Es ist 2018 und Facebook dreht seinen Feed-Algorithmus auf links. Jetzt sollen FreundInnen und Konversationen plötzlich wieder wichtig werden. Die mühsam aufgebaute Reichweite der Facebook-Seiten von Unternehmen werden darunter wohl leiden müssen – schreiben ExpertInnen in das Internet.
Blöd gelaufen – könnte man sagen. Oder wie es Wolfgang Blau, President of Condé Nast International, kürzlich in einem Facebook-Post ausdrückte: „Remember when the homepage was ‚dead‘? Well, it never was, except for those who never had one i.e. who had no loyal users who used theirs as a destination.“
Die 2018er Ideen von Mark Zuckerberg und seinem Team zeigen einmal mehr, wie sehr man sich auf soziale Medien verlassen kann: nämlich gar nicht. Das muss aber nicht schlimm sein, wenn man die nötige Flexibilität bei sich oder in seinem Team entsprechend abbilden kann. Denn eigentlich macht Facebook etwas, was sich in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt hat: Es bewegt sich in Richtung Geld verdienen. Und dazu muss man eben die Reichweite monetarisieren. Ein Thema, das vermutlich bei Instagram – einer Facebook-Tochter – ebenfalls zunehmen wird oder auch bei Twitter. Fazit: Soziale Medien sind eben nicht sozial im Sinne von kostenlos oder billig.
Für die Kommunikationsprofis sollte das eigentlich nicht neu sein. Allerdings ningeln dafür doch gerade recht viele Menschen über die Änderungen. Sie wollen ihre kostenlose Reichweite zurück. Dieses Rad dürfte vermutlich nicht mehr zurückgedreht werden. Der Facebook-Stream wird wohl zu einem Bereich voll mit den Inhalten der NutzerInnen, bis man sich das im FB-Headquarter wieder anders überlegt. Da können wir die alte Vokabel „User Generated Content“ wieder ausgraben: Fotos, GIFs, Videos, Livestreams, Texte auf bunten Hintergründen. Und dazwischen vielleicht Flächen für Werbung. Denn es ist nichts anderes als Werbung, was frau/man dann bei Facebook bucht – mehr denn je …
Das dürfte für uns Kommunikationsverantwortliche spannend werden. Denn wie muss die neue Form der Werbung aussehen? Sind es dann die kostenlosen fünf Übernachtungen mit Videobeweis, die man als Hotelbesitzer dann seinen potenziellen KundInnen gegen Geld in den Stream jagt? Werden die Inhalte von Werbeverantwortlichen dann bei Facebook noch relevanter? Wird die Verantwortung im eigenen Unternehmen für Aktivitäten in sozialen Medien damit an die Marketingprofis übergeben? Ich weiß es nicht, bin aber gespannt auf interessante Ideen.
Die Kommunikationsarbeit in sozialen Medien kann vermutlich trotzdem punkten: Das gute alte Word-of-Mouth-Prinzip bekommt im Stream unter FreundInnen vielleicht wieder mehr Gewicht. Und auch das Buzzword „Costumer Support“ über Bots und Chats könnte von der Änderung des Feed-Algorithmus profitieren. Und auch das virale Video könnte seine Renaissance erleben. So wie die Homepage, der Blog oder die App eines Unternehmens oder einer Organisation.
Eine Frage bleibt: Was wird aus den Influencern? Müssen sie sich bald einen neuen Job suchen? Denn auch sie dürften bei Facebook an natürlicher Reichweite verlieren. Und ob sich dann noch die Rechnung lohnt: fünf Übernachtungen für ein paar Facebook-Posts?
Über den Autor: Jens Stoewhase ist Geschäftsführer der Rabbit Publishing GmbH, die das Onlinejournal medienrot.de im Auftrag der Landau Media GmbH & Co. KG betreibt. Dabei ist er auch immer wieder als Produzent von Videoinhalten aktiv. Bis Ende 2011 betreute er selbst u.a. die digitalen Aktivitäten zahlreicher kommerzieller Kinder- und Jugendmagazine und YPS. Stoewhase arbeitete vorher jahrelang für den Onlinebereich der TV-Serie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“, als Freelancer im Musikbereich und entwickelte Konzepte für digitale Angebote im Entertainmentsegment.