Was haben eine Bioladen-Kette, ein Telekommunikationsanbieter und ein Ökostrom-Versorger gemeinsam? Sie verkaufen Produkte oder Dienstleistungen und wollen mich als Kunden. Das dachte ich zumindest bis dato. Mit allen drei Unternehmen wollte ich in den vergangenen Wochen ins Geschäft kommen oder – wie im Fall des Bioladens – habe ein Produkt erworben.
Tatsächlich war ich in allen drei Fällen unzufrieden und habe dies über diverse Kommunikationskanäle bzw. soziale Netzwerke zum Ausdruck gebracht, in der Hoffnung auf Besserung. Und als Live-Erfahrung in Sachen digitaler Kundenkommunikation. Am Ende haben alle drei Firmen auf meine Rückmeldung reagiert, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Meine persönliche Erkenntnis bei den umfangreichen Kommunikationsprozessen ist einfach: Wenn KundInnen die Social-Media-Teams kontaktieren müssen, um ein einfaches Geschäft abzuwickeln, dann ist es bereits viel zu spät. Oder etwa nicht?
Bioladen – mit längerer Leitung
Das Problem mit dem Produkt aus dem Bioladen war noch einfach. Die gekaufte Suppe war dünn, geschmacklich wenig überzeugend und preislich somit überhaupt nicht im fairen Rahmen. Nach dem Verzehr meldete ich meinen Unmut an eine E-Mail-Adresse, die vom Unternehmen direkt angeboten wird, um Feedback zu geben. Vier Tage später meldete sich die Kommunikationsdame bei mir per Telefon und E-Mail zurück, entschuldigte sich und bot mir eine Kompensation an. Der Ton war freundlich und man versprach, sich des Problems anzunehmen und es intern an die Qualitätssicherung weiterzugeben. Fazit: Ich werde weiter Kunde dieses Unternehmens bleiben, allerdings gehe ich das Experiment einer schnellen warmen Mittagssuppe vorerst nicht mehr ein. Die Rückmeldung kam zwar recht spät, aber die Dame hat mir als Kunden das Gefühl gegeben, vielleicht einen Prozess angestoßen zu haben.
Der Telekommunikationsanbieter – Never Ending Story
Der Telekommunikationsanbieter stand – nach meiner Meinung – vor keinem schwerwiegenden Problem. Er sollte die Telefonnummern unserer Firma an eine neue Adresse überführen und vor Ort auch einen leistungsstarken Internetanschluss ermöglichen. Ich war davon überzeugt, dass es sich um die Standarddienstleistungen eines Telekommunkationsunternehmens handelt. Etwa sieben Telefonate, drei Faxe, drei E-Mails und 6,5 Stunden vergeblichen Wartens auf einen Service-Techniker, mehrere ausgetauschte Tweets und Facebook-Nachrichten mit dem Social-Media-Team des Unternehmens später und 28 Tage nach Auftragserteilung haben wir seit gestern unsere Anschlüsse zurück und können endlich ordentlich arbeiten. Warum ich dennoch Kunde bin? Weil uns als Firma kaum eine andere Wahl blieb – wir wollen doch nur arbeiten. Fazit hier: Ich werde dieses Unternehmen nicht empfehlen, vielleicht sogar davor warnen. Die Kommunikation ist durch unzählige Hände gelaufen, selbst im Social-Media-Team hat man keinen wirklich festen Ansprechpartner. Man fühlt sich verloren im System, in dem niemand die Verantwortung übernehmen will – und das wird letztlich von den KundenbetreuerInnen auch nonverbal so kommuniziert. Wenn also die Dienstleistung nicht stimmt, kann auch ein Social-Media-Team nur noch passen.
Ökostrom-Anbieter – erst unsensibel, dann lernfähig
Nach dem Umzug unserer Firma wollten wir einen Vertrag mit einem Ökostrom-Anbieter abschließen. Wir telefonierten, alles schien in Ordnung. Einige Tage später bekamen wir den Brief mit der Ablehnung. Die Bonität der Firma wäre nicht passend und man würde uns deshalb als Kunde ablehnen müssen. Mein Partner telefonierte mehrfach mit dem Stromanbieter und mit sechs AnsprechpartnerInnen bei zwei verschiedenen Bonitätsdienstleistern, bis wir unseren Index erfuhren. Danach hielten wir noch einmal Rücksprache mit dem Stromanbieter, ob wir für die Bonitätsprüfung unsere Daten mit denen des Anbieters abgleichen könnten. Die Antwort war verblüffend: Geben Sie bitte Ihre Daten dem Bonitätsdienstleister, wir können das hier gar nicht verarbeiten. Und das in Zeiten von Daten- & NSA-Skandalen. Dieser Ökostrom-Anbieter hat durch seine harsche Art die volle Härte der Kunden zu „spüren“ bekommen. Er hat mich als Kunden tatsächlich noch am gleichen Abend verloren, unsere Firma nicht als Kunden gewinnen können und zahlreiche öffentliche Unmutsbekundungen über soziale Netzwerke und einen negativen Blogeintrag geerntet.
Das Interessante kommt aber nun im Anschluss: Über den Twitter-Account des Unternehmens wurden wir kontaktiert, unseren Fall noch einmal per E-Mail zu schildern. Auf diese E-Mail bekamen wir eine sehr solide, zügige und faire Antwort. Der Fehler wurde anerkannt, man entschuldigte sich und gab uns das Feedback, das Thema Bonitätsprüfung für Kleinfirmen intern zu überprüfen. Fazit: Auch hier hat man sorgfältig und den Fehler eingestehend reagiert. Man gab sich transparent und lernfähig. Dies führte zwar nicht zu einem Vertrag mit dem Stromanbieter, war aber dennoch sehr deeskalierend.
Und die Moral von der Geschichte?
In einer Welt, in der KundInnen ständig öffentlich kommunizieren, Shitstorms die Welt auch nicht besser machen und negative Meinungen im Netz immer wieder auffindbar sind, bleibt wohl der ganz normale Menschenverstand. Firmen machen Fehler. Im Rahmen der Möglichkeiten dazu stehen, hilft. Es ist oft die simple und aufrichtig wirkende Entschuldigung, die für Verständnis sorgt. Und Kunden bei der Stange hält. Social-Media-Teams können dabei helfen, wenn sie effektiv eingesetzt werden, intern Prozesse durch Kundenfeedback verändern helfen dürfen und bei Hilfe suchenden Kunden am Ball bleiben, bis der Kommunikationsprozess abgeschlossen ist.
Über den Autor: Jens Stoewhase ist verantwortlicher Redakteur für medienrot.de und Geschäftsführer der Rabbit Publishing GmbH, die dieses Onlinejournal im Auftrag der Landau Media AG betreibt. Bis Ende 2011 betreute er selbst u.a. die digitalen Aktivitäten zahlreicher kommerzieller Kinder- und Jugendmagazine und YPS. Stoewhase arbeitete vorher jahrelang für den Onlinebereich der TV-Serie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ und als Freelancer im Musikbereich und entwickelte Konzepte für digitale Angebote im Entertainmentsegment.