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Einblick in die Agenturkultur

Foto: © AdobeStock/Photographee.eu_

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Im Laufe meiner Berufsjahre habe ich gelernt, dass Agenturen häufig einen ganz besonderen Ruf haben. Das Klischee-Bild ist vor allem, dass man in einer Agentur für wenig Geld viel und lange arbeiten muss und sowieso der „Knecht“ des Kunden ist. Ich möchte nicht verheimlichen, dass es sie noch gibt, diese Art von Agenturen. Aber das muss nicht sein! Denn mittlerweile hat sich parallel dazu auch eine Agenturlandschaft mit einer Unternehmenskultur entwickelt, die anders ist, quasi familiär. Und dann gibt es noch ein ganzes Spektrum dazwischen. Ich habe beide Seiten – groß und klein – kennengelernt. Der folgende Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und enthält keine empirisch belegten Argumente, sondern entspringt lediglich meinen Erfahrungen. Er soll jungen Leute, die mit dem Gedanken spielen, in die Kommunikation zu gehen, einen Einblick hinter die Agenturkulissen ermöglichen. Denn vor einem Start in die Agenturwelt sollte man sich gut überlegen, worauf man Wert legt und welche Agenturkultur zu einem passt.

Von Familiengefühl bis Machtspielchen

Die Unternehmenskultur in Agenturen kann sehr unterschiedlich ausfallen. Häufig lassen sich die Unterschiede daran festmachen, wie groß die Agentur ist und ob sie zum Beispiel Teil einer Netzwerkagentur ist.

In Bezug auf die zwischenmenschlichen Beziehungen bieten gerade kleine und mittlere Agenturen in der Regel eine eher familiäre Atmosphäre: Morgens werden alle begrüßt und man bespricht bei einem ersten Kaffee, wie das Wochenende war. Mittags isst man in der Regel gemeinsam und ab und zu bleibt man abends auch noch für ein gemeinsames Feierabendbierchen. Was auf den ersten Blick wie ein Traumarbeitsalltag klingt, kann allerdings auch Kehrseiten haben. Nimmt man beispielsweise nicht am gemeinsamen Mittagessen teil, wird dies so empfunden, als würde man sich aktiv gegen die KollegInnen ausgrenzen wollen. Und auch die „Verweigerung“ eines Drinks nach Feierabend wird dann gerne mal persönlich genommen. Hier gilt es also, die richtige Balance zu wahren und es nicht als persönlichen Affront aufzufassen, wenn die Kollegin oder der Kollege nach Feierabend lieber nach Hause möchte, als noch etwas gemeinsam zu unternehmen.

Bei größeren Agenturen wird sozialer Rückzug auch häufig negativ aufgenommen. Meist gilt dort: We are one big happy family. Allerdings habe ich es hier auch erlebt, dass es ab und zu zu Ellenbogen-Gehabe unter den KollegInnen kommt. Die eigene Karriere und die eigenen Erfolge stehen mehr im Vordergrund. Die MitarbeiterInnen achten mehr darauf, was die anderen leisten – oder auch nicht leisten. Wenn der Kollege oder die Kollegin den neuen Riesen-Etat bekommt, obwohl man (der eigenen Meinung nach) viel besser geeignet wäre, kann das schon mal zu schlechter Stimmung untereinander führen. Das wirkt sich natürlich auf das Miteinander aus. Das soll nicht heißen, dass es nicht auch nette KollegInnen gibt – häufig halten die jeweilig kleineren Kompetenz- oder Kundenteams eng zusammen, gehen gemeinsam Mittagessen oder abends aus.

Im Gegenzug zu den beschriebenen Machtspielchen, die ich bisher eher in großen Agentur erlebt habe, sind die Teamdynamiken in kleinen Teams wiederum sehr sensibel. Stimmungen – sowohl negativ als auch positiv – verstärken sich schneller. Bei Missstimmung kann man sich nicht wirklich gut aus dem Weg gehen, da das Team so klein ist. In großen Agenturen verläuft sich das eher.

Ohne Facetime keine Beförderung?

Auch die „erwartete Anwesenheit“ variiert sehr stark, je nach Agentur. Bei einigen ist es ganz normal, dass man um 8 Uhr morgens kommt und nicht vor 21 Uhr geht und teilweise sogar auch am Wochenende arbeiten muss. Dies liegt allerdings nicht nur am Arbeitsaufkommen, sondern ist häufig auch dem sozialen Druck geschuldet, der in diesen Agenturen herrscht. Denn wer nach acht kommt und auch noch früh geht – der muss gar nicht erst mit einer Beförderung rechnen. Dieser Druck wird entweder von den unmittelbaren KollegInnen vermittelt oder kommt, wenn man in einer Netzwerkagentur arbeitet, von der internationalen Mutteragentur. Dieses Phänomen würde ich nicht zwingend nur von der Agenturgröße abhängig machen, kommt aber meiner Erfahrung nach dennoch eher in größeren und Netzwerkagenturen vor.

Das heißt nicht, dass man in kleinen Agenturen keine Leistung bringen muss und ohne einen Blick auf seine Karriere vor sich hindümpelt. Aber der Druck von oben und der Neid der KollegInnen hält sich in der Regel in Grenzen. Ich jedenfalls bin froh, in einer Agentur zu arbeiten, die neben der Arbeit auch noch genug Raum für mein Privatleben lässt (und einen trotzdem bei guter Leistung befördert).


Über die Autorin:
Julia della Peruta ist Campaign Director bei Oseon und verantwortet dort die Rundumbetreuung von Kunden aus den Bereichen E-Commerce, Adtech und Fintech.