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Die Digitalisierung der PR im internationalen Umfeld

Foto: Andres Wittermann, LEWIS PR

Die „Alten Hasen“ erinnern sich noch an die Geburt des Internets. Die ersten Mail-Versuche, die ersten Homepages großer Unternehmen, Chat-Foren auf AOL – allen war klar, dass sich hier etwas Wichtiges ereignete. Dass vieles nicht mehr so sein würde wie bisher. Aber wie fundamental sich die Medien- und damit die PR-Industrie ändern würden, haben wohl doch nicht alle geahnt.

Interessanterweise fiel die Geburt des öffentlichen Internets mit dem Fall des Eisernen Vorhangs zusammen – und damit mit der beschleunigten Globalisierung unserer Wirtschaft. Diese Kombination führte schließlich dazu, dass heute praktisch jedes Unternehmen weltweit kommuniziert – oder von Dritten über das Unternehmen kommuniziert wird.

Mit der Entstehung der zahllosen sozialen Netzwerke rund um den Erdball brachen dann auch noch die letzten Bastionen der klassischen Massenkommunikation: Jeder Nutzer wurde selbst zum Anbieter von Content, textbasiert oder visuell.

Für Unternehmen, die sich mit ihrer Kommunikation an ihre Kunden oder an potenzielle Neukunden wenden, ergeben sich hieraus zwei grundlegende Herausforderungen:

1) Sie müssen jederzeit über wesentliche News oder auch Kommentare im Web oder anderen Medien informiert sein. Umfassendes Monitoring und Alerts zu Inhalten in allen weltweiten Netzen (klassischen Medien UND Social Networks) gehören heute zum Grundwerkzeug internationaler Unternehmenskommunikation.

2) Sie müssen selber zu Medien werden. Wenn mittlerweile schon 12-Jährige zu Meinungsführern zu Themen wie Mobiltelefonie oder auch Gaming werden, ergibt sich daraus, dass jedes Unternehmen versuchen muss, seine Themen effektiv und schnell an die relevanten Zielgruppen zu kommunizieren. Schlagworte hierbei sind Markenjournalismus und Content Marketing.

Aus diesen Herausforderungen ergeben sich für die tägliche Arbeit in der internationalen, digitalen PR zwei wichtige Konsequenzen:

Erstens muss ein Unternehmen in der Lage sein, Real-Time-Kommunikation und Real-Time-Marketing aufzubauen und zu betreiben. Für viele Marketing-Abteilungen bedeutet das einen grundlegenden Wandel in ihrer Arbeit. Langfristige strategische Pläne können jederzeit durch aktuelle Entwicklungen ins Wanken geraten – oder dienen zumindest nur mehr der allgemeinen Orientierung. Der Fokus liegt aber auf der positiven Nutzung von guten und der defensiven Abwehr von schlechten Meldungen im Tagesgeschäft.

Aus diesen Punkten ergibt sich eine wichtige Lektion: Die vollständige Kontrolle einer Markenbotschaft oder auch die Deutungshoheit zu bestimmten Themen ist praktisch nicht mehr möglich. Als Grundregel gilt: „No presence of the positive without the absence of the negative.“ Ein gutes Beispiel hierfür ist der Weihnachts-Spot der britischen Retail-Kette Sainsbury’s („Christmas Truce 1914“), der umgehend kritische Stimmen in der Öffentlichkeit hervorrief – obwohl er insgesamt und gemessen an den erzielten Ergebnissen als beeindruckender Erfolg einer Brand-Storytelling-Kampagne gesehen werden kann.

Womit wir auch schon – zweite Konsequenz der geschilderten Herausforderungen – beim Thema Storytelling wären. Wenn ein Unternehmen zum Medienunternehmen wird („Every company is a media company“), muss es sich Gedanken zur Unternehmensstory machen. Also eine „Brand Narrative“ erstellen. Diese sollte sich eng an den Interessen und Bedürfnissen der Zielgruppe/n orientieren. Gute Beispiele hierfür sind die Coca Cola Journey als neue Form einer Unternehmenswebseite – oder auch AWOL, die neue Kundenwebsite der australischen Fluggesellschaft Quantas. Somit steht an jedem Anfang einer Kampagne im Content Marketing oder Markenjournalismus der Fokus auf klare Botschaften für die jeweiligen Kernzielgruppen.

Abschließend noch ein Wort zum Thema „Die Deutschen und ihre Einstellung zu sozialen Netzwerken“.

Letztlich geht es bei jeder Ansprache von Zielgruppen auf sozialen Netzwerken um Social Activation – also die Interaktion mit den Lesern. Natürlich gehören zur Interaktion zwei Parteien. Und hier hakt es immer noch mit den Deutschen: Laut der aktuell vorliegenden TNS Digital Life Marktstudie, verstehen sich in Deutschland nur 14 Prozent der Internetnutzer als Communicators und Influencers. Also als aktive Nutzer, die gerne ihre eigene Meinung äußern und sich aktiv am Diskurs auf verschiedenen Plattformen beteiligen. Umgekehrt bezeichnen sich 40 Prozent aller deutschen Nutzer als Functionals – die das Internet eher passiv nutzen, um Nachrichten, Wetter und so weiter zu konsumieren und online zu shoppen.

Der internationale Vergleich zeigt hier ein umgekehrt proportionales Bild: Hier sind 38 Prozent in den Kategorien Communicator und Influencer zu finden und 17 Prozent bei den Functionals.

Im internationalen Umfeld ist es daher von größter Bedeutung, die heimischen Deutungsmuster und Verhaltensweisen hinter sich zu lassen – und sich auf das große Abenteuer der modernen Kommunikation einzulassen. Die aktuellen und zukünftigen Kunden, gerade in den fremden Ländern, werden es zu schätzen wissen.

Über den Autor:
Andres Wittermann, LEWIS PRAndres Wittermann begann seine Laufbahn als Journalist und wechselte 1990 auf die PR-Seite. 1997 stieß er dann zu LEWIS und gründete mit dem Münchner Büro die erste internationale Repräsentanz von LEWIS. Nach sechs erfolgreichen Jahren als deutscher Geschäftsführer koordiniert er heute als Executive Vice President alle Aktivitäten im EMEA-Raum. Er ist nach wie vor in globalen Schlüsselkampagnen als Senior-Berater involviert.