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Erfolgreich & familienfreundlich arbeiten in der Kommunikationsbranche (und anderswo)

Foto: © Oseon

Eigentlich sollte dies ein Beitrag über die Familienfreundlichkeit der Kommunikationsbranche werden. Ich habe mich mit berufstätigen Müttern unserer Zunft ausgetauscht, wie wir Beruf und Familie unter einen Hut bekommen. Herausgekommen ist ein Beitrag über individuelle Karrieregestaltung, Rücksichtnahme, die Frage, wie wir den Wert von Arbeit bemessen wollen, Zeit und warum wir alle ein bisschen großzügiger sein sollten. Egal, in welchem Beruf wir arbeiten. Aber der Reihe nach. Wie komme ich überhaupt auf das Thema?

In unserer Agentur kommen auf dreizehn fest angestellte Mitarbeiter drei Bürohunde und neun Kinder. Fünf Kolleginnen arbeiten in Teilzeit. Vier von ihnen haben sich dafür entschieden, um ihre Rolle als berufstätige Mutter besser koordinieren zu können. Eine Kollegin, weil sie neben ihrem Job in einer Agentur auch noch andere Interessen hat, für die sie ausreichend Zeit haben möchte. Der einzige Vater im Team arbeitet in der Regel zwei Tage die Woche aus dem Home Office, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Auch der Rest des Teams profitiert von einer freizügigen Home Office- und Arbeitszeit-Regelung, zum Beispiel um lange Wochenenden beim Partner in einer anderen Stadt verbringen zu können oder um sich an manchen Tagen zeitraubendes Pendeln im Rhein-Main-Gebiet zu ersparen. Oder, um überhaupt mehr Zeit für Freunde, Familie und Hobbys zu haben. Auch Nicht-Eltern haben ein Privatleben, dem sie Raum geben wollen. Das berücksichtigen wir natürlich ebenfalls und behandeln keinen Kollegen mit Kindern zu Lasten der anderen bevorzugt.

Wir sind als kleine, inhabergeführte Agentur stolz darauf, so viel Flexibilität bieten zu können. Auch, wenn das gerade in einem noch überschaubaren Team ein besonderes Maß an Organisation und gegenseitiger Rücksichtnahme verlangt. Schließlich möchten wir unsere Kunden jederzeit angemessen betreuen und es soll keine ungleiche Belastung im Team entstehen. Das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegt uns sehr am Herzen. Deutschland hat noch einen weiten Weg vor sich, ehe Home Office, Flexitime, Elternzeit oder – später dann – Zeit für die Pflege von Familienangehörigen ganz selbstverständlich Teil des Arbeitslebens sind. Für Frauen wie für Männer gleichermaßen. Ohne Risiken für das berufliche Fortkommen.

Dabei spiele ich noch nicht einmal auf die gerne bemühten skandinavischen Vorbilder an. Auch dort ist nicht alles Gold, was glänzt: So führt etwa in Schweden die staatliche Rundumversorgung des Nachwuchses gepaart mit steigenden Lebenshaltungskosten und einer gewissen gesellschaftlichen Erwartungshaltung dazu, dass Eltern beide Vollzeit arbeiten müssen – auch wenn zum Beispiel 45 Prozent der schwedischen Mütter lieber in Teilzeit oder gar nicht arbeiten würden.

Flexibilität hat viele Gesichter

Auf die Wahlmöglichkeiten kommt es an. Auf die Offenheit, Toleranz und Bereitschaft von Gesellschaft, Arbeitgebern und Kollegen, Eltern die Möglichkeit zu geben, ihr Berufs- und Familienleben individuell gestalten zu dürfen. Es gibt keine Regel, wie die Balance zu funktionieren hat. Gerade in unserer Branche sind die Beschäftigungsmodelle vielfältig – von der Voll- oder Teilzeitarbeit in einer Agentur, einem Unternehmen bis hin zur Selbstständigkeit. Das ist ein großer Vorteil. Gespräche mit Frauen mit unterschiedlichsten Ansätzen, wie sie ihren Beruf in der Kommunikationsbranche mit ihrer Rolle als Mutter vereinbaren, zeigen, dass vieles hier schon sehr gut funktioniert. Ein paar Stellschrauben gilt es jedoch noch nachzuziehen.

Der Reiz der Selbständigkeit

Karen Liller, heute freiberufliche Online-Redakteurin und vierfache Mutter, konnte sich nach der Rückkehr aus ihrer ersten Elternzeit mit ihrem damaligen Arbeitgeber auf einen sehr flexiblen Arbeitsvertrag einigen. Nach einem Wiedereinstieg mit zehn Wochenstunden im Home Office während der Eingewöhnungszeit des Babys in der Kita steigerte sie ihr Arbeitspensum auf 20 bis 30 Wochenstunden. „Ich durfte also selbst entscheiden, wie viele Stunden ich pro Tag arbeiten möchte – das war wirklich super! Der Vorteil für mich war die Kombination aus nötiger Flexibilität und einem guten, regelmäßigen Einkommen.“

Inzwischen hat sich Karen jedoch für die Selbständigkeit entschieden: „Als Freiberufliche ist der unschlagbare Vorteil meine totale Flexibilität und die Möglichkeit, komplett im Home Office zu arbeiten. Ich kann abends arbeiten, wenn die Kinder schlafen, kann neben einem kranken Kind mit dem Rechner auf dem Schoß auf dem Sofa sitzen, habe kein Ferienbetreuungsproblem, kein schlechtes Gewissen dem Arbeitgeber gegenüber, wenn sich Kinderkrankentage anhäufen, kann ohne Probleme Kita- und Schulaktivitäten der Kinder besuchen oder Kinderarzttermine wahrnehmen. Zur Not kann ich auch einfach mal einen Kunden ablehnen.“ Die Nachteile, wie ein fehlendes festes Einkommen, keine bezahlten Urlaubs- oder Krankentage und die Notwendigkeit, Versicherungen und Altersvorsorge selbst zahlen zu müssen, nimmt sie dafür in Kauf.

Auch für Barbara Feldmann, freiberufliche Redakteurin und zweifache Mutter, überwiegen die Vorzüge der Selbständigkeit: „Ich kann die Arbeit schieben, wenn die Kleinen krank sind. Einen Job auch mal auf die Abendstunden legen, wenn in Kita oder Schule elterliche Unterstützung gefragt ist. Für die Kinder super und auch für mich schön, weil ich dadurch immer nah am Puls der Kids geblieben bin.“ Barbara stößt bei Kollegen und Auftraggebern nahezu ausnahmslos auf Verständnis, auch wenn es mal nicht läuft wie geschmiert. Sie vermutet: „Es ist der überdurchschnittlich hohe Frauenanteil im Kommunikationsumfeld, der unsere Branche so familienfreundlich macht. Wir alle wissen, wovon wir reden, wenn das Wort Mehrfachbelastung fällt.“

Der Wert von Arbeit bemisst sich nicht nach Arbeitszeit

Berufstätige Mütter sind Organisationstalente, sagt man. Jessica Thoms-Adam, Senior Director in 80 Prozent Teilzeitregelung bei Burson Cohn & Wolfe und Mutter einer Tochter, bringt es sehr schön auf den Punkt. Sie beschreibt die vielen Rollen, die sie im Alltag in ihrer Person vereint, so: PR- und Strategieberaterin, Kollegin, Vorgesetzte, Mentorin, Standortleiterin, Ratgeberin und Trusted Advisor für Kunden, Mutter, Freundin, Ehefrau und Elternbeirätin. „An meinem eigenen Weg sehe ich, dass man auch in Teilzeitpositionen sehr erfolgreich sein kann. Damit meine ich nicht nur den Kern unseres Berufs – die Beratung als Dienstleistung –, sondern das Drumherum. Mentor sein, Projekte, Teams und Ressourcen so zu steuern und Engpässe so zu antizipieren, dass ich auch nachmittags zwischen 15 Uhr und 18 Uhr tatsächlich Tochterzeit habe. Zugegeben, das Handy ist immer dabei. Dank der Digitalisierung finde ich es als Teilzeit-Mum sehr einfach, Familie und Beruf parallel zu steuern.“

Auch bei Oseon arbeiten einige Führungskräfte in Teilzeit. Gerade auf einem Job-Level, auf dem es vor allem um Koordinationsaufgaben, Fragen der Qualitätssicherung und strategisches Planen geht statt um eng getaktetes, umsetzungsorientiertes Tagesgeschäft am Kunden mit Pitchen, Calls und Meetings, ist eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung gut umsetzbar. Wenn ich morgens dafür sorge, dass der Laden läuft, muss ich um 17 Uhr nicht mehr selbst am Schreibtisch sitzen. Effizienz, eingespielte Prozesse und Teammitglieder, denen man vertrauen kann, dass sie die Dinge so wie besprochen umsetzen, sind hier der Schlüssel.

Auch Kerstin S.*, Marketingverantwortliche in einem mittelständischen Industrieunternehmen mit 75% Teilzeitregelung und zweifache Mutter, teilt diese Ansicht, sieht aber auch die Schattenseiten: „Man arbeitet effizienter, wenn man weiß, dass man bis 17 Uhr die Kinder abgeholt haben muss. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass Kollegen in Vollzeit auch nicht mehr erledigt bekommen als ich in sechs Stunden. Das ist dann frustrierend zu sehen, dass man zwar in Punkto Leistung eine Vollzeitstelle ausfüllt, aber nur Teilzeit bezahlt wird.“ Auch für die Erreichung von Führungspositionen sieht Kerstin eine Benachteiligung von Teilzeitmitarbeitern: „Die werden de facto nur an Vollzeitkräfte vergeben“, sagt sie.

Wir müssen uns als Gesellschaft die Frage stellen, wie wir Leistung bewerten wollen. Was qualifiziert uns für ein bestimmtes Gehalt? Eine Beförderung? Die Qualität unserer Leistung? Oder die Anzahl der Stunden, die wir im Büro verbringen?

Wir können uns nicht teilen – Arbeitszeit schon: Der Reiz des Job Sharings

Karen Liller sieht eine Teilzeitregelung nicht zwangsläufig als unüberwindbare Hürde auf dem Weg nach oben. Zwar ist in hierarchisch aufgestellten und eher konservativen Unternehmen die Karriereleiter für Teilzeitkräfte womöglich kürzer, sagt sie, aber es geht auch anders: „Ich kenne einige Beispiele aus meinem Netzwerk und hatte selbst viele Kolleginnen, die auch in Teilzeit hervorragende Chefinnen waren oder sogar eine eigene Agentur gegründet haben. Ich denke, dass das besonders gut funktionieren könnte, wenn sich die Arbeitslast auf mehrere Teilzeitschultern verteilt, zum Beispiel indem sich zwei Teilzeitkräfte eine leitende Position als Führungstandem teilen.“

Die Koordination der Arbeitszeit ist tatsächlich die größte Herausforderung, wenn es um die Balance zwischen Job und Elternrolle geht. Kinder werden nun auch mal krank. In der Kita, im Kindergarten oder in der Schule stehen Termine an, an denen Eltern anwesend sein müssen. Es gilt Arzttermine wahrzunehmen und Junior zum Fußball zu fahren. Gleichzeitig rufen Team, Kundentermine oder Dienstreisen.

Die Idee des Job Sharings ist da ein interessanter Gedanke, besonders, wenn sich Eltern Positionen mit Nicht-Eltern teilen, die dann zum Beispiel am Nachmittag zum Einsatz kommen. Auch für Menschen ohne Kinder ist das Teilzeitmodell in bestimmten Lebensphasen attraktiv, etwa weil sie neben dem Beruf noch ein Studium absolvieren möchten, vormittags anderen Verpflichtungen nachkommen oder ganz einfach mehr Zeit für sich haben möchten.

Der größte Kritiker ist das eigene Gewissen

Funktionierende Home Office-Regelungen, die Würdigung von Leistung entsprechend ihrer Qualität statt nach abgesessener Stunden, Zugang zu Führungspositionen, Job Sharing – mit ein paar Kniffen lässt sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einiges tun. Eine Grundbedingung habe ich noch nicht erwähnt: Großzügigkeit. Die Großzügigkeit von Arbeitgebern und Kollegen gegenüber berufstätigen Eltern im Team, auch wenn es mal nicht reibungslos läuft. Vor allem aber mehr Großzügigkeit sich selbst gegenüber.

Ich bin selbst Mama einer neunjährigen Tochter und habe bereits nach sechs Monaten Elternzeit wieder begonnen zu arbeiten, je nach Lebensphase zwischen 80 und 100 Prozent und immer in Führungspositionen. Die geregelten Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst und die Flexibilität meines Mannes sowie die durchgehende Ganztagsbetreuung unserer Tochter mach(t)en das möglich. Mir hat nie jemand Vorhaltungen gemacht, wenn ich zu Hause Feuerwehr spielen musste. Auch zu Hause hat sich niemand beschwert, dass Mami arbeitet (meine Tochter möchte Oseon später mal übernehmen, sagt sie). Aber natürlich quält das schlechte Gewissen, wenn ich auf einer Geschäftsreise bin und höre, dass das Kind zu Hause Fieber bekommen hat. Natürlich habe ich Gewissensbisse, wenn ich Arbeit an Kollegen abgeben muss, weil ich wegen eines kranken Kindes ausfalle. Mein größter Kritiker ist mein eigenes Gewissen. Dabei kommt es im Job wie im Privaten gleichermaßen doch vor allem auf die Qualität dessen an, was wir tun. Und darauf, dass wir bei der Sache sind; den Dingen, die wir gerade tun, unsere volle Aufmerksamkeit schenken. „‚Mama, du sitzt nur am PC‘ – dieser Satz kam. Schon oft. Und jedes Mal, wenn er fiel, war mir klar, dass ich Arbeit und Privatleben wieder sauberer trennen muss“, erzählt Barbara. „Wir müssen uns immer wieder aufs Neue sortieren, damit der Beruf nicht in alle anderen Bereiche unseres Lebens hineinwuchert.“ Das gilt besonders für Selbständige, aber auch für Angestellte, gerade in Teilzeit mit dem schon automatischen Blick aufs Smartphone auch nach Dienstschluss.

Übrigens: Über zwei Drittel der berufstätigen Mütter haben sich 2017 für Teilzeit entschieden. Unter den Vätern waren es gerade mal sechs Prozent. Es sind am Ende nach wie vor meist die Mamas, die springen, wenn die Familie ruft. Ich kenne viele berufstätige Väter. Durchaus auch solche, die Elternzeit nehmen, kranke Kinder betreuen und da sind, wenn die Lütten von A nach B gebracht werden müssen. Vieles, was ich hier beschrieben habe, ist für sie trotzdem kein Thema. So kenne ich keinen berufstätigen Papa in Teilzeit. Auf die Frage, warum das keine Option ist, höre ich oft: „Dann kann ich meine Karriere vergessen!“ Sollten wir mal drüber nachdenken. Und darüber, was Karen noch sagt: „Karriere und Erfolg ist nicht das Gleiche!“ Aber das ist auch schon wieder ein anderes Thema.

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*Name auf Wunsch geändert


Über die Autorin: Manuela Moore ist Co-Geschäftsführerin bei Oseon. Neben der strategischen Beratung und Kampagnenentwicklung für Bestands- und Neukunden gehören auch die internen Bereiche HR und Customer Service zu ihren Aufgabengebieten. Sie erreichen sie per Mail unter manuela@oseon.com.