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Die Vermessung der Social-Media-Welt

Daten KPI Auswertung Data Stockfoto Monitor
Foto: © AdobeStock / cherdchai
Daten KPI Auswertung Data Stockfoto Monitor
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Die Digitalisierung bringt nicht nur zu mehr Daten in der Kommunikation mit sich, sondern auch mehr Kennzahlen – vor allem für Social Media. Jede Plattform hat ihre eigenen Metriken, jedes Tool eigene Kennzahlen und Berechnungsverfahren. Oliver Plauschinat, Head Of Business Development beim Berliner Medienbeobachter Landau Media, bringt Licht in den Daten-Dschungel des Social Web und verrät, welche Fehler es zu vermeiden gilt.

Fehler 1: Fehlender Zielbezug bei der Verwendung von Key Performance Indikatoren (KPIs) ist ein häufiger Anwendungsfehler, besonders in Sachen Social Media. Es ist wichtig, den Unterschied zwischen KPIs und allgemeinen Kennzahlen zu verstehen. Social-Media-Kennzahlen können grundsätzlich als KPIs dienen, wenn sie mit konkreten Zielen verknüpft werden. Zum Beispiel kann die Reichweite ein geeigneter KPI sein, um das Ziel der Steigerung der Unternehmensbekanntheit zu messen. Für das Ziel eines verbesserten Kundenservice können KPIs die Anzahl der beantworteten Serviceanfragen oder die Reaktionszeit auf Anfragen sein. Jeder KPI sollte eine Bewertung des Erfüllungsgrads eines Kommunikations- oder Maßnahmenziels ermöglichen, und ohne Zielbezug ist dies nicht möglich.

Fehler 2: Ein häufiger Fehler besteht darin, sich bei der Nutzung von Kennzahlen ausschließlich auf die Erfolgsmessung am Ende einer Kampagne oder Maßnahme zu konzentrieren, anstatt auf die Planung, Optimierung und Steuerung. Besonders im Bereich Social Media helfen Kennzahlen, die Kommunikation und Inhalte kontinuierlich zu planen und zu optimieren.

Die Auswahl der Tools zur Erfassung von Kennzahlen ist vielfältig und kann in drei Anwendungsfelder unterteilt werden: Social Media Monitoring/Listening, Social Media Analytics und Web Analytics.

Fehler 3: Die Auswahl und Anwendung von Tools sind bereits komplex, und in der Praxis wird oft nicht hinterfragt, wie die Datenbasis dieser Tools zusammengesetzt ist oder wie Kennzahlen berechnet werden. Dies ist der dritte häufige Anwendungsfehler, der zu Verzerrungen führen kann.

Bei der Zuordnung von Kennzahlen für Social-Media-Kanäle bietet sich eine Funnel-Logik an, die zwischen aufmerksamkeits-, interaktions- und abschlussgetriebenen Kennzahlen unterscheidet.

Output-Kennzahlen

Output-Kennzahlen sind entscheidend, um den Erfolg von Social-Media-Aktivitäten zu bewerten. Neben der Postanzahl sollten auch inhaltliche Metriken berücksichtigt werden, wie Beitragsformate (Bilder, Videos, Reels, Stories, Carousel), automatisch erfasste Hashtags und thematische Zuordnungen. Eine detaillierte Erfassung nach Themen, Formaten, Postlänge und Veröffentlichungszeitpunkt ermöglicht eine laufende Optimierung der Kommunikation. Tracking Codes, z.B. mit dem URL-Builder von Google, helfen bei der Messung von Conversions. Während Output-Kennzahlen die Häufigkeit und Art der Kommunikation zeigen, ermöglichen Reichweiten-, Interaktions- und Conversion-Kennzahlen eine umfassende Bewertung des Erfolgs und Impacts.

Aufmerksamkeitsorientierte Kennzahlen

Die kennzahlenbasierte Aufmerksamkeit gibt Aufschluss darüber, welche und wie viele Nutzer:innen mit Ihrem Content möglicherweise interagiert haben. Diese Daten sind auf Profil- und Beitragsebene verfügbar. Grundsätzlich lassen sich diese Kennzahlen in Follower, Reichweite und Impressions unterteilen.

  1. Follower / Abonnent:innen: Die Zuweisung erfolgt je nach Plattform und Profil anhand sozio-demografischer und geografischer Kriterien wie Alter, Geschlecht, Unternehmensposition, Branche und Land. Dies ermöglicht detaillierte Kennzahlen wie Reichweite nach Altersgruppen, Geschlecht oder Ländern. Neben der Follower-Anzahl ist besonders das Wachstum entscheidend für die Erfolgsmessung. Reichweiten- und Impressions-Kennzahlen werden auf Beitragsebene erfasst, wobei der Unterschied in der Zählweise liegt.
  2. Reichweite: Die Zahl gibt an, wie viele Einzelpersonen einen Beitrag im Newsfeed betrachtet haben, wobei jede Person nur einmal gezählt wird.
  3. Impressions: Die Impressions-Zahl zeigt an, wie oft ein Beitrag im Newsfeed erscheint, wobei Mehrfachansichten von einer Person als separate Kontakte gezählt werden. Dies führt dazu, dass die Impressions in der Regel höher sind als die Reichweite. Praktisch werden anhand von Reichweiten- und Impressionsdaten weitere Kennzahlen gebildet, z.B. der Anteil von Followern und Nicht-Followern an der Reichweite, was auf häufiges Teilen hinweisen kann. Reichweiten werden oft in Bezug zu Kosten und Klickzahlen gesetzt, was zu Kennzahlen wie dem Tausender-Kontaktpreis (Cost-per-Mille) und der Click-Through Rate (CTR) führt. Es gibt zahlreiche reichweiten- und impressionsbasierte Kennzahlen, jedoch ist zu beachten, dass jede Social-Media-Plattform diese Daten unterschiedlich erfasst und es keine Benchmark-Daten gibt, da es sich um private Informationen der Account-Inhaber handelt.

Interaktionsorientierte Kennzahlen

Interaktionskennzahlen zeigen die Relevanz des Contents für die Nutzer:innen. Plattformen bieten verschiedene Reaktionsmöglichkeiten wie Likes, Dislikes, Liebe, Unterstützung, Applaus, Teilen und Kommentieren. Die Gesamtinteraktion eines Beitrags ergibt sich aus Likes, Favoriten, Reaktionen, Kommentaren, Shares, Views, Retweets und gegebenenfalls Klicks. Zur Vergleichbarkeit werden Interaktionswerte mit Kennzahlen wie Follower, Reichweite oder Posts ins Verhältnis gesetzt, um verschiedene Interaktionsraten, auch Engagement-Raten genannt, zu berechnen.

  1. Interaktionsrate: Die Interaktionsrate nach Posts wird durch die Division der Gesamtzahl aller Post-Interaktionen durch die Anzahl der Follower des Profils bestimmt, multipliziert mit 100. Eine Interaktionsrate von 2 Prozent bedeutet, dass 2 Prozent der Follower auf einen bestimmten Beitrag reagiert haben. Obwohl diese Methode als sicher gilt, berücksichtigt sie nicht die virale Reichweite. Deshalb werden auch Interaktionsraten nach Impressions oder Reichweiten berechnet, indem die Gesamt-Interaktionen durch die Reichweite des Posts geteilt und mit 100 multipliziert werden.
  2. Amplifikationsrate: Zusätzliche Interaktionskennzahlen ergeben sich durch die Betrachtung einer spezifischen Interaktionsart. Die Amplifikationsrate ist ein Beispiel, die das Verhältnis von geteilten Beiträgen pro Post zur Gesamtzahl der Follower darstellt. Hierbei wird die Anzahl der geteilten Beiträge durch die Gesamtzahl der Follower geteilt und mit 100 multipliziert, um die Amplifikationsrate in Prozent zu erhalten. Eine höhere Rate deutet darauf hin, dass die Follower maßgeblich zur Steigerung der Reichweite eines Beitrags beitragen.
  3. Gewichtung: Die Ermittlung der Interaktionsrate wird nicht allein durch die jeweilige Bezugsmetrik beeinflusst, sondern auch durch die Gewichtung der einzelnen Interaktionen. Zum Beispiel kann einem Kommentar eine höhere Gewichtung zugeordnet werden im Vergleich zu einem einfachen „Like“. Zahlreiche Analytics-Tools ermöglichen daher die Anpassung individueller Berechnungsmethoden für die Interaktionsrate.

Auch die Algorithmen der Plattformen beeinflussen Interaktionsraten. Interaktionskennzahlen geben einen Hinweis, ob die Nutzer:innen Beiträge wahrnehmen und ob diese relevant für sie sind. Tipp: Anders als Reichweiten- oder Impressions-Metriken sind die meisten Interaktionskennzahlen öffentlich, sodass Benchmark-Daten von ähnlichen Accounts oder Wettbewerber:innen helfen können, die eigenen Interaktionswerte zu bewerten.

Abschlussorientierte Kennzahlen

Durch die Verwendung von Kennzahlen, die auf Abschluss und Handlungen basieren, können Sie evaluieren, ob und in welchem Maße Ihr Content erfolgreich konvertiert.

  1. Conversion Rate: Je nach Ziel gibt es verschiedene Arten von Conversions wie Website-Traffic, Online-Verkäufe, Newsletter-Anmeldungen, Downloads und das Ausfüllen von Kontaktformularen. Diese werden mit anderen Kennzahlen wie Reichweite und Interaktion in Bezug gesetzt, um eine Conversion Rate zu ermitteln. Diese Rate zeigt den prozentualen Anteil der Nutzer:innen, die die gewünschte Aktion durchgeführt haben. Um Social-Media-Conversions systematisch zu erfassen, sind Tracking Codes unerlässlich, um das Verhalten der Nutzer, die über Social Media auf Ihre Website gelangen, zu verfolgen.
  2. Click-Through Rate: Ohne entsprechende Codes können Sie nur Click-Through Rates (CTR) für aktionsorientierte Messgrößen verfolgen, insbesondere für Beiträge mit Links. Hierbei wird die Anzahl der Link-Klicks durch die Anzahl der Impressionen geteilt. Ebenso ist die Messung von kosteninduzierten Kennzahlen wie dem Cost per Lead (CPL) nur durch Tracking-Codes möglich.

Shared Media: Quantitative Kennzahlen

Das Überwachen und Bewerten von Inhalten in sozialen Medien ist entscheidend, um zu erfahren, was andere über ein Unternehmen sagen. Der Fokus liegt auf Planung und Optimierung durch breites Zuhören für die Identifizierung neuer Themen und Influencer.

Beim Social-Media-Monitoring werden quantitative und qualitative Daten gesammelt, wie z.B. Erwähnungen und potenzielle Reichweiten. Wichtig ist, dass Monitoring-Tools Interaktionen mehrfach überprüfen, um ein vollständiges Bild zu erhalten.

Quantitative Kennzahlen zeigen die Aufmerksamkeit in sozialen Medien, oft in Relation zu Wettbewerbern durch den (Social) Share of Voice. Der umstrittene Anzeigenäquivalenzwert wird noch häufig verwendet.

Web-Analyse-Tools zeigen den Anteil der über soziale Medien akquirierten Webseiten-Besucher:innen.

Shared Media: Qualitative Kennzahlen

Häufige Erwähnungen oder ein hoher Share of Voice können auf kritische Themen hinweisen. Daher ist es wichtig, quantitative Kennzahlen nicht isoliert zu betrachten, sondern durch qualitative Kennzahlen zu ergänzen.

Die Bestimmung des Sentiments ermöglicht die Einschätzung, wie positiv oder negativ Nutzer:innen über ein Unternehmen sprechen. Dabei wird die Tonalität auf einer Dreier-Skala (positiv, neutral, negativ) automatisch ermittelt, wobei die Qualität variiert und sprachabhängig ist.

Bei größeren Datenmengen spielt der durch fehlerhafte Tonalitätsvergabe entstehende Bias eine geringere Rolle. Bei geringen Erwähnungszahlen hat eine manuelle Nachbearbeitung der Tonalität einen größeren Einfluss auf den Sentimentwert.

Viele Tools vergleichen lediglich positive und negative Erwähnungen oder berechnen den Sentimentwert aus dem Mittel aller Tonalitätsbewertungen, einschließlich neutraler. Da neutrale Bewertungen oft über 50 Prozent liegen, neigt der Mittelwert dazu, gegen null zu tendieren, was die Interpretation erschwert.

Zusätzlich zum Sentiment können weitere inhaltliche Kriterien wie Themendurchdringung und Produktbekanntheit erfasst werden, abhängig vom Ziel der Kommunikation. Inhaltliche Daten erfordern oft manuelle Codierung, da sie nicht automatisch erfasst werden können. Tools können inhaltliche Schwerpunkte von Social-Media-Beiträgen derzeit oft nur anhand von Hashtags, Wort- oder Emoji-Clouds erkennen.


Der Beitrag erschien zuerst im PR Report 6/2022.