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Digital Marketing in China: So gelingt deutschen Unternehmen der Einstieg

Foto: © AdobeStock/trialartinf

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Konsumenten gibt es in China viele. Doch wie können deutsche Unternehmen diese erreichen – und welche Nutzervorlieben haben lokale Zielgruppen? Um die Sichtbarkeit der eigenen Marke im Reich der Mitte zu erhöhen, ist strategisches Marketing gefragt – mit Fokus auf digitale Aktivitäten.

China ist und bleibt ein Zukunftsmarkt, auf den die ganze Welt schaut. Nachdem das riesige Land den ersten lokalen Covid-19-Ausbruch erfolgreich eingedämmt hatte, kurbelte es seine Wirtschaft in Rekordzeit wieder an. In Chinas „New Normal“ ist die digitale Kaufbereitschaft ungebrochen, wenn nicht verstärkt. Insbesondere die wachsende Mittelschicht, die eine Affinität für westliche Produkte hat, birgt enormes Potenzial – auch für deutsche Marken und Unternehmen.
Um vom China-Geschäft zu profitieren, bedarf es jedoch einer gründlichen Vorbereitung. Wer seine Marke auf dem wettbewerbsintensiven Markt sichtbar machen möchte, muss sich auf lokale Spielregeln einstellen. Marketing in China funktioniert anders als in Europa oder in den USA, was unter anderem daran liegt, dass in der dortigen Medienlandschaft andere Größen dominieren. Hinzu kommt, dass Unternehmen im Reich der Mitte auf digital besonders versierte Verbraucher treffen: Chinas digitales Ökosystem galt schon vor Corona als besonders fortschrittlich – dieser Trend hat sich in der Viruskrise beschleunigt, bestätigt unter anderem eine aktuelle McKinsey-Studie. Deutsche Marken und Unternehmen sind daher mehr denn je auf eine innovative digitale Marketingstrategie angewiesen, in der aber auch klassische Akivitäten nicht fehlen sollten.

Mit diesen Praxistipps gestalten Sie Ihre China-Strategie optimal:

Werben und verkaufen in China: Online in den Fokus stellen
Laut Statista sind inzwischen rund 900 Millionen der ingesamt 1,4 Milliarden Chinesen über das Internet vernetzt. Ausgangspunkt bildet dabei fast immer das Smartphone, mit dem sich die User durch die digitale Konsumwelt navigieren. Auf den mobilen Endgeräten laufen Kommunikations- und Verkaufskanäle ineinander, Online- und Offline-Aktivitäten verschwimmen zu einem ganzheitlichen Shoppingerlebnis. Übergangspunkte bilden omnipräsente QR-Codes, denen Konsumenten auf den großen Einkaufsstraßen, im Einzelhandel und im Internet begegnen. Diese Entwicklung setzt Maßstäbe: Marken und Unternehmen, gleich ob lokal oder westlich, sollten bestrebt sein, potenzielle Kunden kontinuierlich auf ihrer digitalen Customer Journey zu begleiten: sie mit detailreichen Informationen rund um eigene Produkte zu versorgen und nahtlose Einkaufserlebnisse zu ermöglichen. Dabei können sich Werbetreibende eines zu Nutze machen: Die Tatsache, dass ein Großteil der chinesischen Bevölkerung verrückt nach sozialen Medien ist.

WeChat & Co: Lokale Social Media-Kanäle kennen und nutzen
Doch welche Social-Media-Netzwerke sind für die eigene Markenkommunikation relevant, wo ist die eigene Zielgruppe anzutreffen? Es braucht lokales Wissen, um je nach Branche, Produkt und Zielgruppe die passenden Kommunikationskanäle auszuwählen. Denn vertraute westliche Medien wie Twitter, Facebook oder YouTube spielen kaum eine Rolle, China hat seine eigenen sozialen Netzwerke.
Kaum vorbei kommen Unternehmen an WeChat – der Full-Service-App des Tech-Giganten Tencent, die Funktionen wie Chat, Social Media, E-Commerce und Payment vereint. Während Corona ist die Anzahl der WeChat-User auf beeindruckende 1,2 Milliarden angewachsen.
Wurde ein offizieller Marken-Account eingerichtet, sind die Möglichkeiten für Unternehmen immens. Innerhalb des WeChat-Ökosystems können sie aktives Marketing betreiben, werben und verkaufen sowie Support-Dienste anbieten, um Kunden langfristig zu binden – und noch viel mehr.

Authentisch sein: Kanalübergreifend eine Sprache sprechen
Neben WeChat gibt es unzählige weitere Social-Media-Dienste in Chinas stark fragmentierter Digitallandschaft. Sie heißen Weibo, Douyin, Ding Ding oder auch Xiaohongshu und bringen individuelle Anforderungen in Bezug auf Inhalt, Format und Zielgruppenansprache mit sich. Trotz bestehender Unterschiede sollten Unternehmen darauf achten, über alle genutzten Kanäle hinweg eine einheitliche Sprache zu sprechen, wenn sie ihre Marken- oder Unternehmensstory erzählen. Wenig authentische Marken werden von chinesischen Konsumenten schnell entlarvt und abgestraft.

Deep Dive: Lokale Zielgruppe ergründen
Um optimale Inhalte für die Kommunikationskanäle zu entwickeln, gilt es, die Zielgruppe in den Fokus zu stellen. Wer sind die potenziellen Kunden, was zeichnet sie aus? Werbetreibenden muss klar sein, dass China nicht als einheitlicher Markt betrachtet werden kann. Das Land besteht aus mehr als 20 Provinzen und ist 27 mal so groß wie Deutschland. Regionen sind verschieden weit entwickelt – das spiegelt sich in unterschiedlichen Zielgruppenprofilen, Konsumvorlieben und Nutzergewohnheiten wider.
Neben der oft zitierten wachsenden Mittelschicht kann es sich als gewinnbringend erweisen, neue digitale Konsumenten in den Blick zu nehmen. Neben jungen Konsumenten aus bislang weniger entwickelten Großstädten (Lower-Tier-Citys), die trotz ihres überschaubaren Einkommens nach westlichen Luxusprodukten streben, sind seit der Pandemie etwa auch die Senioren ein fester Bestandteil von Chinas E-Commerce-Einkäufen. Im ersten Halbjahr von 2020 tätigten die sogenannten Silver Liner 55 Prozent ihrer Bekleidungseinkäufe online, viele wollen dies beibehalten. Je nach Produkt und Segment kann es daher gewinnbringend sein, die definierte Zielgruppe zu erweitern und neue digitale Kunden mit maßgeschneiderten Marketingmaßnahmen anzusprechen.

Key Influencer und Livestreaming sorgen für Umsatzwachstum
Wer sich mit den Nutzervorlieben seiner Zielgruppe beschäftigt, stößt schnell auf das Thema Influencer Relations. Lokale Verbraucher suchen Orientierung in der virtuellen Konsumwelt und legen viel Wert auf Meinungen aus ihrem Umfeld. Dazu zählen auch Influencer, in China Key Opinion Leader, kurz KOL, genannt. Für Unternehmen kann die Zusammenarbeit mit einem KOL daher für ein sattes Umsatzplus sorgen. Gerade das allseits beliebte Live-Streaming mit einem digitalen Meinungsführer erweist sich als Chance, einer breiten Zielgruppe Produkte ansprechend zu präsentieren und den Verkauf anzukurbeln.
Der Marktforscher iResearch prognostiziert, dass es bis Ende 2020 bereits 524 Millionen chinesische Online-Livestreaming-Nutzer geben wird. Zudem soll sich der Gesamtumfang der chinesischen Livestreaming-E-Commerce-Branche, der 2019 bei 433,8 Milliarden RMB (knapp 56 Milliarden Euro) lag, voraussichtlich bis Ende des Jahres verdoppeln.
Wenngleich sich der Erfolg und das Budget von KOL vor allem an Verkäufen pro Minute bemisst, sollten Werbetreibende bei der Auswahl auch darauf achten, dass die Follower-Struktur in Bezug auf Geschlecht, Alter, Einkommen und Region zum Unternehmen passt. Denn, wie gesagt, ist Authenzität für lokale Verbraucher ein entscheidendes Kaufargument.

Chinesische Kultur wertschätzen – und für Marketingzwecke nutzen
Es gibt noch weitere Besonderheiten, die lokale Konsumenten auszeichnen. Wichtig zu wissen ist beispielsweise, dass sich die meisten Chinesen im Kontrast zu ihrem durchdigitalisierten Alltag nach wie vor tief mit der alten chinesischen Kultur verbunden fühlen. Unternehmen tun gut daran, ihre Werbebotschaften dahingehend anzupassen. Sympathiepunkte sammeln können sie etwa damit, wenn die Symbolkraft von Farben wie Rot und Gold oder Zahlen in PR- und Marketingaktivitäten eingebunden wird. Ein plakatives Beispiel: Die 8 gilt als werbewirksame Glückszahl, während die 4 für das Gegenteil steht und vermieden werden sollte. Auch Feiertage wie das chinesische Neujahr, das Mondfest oder das Dragonboat-Festival und damit verbundene Traditionen können genutzt werden, um Kunden von der eigenen Marke zu überzeugen. Insbesondere der Einzelhandel bietet in der Kombination mit der Online-Welt einen wertvollen Touchpoint, an dem Marken hautnah erlebbar werden.

Lokales Ästhetikempfinden berücksichtigen
Bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen sollten sich deutsche Werbetreibende stets vor Augen führen, dass chinesische Verbraucher online wie offline eine bunte, informationslastige Umgebung gewohnt sind und ein anderes Ästhetikempfinden haben. Was in der westlichen Welt beispielsweise als schick und trendy gilt, wird in China höchstwahrscheinlich anders gesehen. Daher muss es bei allen Marketingvorhaben darum gehen, die Kernwerte der eigenen Marke geschickt mit landestypischen Elementen zu verbinden.

Dieser Beitrag ist der erste Teil einer Serie über Digitales Marketing in China. Der zweite Serienteil über lokale soziale Netzwerke folgt im Dezember.


Über die Autorin: Katharina Niemann hat viele Jahre als PR-Referentin in China gelebt und gearbeitet. Durch ihren Alltag in der Metropole Shanghai bekam sie einen detaillierten Einblick die kulturellen Besonderheiten. Heute nutzt sie dieses Wissen im Rahmen ihrer Beratertätigkeit bei der Kommunikationsagentur STURMFEST, um Kunden bei der Kommunikation im Reich der Mitte zu unterstützen.