Die diesjährige Auswertung der DVFA Scorecard for Corporate Governance zeichnet ein insgesamt stabilisiertes Bild der Governance-Qualität über alle drei DAX-Segmente und unterstreicht die Akzeptanz der DVFA Scorecard als Instrument zur Beurteilung auch aufseiten der Emittenten.
Governance-Qualität insgesamt deutlich verbessert
Im Vergleich zur Vorjahresauswertung zeigt sich in allen Börsensegmenten eine teils deutliche
Verbesserung der durchschnittlichen Governance-Qualität. Der durchschnittliche Score-Wert steigt
im DAX von 74,8 % (2022) auf 80,2 % (2023), im MDAX von 61 % (2022) auf 68 % (2023) und im SDAX
von 53,7 % (2022) auf 61,9 % (2023). Damit sind die Verluste der letztjährigen Governance-
Auswertung weitestgehend ausgeglichen und die Unternehmen bewegen sich wieder auf einem
besseren Qualitätsniveau.
In der Auswertung 2023 wurde der Fragenkatalog der Scorecard im Vergleich zum Vorjahr lediglich im Bereich „Aktionäre und Hauptversammlung“ etwas umfassender geändert. So wurden beispielsweise Fragen gestrichen, die sich auf mittlerweile gesetzlich verpflichtende Aktivitäten im Rahmen der digitalen Hauptversammlung beziehen. Dafür wurden neue Fragen zur Gleichbehandlung unterschiedlicher Aktionärsgruppen sowie zur expliziten Möglichkeit einer Enthaltung in der HV-Abstimmung eingeführt. Im Bereich „Aufsichtsrat“ wurde eine Frage zur Mandatshäufung („Overboarding“) von Vorsitz und Prüfungsausschuss-Vorsitz eingefügt. Die Bewertung der Frage zur Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts im Bereich „Rechnungslegung und Abschlussprüfung“ wurde zudem etwas verschärft, so dass zur vollen Punkterreichung hier eine Prüfung mit angemessener und nicht mehr nur begrenzter Sicherheit notwendig ist. Ebenso wie in den Vorjahren wurden zudem einige Fragen präzisiert, um einer detaillierteren Abstufung im Erfüllungsgrad Rechnung tragen zu können.
Teils große Veränderungen in den Ranglisten der Börsensegmente
Im DAX erreicht, wie bereits im Vorjahr, die Munich Re den Spitzenplatz in der höchsten Kategorie mit dem Prädikat „hervorragend“ (dies entspricht einem Score-Wert über 90 %). Die Munich Re konnte ihren Score-Wert dabei nochmals leicht steigern und nimmt zum vierten Mal in Folge den ersten Platz der DVFA-Scorecard ein. In der diesjährigen Auswertung folgen ihr mit der Deutschen Börse und Brenntag zwei weitere DAX-Unternehmen im Bereich einer hervorragenden Governance-Qualität. Die Wertung „sehr gut“ (mit einem Score-Wert zwischen 80 und 90 %) erzielten insgesamt 18 Unternehmen im DAX, nach nur 12 Gesellschaften im Jahr 2022.
Auf den Plätzen 4 bis 10 liegen (in dieser Reihenfolge): Deutsche Bank, Allianz, Commerzbank, BMW, E.ON, Covestro und die Mercedes-Benz Group. Besonders bemerkenswert ist dabei das sehr gute Abschneiden von Siemens Healthineers auf Platz 22 der diesjährigen Auswertung nach Platz 32 im vergangenen Jahr. Ebenfalls deutliche Verbesserungen zeigen Deutsche Bank (Verbesserung um 9 Rangplätze), E.ON (Verbesserung um 7 Rangplätze) sowie SAP (Verbesserung um 6 Rangplätze). Im Unterschied zum Vorjahr schneidet zwar kein Unternehmen im DAX mehr mit einem Score-Wert von unter 50 % und damit „mangelhaft“ ab, jedoch liegen zwei Unternehmen weiterhin nur im „ausreichenden“ Score-Bereich (zwischen 50 und 60 %).
Im MDAX liegt Fresenius Medical Care auf dem Spitzenplatz. Weitere fünf Unternehmen erreichen hier die Wertung „sehr gut“. Auf den Plätzen 2 bis 10 liegen (in dieser Reihenfolge): Deutsche Lufthansa, thyssenkrupp, GEA Group, Team Viewer, ProSiebenSat.1 Media, Jenoptik, LEG Immobilien, Evotec und Delivery Hero. Größter Aufsteiger im MDAX – mit der zudem stärksten prozentualen Verbesserung im Gesamtranking – ist dabei Encavis, die sich von Platz 45 im Vorjahr auf Platz 32 in der diesjährigen Auswertung vorgearbeitet haben. Auch die Freenet AG konnte sich deutlich (um 9 Rangplätze) verbessern. Insgesamt 5 Unternehmen im MDAX schneiden lediglich mit einer „ausreichenden“ Bewertung ab. Nach acht Unternehmen im Vorjahr liegen in der diesjährigen Auswertung im MDAX jedoch nur noch zwei Unternehmen in der Kategorie „mangelhaft“.
Im SDAX erreicht weiterhin kein Unternehmen einen „sehr guten“ Score-Wert. Allerdings sind mittlerweile 16 Unternehmen in einem „guten“ Qualitätsbereich platziert (mit Score-Werten zwischen 70 und 80 %), während im Vorjahr lediglich 4 Unternehmen eine gute Governance- Qualität aufweisen konnten. Auf den ersten 10 Plätzen liegen (in dieser Reihenfolge) SAF-Holland, DWS Group, Grenke, Patrizia, Bilfinger, MorphoSys, Hamborner Reit, Deutz, Deutsche Pfandbriefbank und FlatexDEGIRO. Größter Aufsteiger im SDAX ist die Auto 1 Group (Verbesserung um 24 Rangplätze), gefolgt von Patrizia und GFT Technologies (Verbesserung um jeweils 17 Rangplätze), Hamborner Reit (Verbesserung um 15 Rangplätze) und Salzgitter (Verbesserung um 13 Rangplätze). Im SDAX schneiden zwar insgesamt 26 Unternehmen mit einem Governance-Score unter 60 % ab, davon 7 mit einem „mangelhaften“ Score-Wert. Dies ist jedoch eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorjahr, als noch 29 Unternehmen in die „mangelhafte“ Score-Kategorie fielen.
Unterschiede in den Themengebieten
Betrachtet man die einzelnen Themengebiete der Governance-Scorecard so fällt auf, dass sich der bereits im Vorjahr erkennbare positive Trend im Bereich „Aktionäre und Hauptversammlung“ auch in der diesjährigen Auswertung fortgeführt hat. „Dies zeigt sich in allen Börsensegmenten und ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen die Rechte der Aktionäre im Rahmen der Hauptversammlung deutlich ernster zu nehmen scheinen als noch in den Vorjahren“, so Hendrik Schmidt. Vor allem im MDAX schneidet dieser Bereich mit einer durchschnittlichen Bewertung von 42,7 % im Vergleich zu 24,7 % im Vorjahr wesentlich besser ab; eine ähnlich starke Bewegung zeigt sich auch im SDAX. In beiden Börsensegmenten gleicht sich somit die Bewertung dieses Governance-Themengebiets stärker den anderen Bereichen an.
Ebenfalls deutliche Verbesserungen, jedoch nicht in derselben Größenordnung, zeigen sich auch in den Themengebieten „Vorstand“ und „Aufsichtsrat“. Diese sind gerade im Bereich „Vorstand“ auf Qualitätssteigerungen hinsichtlich der Vorstandsvergütung zurückzuführen. „Nahezu alle Unternehmen setzen mittlerweile Nachhaltigkeits-Ziele in ihren Vergütungssystemen ein und viele sorgen für eine langfristige Performance-Messung über mindestens 4 Jahre“, erläutert Prof. Dr. Christina Bannier. „Auch die Berichterstattung über die Zielerreichung wurde vielfach verbessert.“
Im Bereich „Aufsichtsrat“ zeigen sich viele weitere Positivbeispiele, etwa in der ausführlichen Beschreibung von Qualifikationsprofilen von Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräten oder in der detaillierten Berichterstattung über Effizienzprüfungen. „Ähnliche Angaben zu Fortbildungsmaßnahmen fehlen dagegen sehr häufig noch. Auch die Quote unabhängiger Aufsichtsräte sowie deren Diversität ist in einigen Unternehmen noch verbesserungswürdig“, gibt Hendrik Schmidt zu bedenken.
Während die durchschnittliche Bewertung im Bereich „Transparenz und Governance-
Verpflichtungen“ im DAX nahezu konstant geblieben ist und sich im SDAX eine nur sehr geringe
Verbesserung zeigt, geht die durchschnittliche Bewertung in diesem Themengebiet im MDAX
dagegen sogar zurück. „Dies ist überwiegend auf fehlende Angaben zu den „Sollte“-Anregungen des Deutschen Governance-Kodex sowie auf einen mangelnden Dialog mit Stakeholdern zurückzuführen“,
erläutert Prof. Dr. Christina Bannier.
Erstaunlicherweise findet sich jedoch ein deutlicher Anstieg im MDAX und SDAX gegenüber der
Vorjahresbewertung im Themenbereich “Rechnungslegung und Abschlussprüfung“, während die
durchschnittliche Bewertung im DAX hier nahezu auf dem Vorjahresniveau bleibt. Vielfach ist dies
zu erklären mit einer deutlich verbesserten Zusammenarbeit zwischen Prüfer und Prüfungsausschuss. „Auch die zunehmende Bereitschaft, den Nachhaltigkeitsbericht einer Prüfung mit angemessener Sicherheit zu unterziehen, hat hier zu einer besseren Bewertung beigetragen“, merkt Prof. Dr. Christina Bannier an. Viele DAX-Gesellschaften hatten diese Maßnahmen dagegen bereits in Vorjahren implementiert.
„Wir werden uns in der kommenden Überarbeitung und Aktualisierung der Scorecard erneut die
gesetzlich vorgegebenen Themen kritisch vornehmen und z. B. die Fragen zur externen Rotation
des Abschlussprüfers prüfen. Dadurch wollen wir auch den Anspruch der Scorecard als
Qualitätsmessinstrument sicherstellen“, so Hendrik Schmidt.
Die Ergebnisse der Auswertung finden Sie hier >>
Quelle: dvfa.de