Mit welcher Social-Media-Strategie erlangt man Reichweite, Zielgruppe und Viralität gleichermaßen und kann dadurch Menschen und Marken am effektivsten stärken? Ein sportliches Gespräch über gelungene Facebook-Konzepte und die Macht von Social Media in der Sport-PR, geführt von Jasmin Kreulitsch, freie Autorin für medienrot, und Daniel Winkler, Autor, Texter, Kommunikationsmanager, PR-Berater und Experte für Sport, Sportler und Sportverbände.
Jasmin Kreulitsch: Herr Winkler, wir sprechen jetzt über Sport und Sport-PR. Sind Sie aufgeregt?
Daniel Winkler: Sehr. Es ist selten, dass ich die Interview-Fragen gestellt bekomme. Meistens ist es umgekehrt.
Wo setzt man an, wenn man eine Fanseite für einen Profisportler oder Sportverband anlegen will? Was sind die wesentlichen ersten Schritte, was sollte man vermeiden?
Daniel Winkler: Sport ist Emotion – dort beginnt alles. Und es geht darum, diese Emotion zu kommunizieren. Das ist mein Job: die Leute zum Reden zu bringen und mir zu erklären, was ihr innerer Antrieb für ihr Tun ist. Ich bin so eine Art Übersetzer für Gefühle – die transportieren wir dann gemeinsam in Wort und Bild.
Strategie oder Spielwiese: Wie viel Hirn steckt in Ihren Social-Media-Auftritten – und wie viel Bauchgefühl?
Daniel Winkler: Das Ideal wäre natürlich 50:50. Ein Übermaß an Hirn oder Bauch bringt das Ding zum Trudeln. Entweder werden die Botschaften durchschaubar, zu beabsichtigt, zu manipulativ im negativen Sinn oder im anderen Fall eben zu übertrieben, zu laut, zu ungeschickt.
Eine der Facebook-Fanseiten, die Sie betreuen, hat 211.500 Fans. Wie behält man da den Überblick?
Daniel Winkler: So etwas gelingt nur im Team, einer allein wäre hier mittlerweile wohl heillos überfordert. Und es braucht einen Protagonisten, der diese Art der Kommunikation liebt, wirklich etwas von sich hergeben will und bereit ist, täglich selber Content zu liefern. Ich hatte in diesem Fall das Glück, von Anfang an dabei zu sein – wir sind tatsächlich mit einem neuen Sportler-Profil bei 0 „Gefällt mir“-Angaben gestartet. Das war im September 2011. Seit Februar 2013 hat dieser Ausnahme-Skifahrer auch noch zu twittern begonnen und damit sofort Erfolg gehabt.
Wenn man wie Sie mehr als eine Fanseite betreut: Gibt es einen Trick oder vielleicht auch Tools, um Überblick zu behalten?
Daniel Winkler: Es ist von großem Vorteil, wenn man redaktionelle Abläufe kennt. Ich durfte das Zeitungmachen noch zu einer Zeit lernen, als wir unsere Artikel mit Schreibmaschinen auf Zeilenpapier zu 30 Anschlägen getippt haben und das Layout beknien mussten, das Doppel-M etwas enger zu setzten, damit der Titel reinpasst. Diese Abläufe vom Ereignis zur Meldung, von der Idee zur Aufmacher-Geschichte haben sich technisch zwar extrem vereinfacht und beschleunigt, sind aber im Prinzip immer gleich geblieben.
Fotos, Umfragen, Aktionen: Wie viel Interaktion muss man den Fans bieten?
Daniel Winkler: Das hängt ganz vom Protagonisten, seinem öffentlichen Standing und seinen Zielen ab. Aber einen Merksatz durfte ich bislang lernen: Weniger ist mehr!
Privatmensch vs. Profisportler: Wie viel Persönliches muss auf einer Fanseite durchschimmern?
Daniel Winkler: Ich behaupte: Sportler setzen alles ein, was sie haben. Sonst können sie nicht erfolgreich sein. Sport ist eine Möglichkeit, seine persönlichen Grenzen zu überschreiten. Das spürt der Zuschauer, der Fan, der Follower. Und der Social-Media-Rezipient hat ein ganz feines Sensorium für Unstimmigkeiten in der Botschaft.
Wie schafft man es, als Social-Media-Macher hinter einem Menschen oder einer Marke als solcher unerkannt zu bleiben?
Daniel Winkler: Ein hohes Maß an Identifikation mit den Menschen, für die ich arbeite, ist unabdingbar. Es muss passen, ich muss die Leute verstehen und ihre Emotionen begreifen, dann funktioniert es, unsichtbar zu bleiben. Deshalb verwende ich für mich selber so gerne die Bezeichnung Ghostwriter. Wenn diese Verbindung nicht passt, muss ich bei einem potenziellen Auftraggeber ohnehin passen.
Wie zeitnah, gerade im Hinblick auf Ergebnisse, muss man auf Facebook agieren?
Daniel Winkler: Das Timing ist so grundlegend wichtig wie beim Tennis. Falsches Timing und der Ball ist im Out. Und jetzt verrate ich ein Betriebsgeheimnis: Social-Media funktioniert ja nur in einem gelungenen Media-Mix. Nur ein Facebook-Posting allein ist zu wenig.
In welchem Rhythmus sind Postings sinnvoll: Gibt es ein System oder entscheidet der Anlass, z.B. Wettbewerbsresultate?
Daniel Winkler: Wie gesagt, ein guter alter Redaktionsplan ist echt hilfreich. Der Rest ergibt sich. Resultate an sich sind ja wenig sexy – selbst ein Sieg hat ohne ein emotionalisierendes Foto kaum Wirkung. Auch wenn ich mich wiederhole: Es geht im Sport eben nicht nur ums Resultat, sondern um die Emotion.
Gibt es eine Strategie, mit der man neue Fans generiert?
Daniel Winkler: Die erfolgreichste Strategie heißt Begeisterung. Wenn ich die teile, wird sie automatisch mehr.
Was halten Sie von Facebook-Tools, mit denen man Fans kaufen kann?
Daniel Winkler: Nichts.
Kann man eine professionelle Social-Media-Strategie fahren, ohne Geld in die Hand zu nehmen?
Daniel Winkler: Nein.
Welches Budget sollte man einkalkulieren?
Daniel Winkler: Also ich bin mittlerweile verdammt teuer … Im Ernst: Tatsächlich gibt es meine/unsere – ich arbeite lieber im Team – klugen Media-Mix-Pakete für die kleine und die große Brieftasche.
Der Beitrag, der am meisten Viralität erzielt hat, drehte sich um …
Daniel Winkler: Ein simples Smiley-Symbol – :)))))))) – nach einem sehr bewegenden Sportmoment, in dem Fall ein Favoriten-Sieg, den alle erwartet hatten. Den Subtext zum Foto und dem Posting haben alle verstanden: „Gott, bin ich erleichtert, es war nämlich in Wahrheit sauschwer, ich wäre ein paar Mal fast draußen gelegen und ihr hättet mir dann wohl den Kopf abgerissen…“
Ihre Erkenntnis daraus?
Daniel Winkler: Sport bewegt die Menschen im Wortsinn – und das liebe ich!
Welche Art von Beiträgen bringen die meisten Kommentare von Fans?
Daniel Winkler: Es sind die einfachen Dinge im Leben, die uns alle bewegen: „Wie geht es euch, was macht ihr, wie ist das Wetter…?“ Ein simples „Danke“ bringt die Menschen dazu, unglaublich schöne Sätze zu formulieren.
Abseits von Facebook: Welche Relevanz hat Twitter für die PR-Arbeit mit und über Sportler?
Daniel Winkler: Im Radsport ist Twitter das Nummer-1-Medium im Social-Media-Bereich. Der von mir betreute Sportler hat dort mehr 33.000 Follower bei bislang nur 113 Tweets. Auf Facebook hat er 6.400 „Gefällt mir“-Angaben. Im Prinzip ist aber am kleinen österreichischen Markt Facebook ganz klar der Nummer-1-Kommunikationskanal mit mehr als 4,9 Millionen Profilen im Vergleich zu zirka 60.000 Twitter-Profilen – soweit ich die aktuellen Zahlen richtig im Kopf habe.
Herr Winkler, vielen Dank für das Gespräch. Es war mir eine Freude. Und jetzt gehen wir zum Sport.
Daniel Winkler: Dafür bekommen Sie von mir ein „Folgen“ und ein „Gefällt mir“!
Über die Autoren:
Daniel Winkler ist Autor, Texter, Kommunikationsmanager und PR-Berater. Er betreut u.a. die Social-Media-Auftritte von einem Gesamtweltcupsieger und Weltmeister im alpinen Skisport, einem Rad-Profi, der neun Mal bei der Tour de France dabei war und mit seinem Team 2012 dort gewann, verschiedenen österreichischen Sportverbänden und einigen Olympia-Teilnehmern. Die größte Fangruppe, die er auf Facebook mitbetreut, hat unglaubliche 211.500 Fans. Mehr Infos und Kontakt unter http://about.me/WinklerDaniel/
Jasmin Kreulitsch ist gelernte Blattmacherin und seit 2008 freiberufliche Autorin für Print, Online, TV und PR. Als Chefredakteurin verantwortete sie zudem mehrere Zeitschriften. Auf Facebook betreut sie fünf Fanseiten – und natürlich ihr privates Profil, auf das sie nicht mehr verzichten könnte.