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Drei Irrtümer aus 2020.

Foto: © AdobeStock/fotogestoeber

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Die Pandemie jährt sich dieser Tage zum ersten Mal, zumindest der Zeitpunkt, zu dem mir die Krise wirklich als Krise vorkam. Es gibt drei Zitate, die ich in den vergangenen Monaten oft gehört oder auch gesagt habe, die ich aktuell für Irrtümer halte.

„Arbeitnehmer halten jetzt die Füße still“. Das dachte ich tatsächlich im März oder April. Kurzarbeit in Agenturen, die Wende vom Arbeitnehmer- zum Arbeitgebermarkt war ausgerufen. Jeder könne also froh sein, in einem sicheren Arbeitsverhältnis zu sein.

Die Talente in meinen Netzwerken dachten aber anders, sie haben ihre Prioritäten neu gesetzt. Tatsächlich haben im Jahr 2020 so viele junge Talente ihre Arbeitgeber gewechselt, wie in keinem Jahr zuvor, seit ich den Branchennachwuchs aktiv begleite. Die Corona-Krise hat viele Talente auf sich selbst zurück geworfen und ins Grübeln gebracht – und zum Wechsel verführt. Auch weil New-Work- und Kulturversprechen angesichts der Krise vielfach in Luft aufgelöst haben, und trotz Remote-Onboarding und dem persönlichen Risiko, das immer mit einem Wechsel verbunden ist. Sinn geht vor Sicherheit, so das Motto.

Auf der anderen Seite haben viele Dienstleister unterschätzt, wie schnell der Motor wieder anlaufen würde. Vor allem die letzten vier Monate 2020 hatten es offenbar in sich – und es rächte sich für Arbeitgeber, früh Leute entlassen zu haben und die Pipeline für neues Personal austrocknen zu lassen.

„Agenturen machen ihre Büros Corona-fit“. Gut, das war naiv. Ich hatte vermutet, dass Agenturen ein Interesse haben, ihre Teams schnell wieder an Bord zu bekommen. Corona hin oder her.

Selbst in der Agenturbranche ist/war Remote Work kaum so selbstverständlich und akzeptiert, wie man glauben hätte können. Der Agentur-Lifestyle, der viele in diese Branche zieht, hängt davon, dass sich Leute live begegnen. Arbeitgeber punkten mit schicken Büros. Doch: Wer früher fünf Tage im Büro in der Stadt hocken musste, um am Wochenende zwei Tage auf dem Land zu entspannen zu dürfen, plant heute genau umgekehrt. Agenturen denken mittlerweile ihre Flächen neu und investieren statt in Luftfilteranlagen an ganz anderer Stelle: Von Green Screens und professioneller Kameratechnik ist da mittlerweile die Rede. Ein Agenturchef fasst das neulich schön zusammen: „Wir werden es nicht mehr zulassen, dass uns ein Wettbewerber im Pitch aussticht, nur weil sein Team in der Präsentation besser ausgeleuchtet ist.“

„Viele Agenturen werden 2020 pleite gehen“. Dieser Kommentar kam häufig, und ich höre ihn noch oft. Vor allem viele Werbeagenturen hat das Jahr 2020 schwer getroffen, von der Eventbranche kaum zu reden. Unsere klassische PR-Branche scheint aber mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein. Oder sogar mit einem lachenden.

Stand heute, ohne zu wissen, wie hart uns eine mögliche Wirtschaftskrise noch treffen wird, gehen viele Agenturen doch mit verhaltener Zuversicht ins Jahr 2021: „Man darf es gar nicht laut aussprechen“, hieß es bisweilen, „aber wir sind 2020 sogar leicht gewachsen.“ Kommunikation ist im Aufwind, vor allem der Stellenwert von digitaler und interner Kommunikation wuchs und wächst. Und Unternehmen suchen Rat. Denn, wenn die Unsicherheit am größten ist, haben Berater Hochkonjunktur.


nico-kunkel_150x150pxÜber den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30. Er ist Herausgeber des PR Career Center, das PR-Studierende unterstützt und vernetzt. Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.