Recruiting verändert sich nicht durch Corona: Menschen wollen Geschichten hören – auch digital. Nora Feist, CEO und HR-Verantwortliche der PR- und Brand-Storytelling-Agentur Mashup Communications, zeigt, wie Personaler:innen ihr Publikum digital in ihren Bann ziehen.
Dekoqueen oder Bücherwurm? DIY-Aquarell oder Motivationsspruch an der Wand? Der Eisbrecher in einem Vorstellungsgespräch ist seit nunmehr einem Jahr der Einblick, den Personalverantwortliche in die vier Wände der Bewerber:innen bekommen. Wo sonst der Konferenzraum als graue Projektionsfläche neuen Talenten die Möglichkeit zum Glänzen gab, verlagert sich die Bühne der Aufmerksamkeit ins Homeoffice. Doch das Recruiting im digitalen Zoom-Zeitalter beginnt nicht erst beim persönlichen Gespräch. Bevor der gemeinsame Austausch Personalherzen zum Schmelzen bringt, kennen die Kandidat:innen den Cast eines Unternehmens im besten Falle schon. „Sind Bewerber:innen schon vor dem ersten Kennenlernen Fans der eigenen Marke, ist ihre Abenteuerlust geweckt und dies im besten Fall der Beginn einer gemeinsamen Reise“, weiß Nora Feist, CEO und HR-Verantwortliche der Berliner Agentur für PR und Brand Storytelling Mashup Communications. Sie zeigt, wie die HR-Regisseur:innen die Vielfalt des digitalen Zeitalters im Recruiting voll und ganz ausschöpfen können.
Die eigene Website als Recruiting-Kanal zum Reinzappen
Wie der Protagonist Jeff in Alfred Hitchcocks Spielfilm „Das Fenster zum Hof“ Einblick in das Leben seiner Nachbar:innen erhält, bekommen auch neugierige Talente über die Firmenwebsite einen ersten Eindruck zum Team und möglichen Aufgabengebieten. Liebe auf den ersten Klick passiert im besten Fall über Geschichten von den Mitarbeitenden selbst. Persönliche Erfahrungsberichte einzelner Teammitglieder zahlen auf das Sympathiekonto ein und lassen Bewerber:innen zu Detektiv:innen werden. Was motiviert die einzelnen Kolleg:innen, wie verknüpfen sie ihre Hobbys mit dem Beruf und welche Werte sind ihnen in der täglichen Zusammenarbeit wichtig? Hier finden konkrete, offene Stellenausschreibungen Gehör, die im besten Fall ohne austauschbare Floskeln á la „Was du mitbringst“ – „Was wir bieten“ auskommen.
Stellenausschreibungen sind Queen – Geschichten aber auch
Es sind Eigenschaften wie „flexibel, motiviert, dynamisch und engagiert“, die HR-Verantwortliche bei Talenten suchen. Allerdings verlieren sie aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit an Aussagekraft. Echte Geschichten von realen Mitarbeitenden haben eine immense Strahlkraft auf Anwärter:innen, da sie sich durch eben jene direkt angesprochen fühlen. Gerade die täglichen Herausforderungen im Berufsalltag und wie man diese meistert, sind genau die Behind-the-Scenes-Storys, die neue Kandidat:innen erfahren möchten. Bilder, die das Team bei ihren Tagesabläufen zeigen, Videos mit kleinen Anekdoten der Kolleg:innen oder Making-ofs von internen Projekten verleihen der Jobseite den nötigen Esprit. Doch das Recruiting ist keine Einbahnstraße! Personalverantwortliche lesen täglich Dutzende Bewerbungen, in denen der Erzählcharakter oft zu kurz kommt und ein Lebenslauf-Standard-Skills-Bingo Einzug hält. „Wer also Bewerber:innen dazu ermutigt, ihre eigene Geschichte zu erzählen, findet sich später nicht selten beim Lesen der Bewerbungen in Hollywood-Stimmung wieder – darin sind Cliffhanger bis zum persönlichen Gespräch garantiert“, ergänzt Nora Feist.
Multichannel-Strategie holt MultitaskerInnen ab
Talente von heute sind multitaskingfähig und zappen sich nicht selten durch mehrere Kanäle gleichzeitig, um nach neuen Stellenangeboten zu suchen. Die Business-Kanäle LinkedIn und Xing sind die perfekte Anlaufstelle, um nach neuen Kandidat:innen Ausschau zu halten. Die HR-Expertin gibt den Tipp: „Alumnigruppen z.B. auf LinkedIn sorgen nicht nur dafür, mit ehemaligen Kolleg:innen in Kontakt zu bleiben, dort können auch offene Stellen gepostet werden. Abseits der einschlägigen Businesspfade tummeln sich die Talente von morgen.“ Social-Media-Kanäle wie Instagram und TikTok versorgen das Publikum mit News, Insights und Anekdoten rund um den Firmenalltag. Wer also Nutzer:innen zu echten Fans der Marke machen möchte, sollte auf Nah- und Erlebbarkeit setzen. Das geht auch und vor allem gerade im Zoom-Zeitalter: Geschichten aus dem Homeoffice, Storys zu Unternehmenswerten und Einblicke in die Arbeit mit Kund:innen – Klick für Klick tauchen Kandidat:innen voll und ganz in die Firmenwelt ein.
Digitale Bewerbungsgespräche mit Dating-Charakter
Ob Wäscheständer oder die „Klassiker-Edition“ der ZEIT im Hintergrund – das digitale Kennenlernen bricht das Eis auf ganz neue Art und Weise. Doch auch wenn der Gesprächsbeginn nicht gleich über das Interieur der Gegenüber funktioniert, sollte eine vertrauensvolle und offene Gesprächsatmosphäre ermöglicht werden. Denn der Funke springt nicht zwangsläufig mit der fachlichen Expertise über – die wurde im besten Fall bereits im Lebenslauf dargelegt. Außergewöhnliche Fragen, die Aufschluss über die Persönlichkeit und Wertvorstellungen geben, zeigen, ob er oder sie ins Team passt. Gespräche statt Q&As sind hier gefragt! Denn wenn wir ehrlich sind: Offene Stellen sollten nicht dahingehend vergeben werden, wo sich die Bewerber:innen in fünf Jahren sehen oder bei welchen Unternehmen sie bereits gearbeitet haben. Erkenntnisse gewinnen Personaler:innen selten aus den Stärken und Schwächen der Kandidat:innen. Wie in einer guten Erzählung auch, sind unerwartete und verblüffende Momente genau die, die das Eis zum Schmelzen bringen.
Fazit: Geschichten an digitalen Lagerfeuern zum Entflammen bringen
Geschichten bleiben selten im Verborgenen. Anekdoten wollen geteilt und Wertevorstellungen festgehalten werden. Die Protagonist:innen sollen zu Wort kommen. Recruiting, egal auf welchen Kanälen, ist genau die Bühne, die neue Talente für sich erobern können. „Die bekannten Aspekte des Storytelling müssen nur ins Digitale übertragen werden. Die Basis: die eigene Unternehmenskultur und das Narrativ des gesamten Teams. Gerade in schwierigen Zeiten, die an den Kräften von uns allen zehren, ist Vertrauen das Element, in das wir setzen sollten“, so Nora Feist.
Quelle: PM Mashup Communications