Mein Sohn hat ja vor einigen Wochen an dieser Stelle bereits über seinen Versuch geschrieben, „Digital Detox“ zu betreiben. In einer später folgenden Kolumne wird er noch einmal selbst von diesem Erlebnis berichten. Nur soviel: Es war nicht hunderprozentig erfolgreich.
Nun kann man ja schnell denken, dass die Abhängigkeit von der ständigen Online-Verbindung per Smartphone oder Tablet ein Problem der jüngeren Generation ist. Die „Digital Immigrants“, also die Generationen, die nicht mit der digitalen Technik und den sozialen Netzwerken aufgewachsen sind, fühlen sich oft darüber erhaben.
Mein Eindruck der letzten Wochen sagt da etwas ganz anderes. Wie kommt es zu diesem subjektiven Fazit? Ganz einfach: Meditation und Angeln. Zunächst war ich auf einem Zen-Seminar. Die Teilnahme an diesem Seminar habe ich in den sozialen Netzwerken veröffentlicht, da ich solche Seminare nur empfehlen kann. Auf den darauffolgenden Veranstaltungen war dann meine Teilnahme durch diese Veröffentlichung und auch durch meine begeisterten Erzählungen vor Ort oft Thema.
Die am häufigsten gestellte Frage war: „Mussten Sie dort Ihr Handy abgeben?“. Die Trennung von der digitalen Nabelschnur scheint zu einer der Grundängste unserer digitalen Gesellschaft geworden zu sein. Ok, ein bisschen runterkommen und etwas Klarheit im Geist wären ja ganz schön, aber ohne Handy? Nein, das könnte ich nicht. Wo führt das hin? Selfies auf dem Meditationskissen, Live-Berichterstattung von der Erleuchtung bei Facebook?
Danach war ich eine Woche Angeln in Norwegen. Online. W-Lan im Zimmer, 4G auf dem Boot. Über Instagram und Facebook wurde die Reise von allen Teilnehmern mit Bildberichterstattung begleitet. Per WhatsApp wurden die neuesten Fänge ausgetauscht und die Familien auf dem Laufenden gehalten. Abends saßen wir Angelfreunde gemeinsam im Wohnzimmer und schauten aufs Mobiltelefon.
Nach meiner Rückkehr hatten natürlich wieder viele meine Follower auf meine Angelposts reagiert. Also schnell mal in den Netzen das Feedback auf meine letzten Aktivitäten checken. Kurz gesagt: Angeln bringt echt Impact. Ich werde noch Fishing-Influencer, Norwegen-Influencer oder Dorsch-Flüsterer.
Irgendwann dann der Moment des Nachdenkens: Was hatte mich eigentlich am Anfang an meinem iPad so begeistert? Es war die Möglichkeit, sämtliche Inhalte, die mich interessieren, an einem Ort zu haben. Der neue Spiegel, Stern, die FAZ und die taz. Information on your fingertip. Jedes Mal bleibe ich aber bei Facebook, Instagram oder Twitter hängen, wenn ich das Ding in die Hand nehme. Weiße Zahlen in roten Kreisen signalisieren Aktivität in meiner Peergroup. Die neusten Infos müssen warten, ich schaue mir Fotos vom Essen anderer Leute an und bewundere deren Sprünge in Pools in Südfrankreich.
Ich habe jetzt erstmal alle Apps aller sozialem Netzwerke auf meinem iPad gelöscht. Dafür sind auf der Titelseite meine E-Reader, die Apps der spannenden Zeitungen und Zeitschriften und andere Informationsquellen. Ich möchte, dass ich weniger über andere und dafür mehr von anderen lerne. Mehr Zeit für Artikel in Spiegel, FAZ und Co., weniger für Fotos von Dorschen oder Abendessen. Die Abhängigkeit vom digitalen Gezwitscher und Geposte muss täglich bekämpft werden – am besten durch rigoroses Verbannen dieser Apps. Zigaretten liegen bei uns ja auch schon lange nicht mehr auf dem Wohnzimmertisch.