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Öffentliche Therapiesitzung

Kommunikationskongress 2012. Wie immer zum Ausklang nach zwei prallen Kongresstagen versammelt sich das Who is Who der schreibenden und sprechenden Zunft, die Elefantenrunde des Kommunikationskongresses, auf der Bühne im bcc. Zum gemeinsamen Therapiegespräch sind erschienen: Ines Pohl, Chefredakteurin der taz, Steffen Klusmann, Chefredakteur der Financial Times Deutschland, Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit, Dr. Willi Steil, Intendant Deutschland Radio. Als Therapeut dieser psychologisch schwer angeschlagenen Gruppe hat sich Dr. Hajo Schumacher zur Verfügung gestellt.

Wie üblich eröffnet der Moderator mit einem Gagfeuerwerk, um den depressiven Haufen aus seiner Lethargie zu reißen und therapiefähig zu machen. Doch dieses Jahr will die Runde einfach nicht aus ihrer dunklen Grundstimmung raus. Zu fürchterlich gestaltet sich das, was die eigene Zunft in den letzten 12 Monaten verzapft hat. Wieder einen Politiker kaputt geschrieben, wieder sinnlos PR für ein Buch gemacht, das es nicht verdient hat. Erste Menschen verlassen das Publikum, weil sie die deprimierende Bilanz nicht vertragen und nicht auch noch in dieses tiefe Loch des Selbstmitleids gerissen werden wollen.

Die Erklärungsmuster der Therapieteilnehmer sind einfach: „die Leute“ wollen, dass die Redakteure so handeln. Eine diffuse Schar von Menschen, die ihre Produkte kaufen, scheint sie ständig in eine Richtung zu treiben, in die sie nicht wollen. Wenn man über das iPhone berichtet, statt über die politischen Hintergründe der Aufstände in Syrien, macht man das, weil es „die Leute“ so wollen. Therapeut Schumacher versucht durch einfache Fragen die Runde aufzurütteln: „Welches Heft hat sich denn am besten verkauft in den letzten 12 Monaten?“. Giovanni die Lorenzo antwortet für die Zeit: „Das mit dem Titelthema „Philosophie““. Schweigen. „Die Leute“ scheinen doch mit anspruchsvollen Themen zu Recht zu kommen.

Aber auch dieser Weckruf an die Eigenverantwortung und den Gestaltungssinn der Gesprächsgruppe verhallt ungehört. Schnell ist man wieder zurück in der Selbstbeschimpfung und attestiert sich selbst, dass man eigentlich sowieso keine Ahnung hat, von dem über das man täglich berichtet. Exemplarisch wird das an der Eurokrise vorgeführt, bei der sich alle einig sind: „keine Ahnung“. Nach einer Stunde Therapie versucht Dr. Schumacher noch mal einen Vorstoß: „Was können wir denn tun, damit wir nächstes Jahr fröhlicher sind?“, fragt er sinngemäß. Auch hier enthalten die wortreich vorgetragenen Antworten die gleiche Kernbotschaft: „keine Ahnung“.

Dr. Schumacher ist an seiner Mammutaufgabe gescheitert, er wollte in 60 Minuten den führenden Figuren der etablierten deutschen Medienlandschaft einen Hinweis geben, der sie aus ihrer Depression führen kann. Er wollte ein Licht am Ende des Tunnels entzünden: er wollte ihnen sagen, das sie die Entscheider sind und sie die Medien machen, die sie verdienen. Vielleicht beim nächsten Mal.

Über den Autor: Uwe Mommert ist Vorstand für Vertrieb und Produktion der Landau Media AG. Darüber hinaus ist er begeisterter Web 2.0-Fan und immer an innovativen Ideen interessiert. Für medienrot.de kommentiert Uwe Mommert regelmäßig das Mediengeschehen.