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Blogger Relations? Ein Profi packt aus!

Foto: Anja Beckmann

BloggerInnen werden als Multiplikatoren für Unternehmen zunehmend interessanter. Schon längst sind sie keine TagebuchschreiberInnen mehr, sondern schaffen Content, den die BlogleserInnen als authentisch und glaubwürdig zu schätzen wissen. Was die Ansprache der BloggerInnen angeht, gelten andere Regeln als in der klassischen Pressearbeit. Welche das sind, verrät Anja Beckmann, Social Media Managerin, Bloggerin und Journalistin, im Gespräch mit medienrot.

Nicole Storch: Frau Beckmann, Sie sind von der PR-Arbeiterin zur Bloggerin geworden. Haben Sie die Seite gewechselt oder sich nur weiterentwickelt?

Anja Beckmann: Ich habe mich weiterentwickelt: Während des Studiums habe ich als Journalistin gearbeitet, danach ein PR-Volontariat bei der Agentur fischerAppelt absolviert und acht Jahre lang PR und Marketing auf Unternehmensseite (Starbucks und Kraft Foods) gemacht.

Seit vier Jahren bin ich selbstständig. Unter Red Mod Communications (www.redmod.de) arbeite ich in drei Bereichen:

  1. Als Social Media Managerin (SMA) für Unternehmen und Agenturen. Das umfasst Konzeption, Seminare und Umsetzung/Redaktion für Social Media, Corporate Blogs und Blogger Relations.
  2. Als Bloggerin zu Social Media, PR und Marketing (www.redmodblog.de) und Travel & Food (www.travelontoast.de).
  3. Als Journalistin und Autorin, u. a. als Ressortleiterin Social Media des PR-Journals und Autorin der DVD Facebook-Marketing.

In diesen drei Bereichen gibt es für mich mehr als genug zu tun und es macht mir sehr viel Spaß.

Sehen Sie sich eher als Corporate Bloggerin und damit als Teil der Kommunikationsarbeit von einzelnen Auftraggebern?

Anja Beckmann: Da muss man klar unterscheiden: Travel on Toast ist mein Online-Magazin zu den Themen Travel & Food. Seit meiner Weltreise vor einigen Jahren bin ich häufig unterwegs. Im Blog (laut Ebuzzing-Ranking auf Platz 2 der einflussreichsten Reiseblogs) berichte ich über meine Reisen, gebe Tipps und lasse Gastautoren zu Wort kommen. Unternehmen haben die Möglichkeit, dort Werbung oder Advertorials zu schalten. Ansonsten ist das Blog ganz meins.

Auf der anderen Seite schreibe ich auch für Corporate Blogs. Meine Artikel sind etwa bei Hostelbookers, eDreams, Carat Hotels oder Wimdu erschienen. Meine langjährige Erfahrung als Bloggerin nutze ich also auch für Unternehmen.

Vielfältige Blogger Relations-Maßnahmen habe ich außerdem bereits durchgeführt für Kunden wie den Gebäckhersteller Lambertz, das Elektronikunternehmen Oregon Scientific, das Markensiegel Superbrands oder den eBook Reader Liro Color.

Wie sieht für Sie die Zukunft der digitalen PR-Arbeit aus und welche Rolle sollten Blogs in diesem Kontext spielen?

Anja Beckmann: Blogs sind Teil der modernen Medienlandschaft. Unternehmen müssen bei der Analyse schauen, wie wichtig Blogs für sie sind, um ihre Ziele und Zielgruppen erreichen zu können. Gerade in Branchen wie Reisen, Essen, Beauty, Lifestyle, Automobil oder Technik sind sie stark.

Blogs werden häufig als „Durchreiche für PR-Floskeln“ kritisiert. Was kann man tun, um dem Medium „Blog“ eine qualitative und damit auch kritischere Ausrichtung zu geben? Stichwort: Reiseblogger-Kodex.

Anja Beckmann: Als Blogger möchte ich meine Erlebnisse teilen und viele Leser erreichen. Das schaffe ich nicht mit Werbefloskeln. Die Texte müssen für die Leser relevant, gut geschrieben und mit ansprechenden Bildern versehen sein.

An Bloggertrips und Pressereisen nehme ich gerne teil, weil ich so spannenden Content für mein Blog gewinne. Tourismusämter, Airlines oder Hotels laden mich ein, weil sie persönliche Geschichten und Buzz im Social Web erhalten. Dabei beachte ich den Reiseblogger-Kodex und kennzeichne die Artikel entsprechend. Ebenso wie übrigens auch Advertorials.

Als Bloggerin beschreibe ich meine Erlebnisse aus persönlicher Sicht. Dabei ist mir wichtig: Ich empfehle nur etwas, von dem ich überzeugt bin. Wenn ich einen Strand als Traumstrand beschreibe, der Leser aber dann vor einer Müllhalde steht, verliere ich meine Glaubwürdigkeit.

Blogs mit hohen Reichweiten professionalisieren sich immer mehr und bilden häufig Vermarktungsnetzwerke. Wird durch verstärkte Vermarktungsarbeit der Zugang für PRler zu Blogs schwieriger?

Anja Beckmann: Im ersten Schritt wird es für PRler einfacher: Sie können relevante Blogs leichter identifizieren. Andererseits müssen sie sich überlegen, was sie dem Blogger bieten können. Das kann interessanter Content sein, etwa durch Einladung zu einer Pressereise oder Produkttests. Oder eine Bezahlung für Anzeigen oder Advertorials.

Sie haben die Plattform für deutschsprachige Reiseblogger (PDRB) gegründet. Mit welcher Intention?

Anja Beckmann: Auf der weltweit größten Reisemesse ITB haben sich viele von uns deutschsprachigen Bloggern getroffen. Dabei wurde schnell klar: Es fehlte eine offene Plattform. Denn wir wollen uns einerseits untereinander stärker vernetzen und austauschen. Andererseits möchten wir für Leser und Unternehmen sichtbarer werden.

Wie wird die Plattform angenommen und genutzt? Wer hat da welchen Mehrwert?

Anja Beckmann: Bisher hat die Plattform für deutschsprachige Reiseblogger schon rund 60 Mitglieder. Auf http://reiseblogs.org/blogger-liste/ haben wir mit unserem 13-köpfigen Orga-Team ein Verzeichnis eingerichtet. Die Bloggerprofile können nach Schwerpunkten, bereits bereisten Ländern und Länder-Interessen durchsucht werden.

Vom 12. bis 14. Juli findet das erste der regelmäßig geplanten Treffen statt. 30 Reiseblogger kommen in Bonn zusammen, es gibt neben Netzwerkmöglichkeiten ein Workshop-Programm und eine Stadtbesichtigung.

Alle PDRB-Mitglieder können sich außerdem in einer Facebook-Gruppe austauschen.

Was hat sich aus Ihrer Sicht bei der Zusammenarbeit von PR und Bloggern bewährt?

Anja Beckmann: Von Kooperationen erwarte ich z. B. interessanten Content oder Gewinnspiele, um noch mehr Leser zu gewinnen und zu binden. Schön ist auch, wenn ich meine Bekanntheit steigern kann, z. B. über eine Verbreitung auf den Social Media-Kanälen meines Kooperationspartners.

Ich finde es toll, wenn jemand sich mein Blog angeschaut hat und passend dazu Vorschläge macht. Das kann die individuelle Recherchereise nach Mexiko sein – eines meiner Lieblingsländer. Oder die Genussreise nach Österreich, denn ich teste gerne das lokale Essen und liebe die österreichische Küche. Oder eine Verlosung mit Boxen, in denen Süßigkeiten aus aller Welt zusammengestellt sind.

Eine Win-Win-Situation ist es, wenn Kooperationspartner über Blogger Content für die eigenen Kanäle erhalten – sei es das Corporate Blog, Facebook oder Twitter. Der Blogger steigert im Gegenzug seine Reichweite und wird bekannter gemacht.

Bei Condor durfte ich etwa auf dem Mexikoflug ins Cockpit. Die Airline hat meinen Blogbeitrag über Facebook und Twitter verbreitet, ich hatte dadurch viele Zugriffe.

Sehr gut funktioniert hat das auch beim Blogville Bologna. Ich hatte kaum auf meinen Social Media-Accounts gepostet, schon wurde es auf den Kanälen von Blogville oder Tourismus Emilia Romagna geretweetet oder geteilt, ansonsten von ihnen bei mir geliked oder kommentiert. Außerdem wurden meine Blogbeiträge und Posts auf der Website gefeatured.

Sinnvoll ist ein Hashtag (wie etwa #blogville) – denn darüber findet man die Posts der unterschiedlichen Blogger auf Twitter, Facebook, Instagram oder Google+.

Was kommt bei Bloggern gar nicht gut an? Gibt es echte, allgemeine No-Gos?

Anja Beckmann: Fragen Sie den Blogger, bevor Sie ihn auf den Verteiler für Pressemitteilungen setzen. Ich erhalte dadurch teilweise Ideen für Artikel. Für mich ist jedoch wichtig: Ich muss etwas erleben, um darüber schreiben zu können. Ich würde nie über ein Land, Hotel, Restaurant oder Produkt schreiben, das ich nicht selbst besucht bzw. getestet habe.

Auf meinem Blog veröffentliche ich Gastbeiträge nur von anderen Bloggern oder Privatpersonen. Die Unternehmen, die Artikel mit Links zu ihrer Website veröffentlichen möchten, können das gerne als Advertorial machen.

Manche Blogger sind übrigens offen für Kooperationen, andere nicht. Das erkennt man z. B. an der Rubrik „Werbung & PR“ auf dem Blog oder ob der Blogger seine Mediadaten im Blog hinterlegt hat.

Es ist nicht jeden Tag eitel Sonnenschein. Wie sollten Unternehmen mit kritischen Blogbeiträgen umgehen?

Anja Beckmann: Mit einer gesunden Portion Gelassenheit. Natürlich sind kritische Stimmen aus klassischen Medien, Blogs oder dem Social Web erst einmal nicht angenehm. Aber Unternehmen können dadurch wertvolle Hinweise erhalten, was sie noch verbessern können.

Blogs sind nur ein Teil des sozialen Netzes. Sie sind auch im Social Web sehr aktiv. Auf YouTube, Facebook und Twitter gibt es jeweils einzelne User, die nur in einzelnen Netzwerken hohe Reichweiten haben. Wie sinnvoll es dann noch, wenn sich Unternehmen nur auf Blogger Relations konzentrieren?

Anja Beckmann: Unternehmen sollten die ganze Medienlandschaft im Blick haben und analysieren, wer für sie relevant ist. Das kann dann auch schon mal jemand sein, der auf YouTube viele Zugriffe hat.

Blogger haben den Vorteil, dass sie Leser nicht nur über die Blogbeiträge erreichen. Auf Reisen berichte ich z. B. live über meine Social-Media-Kanäle mit insgesamt rund 10.000 Fans und Followern. Die erhalten dann das Gefühl, mit mir unterwegs zu sein.

Die Huffington Post kommt im Herbst in deutscher Sprache und will mit nur 15 Redakteuren aber auch 50 bis 60 Bloggern starten. Die HuffPo ist dazu selbst extrem stark in den Social Networks unterwegs. Welche Herausforderungen sehen Sie da auf die digitale PR zukommen?

Anja Beckmann: Früher hatte ich als Pressesprecherin eine überschaubare Zahl an Ansprechpartnern. Das wird jetzt mehr. Monitoringanbieter wie Landau Media oder kostenlose Tools wie die Google Blogsuche helfen dabei, die passenden Meinungsführer zu identifizieren.

Welche fünf Dinge sollten Unternehmen in Bezug auf Blogger Relations unbedingt beachten?

Anja Beckmann:

  1. Recherche vor dem Start: Wer ist für mich relevant?
  2. Passgenaue Themen: Welches Thema für welches Blog?
  3. Gezielte Ansprache: Etwa telefonisch, über Social Media oder per Mail. Ich bekomme am liebsten Mails mit allen Details.
  4. Win-Win-Situation: Was hat der Blogger davon?
  5. Kritikfähigkeit: Wenn Kritik kommt oder etwas nicht gut läuft, sprechen Sie offen mit dem Blogger darüber.

Über den Interviewgast:

Anja BeckmannAnja Beckmann hat ihr Hobby zum Beruf gemacht: Nach ihrer Weltreise führt sie heute mit Travel on Toast ein erfolgreiches Travel & Food Blog. Außerdem arbeitet sie als freie Social Media Managerin (SMA) und Journalistin. Zum Thema „Blogger Relations“ hat sie u. a. auf dem Kommunikationskongress des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher (BdP) gesprochen.

Über die Autorin:

Nicole Storch ist freiberufliche Autorin für Print und Online. Zuvor betreute sie als Redakteurin beim Egmont Ehapa Verlag zahlreiche Kinder- und Jugendzeitschriften. Während ihres Studiums der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der UdK Berlin arbeitete sie bereits als freie Texterin für verschiedene Agenturen.