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„Working Out Loud“-Trend: Arbeite – und rede darüber!

Foto: © Fotolia/momius

Fast mühsam muten viele Versuche an, die Mitarbeiter in Unternehmen für den Kulturwandel zu begeistern. Das liegt bei mir im Augenblick vor allem daran, wie nonchalant der Amerikaner John Stepper die Sache anpackt. Mit seiner Initiative Working Out Loud stachelt er die Belegschaft zu einer Graswurzelbewegung an statt darauf zu warten, bis (und ob überhaupt!) sich eine komplexe Kampagne durch die Hierarchien fräst.

Arbeite und rede darüber, so könnte man seine Idee kurz beschreiben. In sogenannten Circles setzen sich jeweils fünf Köpfe über zwölf Wochen je eine Stunde zusammen und diskutieren, was sie täglich tun. Was läuft? Was hakt? Was geht daneben?

Urheber Stepper hat Working Out Loud bereits vor Jahren entwickelt und ein Buch dazu geschrieben. In meiner Wahrnehmung sammelt die Initiative hierzulande seit Mitte des vergangenen Jahres enorm viele Fans, die sich in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #WOL outen und finden. Interessanterweise treiben vor allem große Unternehmen den Trend: Bosch, Daimler, BMW und Siemens, Continental oder ZF. Agenturen oder Kommunikationsberatungen sehe ich da derzeit kaum.

Das Geheimnis scheint mir der völlig transparente Austausch und die allmählich wachsenden Beziehungen zu Kollegen – quer zu den Silos, über Hierarchien und auch über Unternehmensgrenzen hinaus. Es entsteht dabei ein Vertrauen untereinander, das offene Kritik zulässt. Die Mitarbeiter teilen ihr Wissen miteinander und positionieren sich aktiv als Know-how-Träger.

So fördert das Konzept vernetzte Arbeit. Es stärkt außerdem das Selbstbewusstsein und die Motivation von Mitarbeitern, sich aktiv mitzuteilen und ihre Erkenntnisse festzuhalten, im direkten Austausch genauso wie über digitale Medien oder interne (Wissens-)Plattformen. Arbeit wird sichtbar und liefert wertvolle Impulse für die Kommunikation.

Human Resources oder die interne Kommunikation müssen sich dabei aus meiner Sicht gar nicht zwingend als Treiber aufspielen, sondern stattdessen besser Impulsgeber im Unternehmen identifizieren und einen passende Rahmen bieten oder Ängste ansprechen, die im Wege stehen. Die Angst, kommunikativ die Kontrolle zu verlieren. Die Angst, den eigenen Status einzubüßen, der in Zukunft ohnehin nicht mehr von Hierarchien geschützt wird. Die Angst, Wissen und Erkenntnis zu teilen, weil das bis dato ein Wettbewerbsvorteil auf dem Weg nach oben war. Mittlerweile setzt sich langsam durch, dass dank digitaler Transformation ohnehin das Gegenteil der Fall sein dürfte.

Transparente Netzwerke im Unternehmen liefern ein stabiles Rückgrat für eine nachhaltige Kulturkommunikation und setzen wichtige Signale dafür, wie sich Wissensarbeiter in Zukunft organisieren müssen. Wenn der Daimler wüsste, was der Daimler weiß, hieß es früher. Es wird allmählich Zeit, dass er es erfährt.


nico-kunkel_150x150pxÜber den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30 (www.30u30.de). Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.