Uwe Mommert hat die re:publica besucht und war vorab verunsichert: Würde er auffallen, weil er nicht den ganzen Tag twittert, snapchattet und Selfies macht? Letztendlich hat er die Internet-Konferenz gut überstanden. Eines hat er jedenfalls nicht mehr gefunden – die Naivität der frühen Jahre…
Beim Betreten der re:publica 10, also dem zehnten Klassentreffen derer, die das Internet verstanden haben, war mir noch etwas mulmig. Würde ich auffallen als einer, der nicht den ganzen Tag twittert, snapchattet und Selfies macht? Menschen, die sich und ihre Eintrittskarten fotografierten, um allen, die 50 Meter entfernt in ihr Handy blickten, mitzuteilen, dass sie nun auch da sind, säumten den Eingang.
Nach einigen Vorträgen war mir klar, auch die anderen Anwesenden sind von einer gewissen Orientierungslosigkeit und Unsicherheit betroffen. Zu sehr hat sich das Internet vom romantischen Ideal der digitalen Weltverbesserer entfernt, die sich in wesentlich kleinerem Rahmen auf der ersten re:publica versammelt hatten. Wurden damals noch die Ideen einer digitalen Demokratie und der Befreiung von jeglichen Zwängen der Arbeitswelt durch das Internet als Traum der digitalen Zukunft besprochen, so sind es heute andere Themen.
Der perfekte Überwachungsstaat wird durch das Internet erst möglich. Radikale politische Meinungen verbreiten sich im Internet wie ein Lauffeuer und reflektierte Diskussionen werden durch Hasskommentare erstickt. Viele schauen mit dem verzweifelten Blick des Doktor Frankenstein auf das Monster, das dieses gesellschaftliche Experiment hervorgebracht hat. So wurde über Snowden und die Folgen seiner Enthüllungen diskutiert. Trotz aller Skandale, die klar machten wie weitgehend die Daten missbraucht werden können, die wir dem Internet zur Verfügung stellen, ist hier keine Trendwende erkennbar. Solange die Apps kostenlos und die anderen Freunde mit dabei sind, wird bereitwillig ein Privatsphären-Ausverkauf betrieben, der die NSA und die werbetreibende Industrie vor Freude in die Hände klatschen lässt.
Während also die digital Erstgeborenen noch versuchen, die nachfolgende Generation mit ihren Internet-Popstars auf YouTube und ihren Kurzgeschichten auf Snapchat zu verstehen, wandelt sich das Internet immer weiter in eine gigantische Technologie für Anzeigenverkauf, Überwachung und Trash-Inhalte. Eine Entwicklung also, die alle anderen Medien – zum Teil natürlich weniger radikal – bereits durchlaufen haben. Es schauen nun mal mehr Menschen RTL2 als ARTE und es lesen mehr die BILD-Zeitung als die FAZ. Medien sind meist mehr der Spiegel einer Gesellschaft als ihr Veränderungsimpuls.
Trotzdem, ein Leben ohne die tollen neuen Technologien will auch der verträumteste Internetromantiker nicht. In einem Vortrag wurde das so erläutert: Unsere Gesellschaft befindet sich im Bezug auf die Nutzung des Internets noch in der Pubertät. Identitätssuchend, verwirrt und hormonell überversorgt testen wir alles aus, was möglich ist. Aber aus vielen pubertierenden Nervensägen ist ja später noch was ganz Anständiges geworden. Pubertierende bringt man durch klare Regeln und moralische Wertvorstellungen auf die Spur, solche Dinge würden auch der Entwicklung des Internets ganz gut tun.
Über den Autor: Uwe Mommert ist Vorstand für Vertrieb und Produktion der Landau Media AG. Darüber hinaus ist er begeisterter Web 2.0-Fan und immer an innovativen Ideen interessiert. Für medienrot.de kommentiert Uwe Mommert regelmäßig das Mediengeschehen. Sie erreichen Uwe Mommert auch unter mommert@landaumedia.de, bei Xing und bei LinkedIn.
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