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Chinas Social Media-Welt – der Schlüssel zur lokalen Zielgruppe

Foto: © AdobeStock/Maridav

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Konsumenten in China gelten als stark vernetzt und verrückt nach Social Media. Deutsche Marken und Unternehmen können sich diese Vorliebe zu Nutze machen und auf digitalen Kanälen die eigene Sichtbarkeit erhöhen. Dafür müssen sie wissen, welche Netzwerke für ihr Geschäft relevant sind und was lokale User erwarten.

Während Social Commerce, sprich der direkte Produktverkauf über soziale Kanäle, bei uns langsam an Fahrt gewinnt, hat sich das Shoppingphänomen im Reich der Mitte längst fest etabliert. Bereits 30 Prozent des E-Commerce-Umsatzes werden direkt über soziale Netzwerke generiert – Tendenz steigend.
Deutsche Marken und Unternehmen können kaum einen besseren Weg wählen, um die eigene Zielgruppe auf dem wettbewerbsintensiven Markt anzusprechen. Vertraute Dienste wie Facebook, Instagram oder Twitter spielen dabei allerdings keine Rolle. Das hochdigitalisierte Land, in dem bereits rund 900 Millionen Menschen bevorzugt mit dem Smartphone online sind, hat die meisten westlichen Kanäle gesperrt und eigene Internetgrößen herangezogen. Werbetreibende, die ihr China-Geschäft auf- oder ausbauen wollen, sollten sich daher intensiv mit der lokalen Social-Media-Landschaft beschäftigen.

Social Media in China: Das zeichnet lokale Dienste aus
Doch was ist eigentlich das Besondere an den Netzwerken, die WeChat, Weibo und Douyin oder auch Xiaohongshu, Zhihu und Dianping heißen? Wesentlich ist, dass diese Kanäle zwar mehr oder weniger starke Ähnlichkeiten zu ihren westlichen Abbildern aufweisen, meist aber weitaus mehr Funktionen anbieten. Inbegriff dafür ist WeChat: Die beliebteste chinesische Social-Media-App des Tech-Giganten Tencent bietet ein umfangreiches Ökosystem: Vorzüge von Instagram, Facebook, WhatsApp, Amazon, Onlinebanking und weiteren Diensten werden vereint. Hinzu kommt, dass mehr als zehn Millionen Mini-Programme von Drittanbietern in die WeChat-Welt eingebunden sind. Wie in einer eigenen App können Marken und Unternehmen Content, Bilder und Grafiken, Formulare sowie Serviceangebote bereitstellen. Mit dem Unterschied, dass die User verschiedene Mini-Programme nutzen können, ohne WeChat je zu verlassen. Kein Wunder, dass auf der Plattform bis zur Executive-Ebene nahezu alle Chinesen zugegen sind. Ihre User-Gewohnheiten sind so einzigartig wie die chinesische Social-Media-Welt selbst.

User-Vorlieben: So nutzen Chinesen soziale Medien
Auch wenn jede Zielgruppe auf dem uneinheitlichen, sehr großen Markt individuelle Eigenheiten aufweist, lassen sich im Hinblick auf soziale Dienste einige generelle Aussagen treffen. Social-Media-Nutzer im Reich der Mitte gelten als besonders aktiv: Sie reagieren stark auf die Inhalte ihrer Newsfeeds und kommunizieren direkt mit Unternehmen oder Marken. Das betrifft längst nicht nur den B2C-Bereich, auch viele B2B-Kaufentscheidungen werden online getroffen. Verbraucher wollen Informationen an verschiedenen Touchpoints konsumieren: Diese Erwartungshaltung stellt Unternehmen vor die Aufgabe, kontinuierlich Content entlang der Customer Journey zu streuen und dabei eine einheitliche Sprache zu sprechen. Ein Official Account auf dem jeweiligen Netzwerk bildet die Basis für sämtliche Marketingaktivitäten, die strategisch geplant werden sollten – und fungiert zunehmend als neue offizielle Webseite einer Marke.
Für ein sattes Umsatzplus können auch klug gewählte Influencer Relations sorgen: Einflussreiche Blogger werden in China Key Opionion Leader (KOL) genannt und liegen nicht erst seit gestern stark im Trend. Denn lokale User legen besonderen Wert auf Meinungen aus ihrem Umfeld, gleich ob online oder offline. Je nach Branche und Produkt können KOL mit authentischen Inhalten auf ausgewählten Plattformen die Reichweite und Reputation von Marken oder Unternehmen nachweislich erhöhen. Schauen wir uns einige dieser Kanäle also einmal genauer an:

#Brandmarketing auf Weibo – dem „chinesischen Twitter“
Weibo gilt, gleich nach WeChat, als besonders beliebtes soziales Medium. 2020 sollen mehr als 440 Millionen Chinesen monatlich den Microblogging-Dienst als Quelle für Informationen und Trends genutzt haben. Social-Media-Marketing erinnert hier an das Vorgehen auf Twitter: Unternehmen kommunizieren über eine eingeschränkte Zeichenanzahl mit Followern und reagieren, möglichst in Echtzeit, auf Kommentare. Sie sprechen Privatpersonen oder Businesskontakte, die sich für ausgewählte Themen interessieren, mit Marketingkampagnen an und verbreiten Botschaften über Hashtags an große Usergruppen.

Social Selling auf der Fachwissen-Plattform Zhihu
Wer komplexe Produkte bewerben möchte, sollte Zhihu in den Blick nehmen: Insbesondere für Unternehmen im B2B-Bereich bietet sich die Frage-und-Antwort-Plattform an, die sich zu Chinas „Central Hub“ für Fachwissen entwickelt hat. Die mehr als 220 Millionen registrierten Nutzer verfügen mehrheitlich über einen hohen Bildungsabschluss und nutzen die Platfform, um mit Experten und Unternehmen aus einer Vielzahl von Branchen zu interagieren. Content ist hier fachspezifischer und detaillierter, so kommen Info-Grafiken, Diagramme und andere Businessformate zum Einsatz. Unternehmen, die einen Content-Marketing-Ansatz verfolgen und Insider-Wissen zu einem Thema bereitstellen wollen, können hier Leads generieren und das Vertrauen zu Neukunden stärken – sprich: Social Selling betreiben. Positiv ist auch: Auf Zhihu veröffentlichte Inhalte ranken generell gut auf der beliebten Suchmaschine Baidu, womit sich die Sichtbarkeit insgesamt erhöht.

Virale Trends via Douyin
Besonders populär unter jüngeren Menschen ist die Video-Sharing-App Douyin, die chinesische (Ursprungs-) Version von Tiktok. Unternehmen nutzen das enorme Potenzial, um Botschaften im Bewegtbild-Format an die Community zu richten, oftmals in Kooperation mit KOL. Unterhaltsame Inhalte wie Dance- oder Hashtag-Challenges sind dabei wichtiger als reine Werbung. Denn was den inzwischen täglich 640 Millionen aktiven Usern gefällt, wird rasant weiterverbreitet und zum viralen Trend.

Dianping: Vorreiter im O2O-Geschäft
Als eine der neueren Super-Apps gilt Dianping. Kurz gesagt lässt sich der Dienst mit Yelp vergleichen: Registrierte User, die unterwegs nach Stores und Dienstleistungen suchen, erhalten detaillierte Informationsservices, weshalb die App auch das Amazon der Dienstleistungen genannt wird.
Dianping wird als weltweit größter Anbieter im Online-to-offline-Markt (O2O) gehandelt: 2019 standen bereits Angebote von mehr als 5,5 Millionen aktiven Anbietern bereit – jede Sekunde sollen neue Dienstleistungen hinzukommen. Die App ist nicht nur interessant, um Verbraucher in China auf stationäre und Online-Shops aufmerksam zu machen und mit Rabatten zum Konsum anzuregen. Auf der Plattform sind bereits mehr als 200 Länder gelistet: So unterstützt die App chinesische Touristen auch vor Ort in Europa bei der Suche nach Shoppingangeboten oder Dienstleistungen, was in der Realität nach Corona wieder an mehr Relevanz gewinnen wird.

Plattformen strategisch prüfen
Der weltweit größte Markt für soziale Medien hat über die erwähnten Kanälen hinaus noch weitaus mehr zu bieten. Deutsche Marken und Unternehmen sollten sich bei der Wahl geeigneter Präsenzen nicht nur von der Popularität leiten lassen. Es gilt, strategisch zu prüfen, welche Plattform zielführend für das eigene Business ist. Nicht unterschätzt werden sollte das Potenzial von Nischenmedien – und wichtig ist es auch, sich nicht nur auf einen Kanal zu verlassen.
Werbetreibende sollten zudem ein wachsames Auge darauf haben, wie sich die digitale Medienlandschaft entwickelt. Mit Corona hat sich die Nutzung von sozialen Plattfomen weiter intensiviert. Nahezu jede chinesische Plattform hat sich auf die gestiegenen Anforderungen und Bedürfnisse der User eingestellt. Damit einhergehende Trends gilt es zu erkunden, um mit der lokalen Konkurrenz schrittzuhalten.

Dieser Beitrag ist der zweite Teil einer Serie über Digitales Marketing in China. Der dritte Serienteil über einflussreiche chinesische Blogger folgt im Januar.


Über die Autorin: Katharina Niemann hat viele Jahre als PR-Referentin in China gelebt und gearbeitet. Durch ihren Alltag in der Metropole Shanghai bekam sie einen detaillierten Einblick die kulturellen Besonderheiten. Heute nutzt sie dieses Wissen im Rahmen ihrer Beratertätigkeit bei der Kommunikationsagentur STURMFEST, um Kunden bei der Kommunikation im Reich der Mitte zu unterstützen.