InsurTechs und Vergleichsportale machen es Versicherungskunden immer leichter, mit wenig Aufwand zum nächstgünstigeren Anbieter zu wechseln. Nur mit einem tiefen Verständnis für die immer vielfältigeren Konsum- und Kommunikationsgewohnheiten sowie technologischen Möglichkeiten lässt sich der Kundenabwanderung – in Englisch Churn – entgegenwirken. Versicherungsanbieter benötigen dazu nicht nur eine kundenzentrierte Unternehmensphilosophie, sondern auch die richtigen Technologien, um die Gesamtheit aller Erfahrungen, die Kund:innen mit ihnen machen, zu managen.
Ob im Marketing, Vertrieb, Service, Qualitäts- und Beschwerdemanagement, After Sales – überall lagern wertvolle Informationen zu den Bedürfnissen der Zielgruppe und ein kundenzentriertes Handeln kann auf keinen dieser Datenströme verzichten. In der Vergangenheit haben viele Abteilungen eher für sich agiert, heute greifen deren Zahnräder idealerweise nahtlos ineinander. Denn wenn es auch nur an einer Stelle hakt, leidet die Qualität der Kommunikation, Beratung und Angebote deutlich. Konsequenz: Die Churn Rate – der Anteil von Kund:innen, der zur Konkurrenz abwandert – steigt. Es ist auch längst kein Geheimnis mehr, dass zufriedene Kund:innen weniger preissensibel sind, mit geringerer Wahrscheinlichkeit den Versicherungsanbieter wechseln, ein höheres Cross- und Upselling-Potenzial mitbringen und durch ihre Weiterempfehlung sogar Akquisekosten reduzieren.
Die Churn Rate minimieren – aber wie?
Professionelles Customer Experience Management ermöglicht es Versicherungsanbietern, an den richtigen Touchpoints wertvolle Kunden-Insights zu gewinnen und diese als Grundlage zur Verbesserung der Customer Journey zu verarbeiten. Wichtig dabei ist der strategische Blick auf die Kommunikationskanäle, die entscheidenden Kriterien zur Wahl der Touchpoints, ein besonderes Augenmerk auf das Beschwerdemanagement, ein abteilungsübergreifender Kundenblick und moderne, flexible IT-Infrastrukturen, die eine zielgruppengerechte Ansprache und personalisierte Angebotsgestaltung über die relevanten Kommunikationskanäle automatisiert ermöglichen. Um in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess einzusteigen, bieten regelmäßige Kundenumfragen die Möglichkeit, wertvolle KPIs zu generieren, um intern und extern auf Basis belegbarer Zahlen zur Kundenzufriedenheitsentwicklung operieren zu können.
1. Professionelle Omnichannel-Kommunikation
Wie in vielen anderen Branchen stehen die Zeichen auch in der Versicherungsbranche auf „Omnichannel“. Kund:innen wünschen sich, die ganze Bandbreite an möglichen Interaktionskanälen, wie Website, Live-Chat, E-Mail, Soziale Medien, Filialen, Telefon, Post, Messenger-Apps, Makler:innen, zu ihrer persönlichen Verfügung zu haben. Die Herausforderung hierbei besteht nicht darin, all diese Kanäle gleichmäßig zu bespielen, sondern eben genau diejenigen auszuwählen, die für die Themen relevant sind und von der Zielgruppe am liebsten genutzt werden. Versicherer sollten im Sinne einer Omnichannel-Strategie deshalb Tools einsetzen, die es ihnen erlauben, Kund:innen auf mehr Kanälen nahtlos zu erreichen. Für das Einholen von Feedback heißt das, Empfangsbereitschaft an digitalen, aber auch persönlichen Kontaktpunkten zu signalisieren. So lassen sich Stimmungen der Zielgruppe frühzeitig erkennen und Probleme beheben.
2. Touchpoint-übergreifende Feedback-Generierung
An welchen Touchpoints setzt ein Versicherer trotz Omnichannel-Strategie am besten an, um die richtigen Insights zu gewinnen? Sollten Daten gar an jedem einzelnen Kontaktpunkt erhoben werden? Für die langen und komplexen Customer Journeys, wie sie für die Versicherungsbranche typisch sind, zeichnen sich fünf besonders ergiebige Momente für das Einholen von Feedback ab:
- Unmittelbar nach dem Beratungstermin, da hier die erste Möglichkeit besteht, Vertrauen aufzubauen.
- Nach Online-Beratungsgesprächen, die sich aufgrund des Trends der digitalisierten Customer Journeys weiter etablieren.
- Nach dem Vertragsabschluss – etwa mit dem Zusenden der Vertragsunterlagen, denn hier lässt sich ermitteln, was besonders gut lief, aber auch, wo noch Verbesserungspotenzial herrscht.
- Über regelmäßige Check-ins, bei denen eine sehr kurze (online) Umfrage hilft, die allgemeine Stimmung von Kund:innen zu erfassen.
- Durch Ad-hoc-Umfragen, mit denen Versicherer größere Veränderungen – beispielsweise Rebrandings, Fusionen, Preis- und Produktentwicklungen – flankieren sollten, um ihren Kund:innen zu vermitteln, dass sie loyal und transparent agieren.
Versicherer zeigen sich durch eine derart vielfältige Offenheit interessiert und nahbar – wichtige Signale, um die Kundenabwanderung einzudämmen, denn werden relevante Kundensentiments nicht erhoben, bleiben Probleme unerkannt und ungelöst.
3. Kundenorientierte, nahtlose Prozesse
Steigt die Gruppe potenziell wechselwilliger Kund:innen stetig, mag das vor allem an mangelndem Service auf der Anbieterseite liegen. Einmal enttäuscht, orientieren sich gerade Versicherungsnehmer:innen, die bevorzugt online abschließen, in Windeseile um. Ein Blick in die Praxis der Schadensabwicklung verdeutlicht, dass Kund:innen flexible und digitale Angebote brauchen. Wird ein Schadensfall an die Versicherung übermittelt, sucht die betroffene Person möglichst unbürokratische Hilfe, denn in der Regel sorgt der Schaden an sich schon für Frustration. Möglichst einfach durchführbar sollten demnach auch die nächsten administrativen Schritte sein, möglichst bequem und ohne Redundanzen für den Hilfesuchenden. Der Versicherer sorgt zudem für ein beruhigendes Gefühl auf der Kundenseite, wenn sich der Bearbeitungsstatus live online oder per SMS- oder E-Mail-Benachrichtigung verfolgen lässt.
4. Effizientes Beschwerdemanagement
Die Art des von Kund:innnen präferierten Prozesses – von rein analog bis komplett digital –bedeutet für das Angebotsspektrum von Versicherern einen immensen Spagat, der ohne adäquate technische Basis nicht lösbar ist. Denn es gilt, Kund:innen zu gewinnen, zu binden und dauerhaft mit gutem Service an zahlreichen Touchpoints zu bedienen. Dafür müssen die richtigen Informationen und Daten zum richtigen Zeitpunkt dem richtigen Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Eine KI-gestützte Textanalyse beispielsweise filtert automatisch Problemfälle aus offenen Textfragen, sammelt und delegiert sie. So können Mitarbeitende schnell reagieren. Die Praxis zeigt: Kund:innen mit einem Problem, das gelöst werden konnte, entwickeln trotz partieller Unzufriedenheit eine höhere Loyalität einer Marke gegenüber, als solche, die nie ein Problem hatten.
5. Technologiegestütztes CXM
Um etwaige Reibungspunkte kontinuierlich verbessern zu können und Anliegen schnell zu lösen, ist es entscheidend, Kundenfeedback über die gesamte Customer Journey hinweg zu erheben. Die Verankerung von CXM ist daher eine transsektorale Aufgabe. Dementsprechend muss die CXM-Lösung eben diesen holistischen Ansatz erfüllen. Mittels hybrider Cloud ließe sich eine flexible IT-Infrastruktur aufstellen, die via APIs die Anbindung von neuen unterstützenden Lösungen, beispielsweise für CXM, erlaubt. Dabei sollte die Komplexität von Prozessen keinesfalls zu- sondern eher abnehmen. Kunden-Insights werden dann zentral gespeichert und sind überall und für jeden verfügbar, wenn die CXM-Lösung an ein bestehendes CRM-System mittels bi-direktionaler Schnittstellen angebunden wird. So wird eine nahtlose Erfahrung für die Kund:innen möglich.
Fazit
Wer würde nicht gern eine imaginäre Mauer um seinen Kundenstamm ziehen, um die kostenintensive Churn Rate aufzuhalten? Realistischer scheint jedoch der Brückenbau in eine digitale Zukunft. Um die Bindung der Kunden nachhaltig zu gewährleisten, sollten Versicherer heute auf ein professionelles CXM setzen. Denn loyale Kund:innen geben sich weniger wechselwillig und fördern so den wirtschaftlichen Erfolg des Anbieters. Indem sich Versicherer der veränderten Kundengeneration anpassen, versetzen sie sich selbst in die Lage, ihre Churn Rate zu minimieren und die Kundenzufriedenheit nachhaltig zu steigern.
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Über den Autor: Holger von Seherr-Thoß ist CEO & Partner von moveXM | TTR Group, einem Pionier im Bereich Kundenzufriedenheit und softwaregestütztes CX Management. Er begann seine berufliche Laufbahn bei Ogilvy & Mather in Frankfurt und setzte sie nach Stationen im Ausland bei der KPMG AG im Bereich Customer Consulting fort. Seit 2019 führt er das Unternehmen, das moveXM, die Software-as-a-Service Lösung für ganzheitliches Customer & Employee Experience Management, entwickelt und anbietet – hosted and made in Germany.