unter 30 konzentriert.

Ich schätze die Arbeit mit Young Professionals sehr, weil sie viel zu sagen haben, bei dem das Zuhören lohnt. Und zur Wahrheit gehört auch: Die Zahl an Newcomern für die Branche ist schlicht geringer als früher, und an denen sind zunehmend auch andere Branchen dran. Wir müssen gute Nachwuchsarbeit leisten und junge Talente für die moderne Kommunikationsarbeit begeistern. Nur gilt das für ältere Talente eben auch.


nico-kunkel_150x150pxÜber den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30 (www.30u30.de). Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.