Vor einigen Monaten berichtete ich an gleicher Stelle über meinen ersten Besuch im Berliner Apple Store am Kurfürstendamm. Ich war beeindruckt von der glitzernden Begeisterungsmaschinerie, die durch das bloße Vorführen digitaler Gadgets Menschen in Ekstase versetzen konnte. Nach dem Kauf eines Apple-Gerätes wäre es das Beste, wenn Apple diese Begeisterung am Leben erhalten könnte. Ein Instrument des Apple Stores ist dabei ein integrierter Trainingsbetrieb, der Neudeutsch „One to One“ genannt wird. In individuellen Trainings soll hier der Benutzer dabei unterstützt werden, das Beste aus dem Gerät herauszuholen.
Wenn man ein Apple-Gerät in einem Apple Store kauft, bekommt man einen „One to One“-Pass, mit dem man sich über das Internet für eine solche digitale Fitnessübung anmelden kann. Noch von dem ekstatischen Gefühl eines Apple-Neubesitzers geleitet, meldete sich meine Frau für eine Schulung des Apple-Fotoprogramms iPhoto an. Sie wollte verstehen, wie man die – dank Handy und digitalen Kameras inflationär anfallenden – Bildchen aus dem eigenen Leben, optimal organisiert.
„Wir kommen zu unserem ‚One to One‘-Training“, sagte sie nicht ohne Stolz gleich zum ersten Jobs-Jünger, der uns im tempelartigen Laden über den Weg läuft. „Da müsst ihr zu Petra*, die steht da drüben mit dem roten iPad.“ Wir stapften also durch die auf eleganten Tischen dargebotenen digitalen Objekte der Begierde, bis wir zur roten Petra kamen. „Äh ja, ihr seid angemeldet, sucht euch einfach einen Platz an der Genius Bar aus“. Ok, weiter ging die Wanderung durch die unendlichen Weiten des Konsumtempels. Am Tisch, der offensichtlich den stolzen Namen „Genius Bar“ trägt, angekommen, warteten wir auf den hochbegabten Trainer, der diesem Namen alle Ehre machte.
„Hallo ich bin Peter*“, sagte der begabte junge Mann mit iPad zu meiner Frau. „Eigentlich dürft ihr ja nicht zu zweit sein, aber ich mache heute mal eine Ausnahme.“ Ganz schön streng, der geniale Peter, dachte ich. „Zunächst möchte ich für weitere Trainings den Ablauf zur Anmeldung noch einmal erklären“, dozierte Peter. „Äh, kann ich nicht erst mal meine Fragen stellen?“, fragte meine Frau mit Blick auf die Uhr. Von den versprochenen 30 Minuten waren schon einige auf der Stecke geblieben. „Es ist besser, ich erkläre euch erst mal, wie so ein Training funktioniert“, insistierte Peter auf seinem Standpunkt. „Zum Beispiel sind ja 30 Minuten Training gar nicht 30 Minuten, sondern 25“, versuchte er seinen erklärenden Einstieg zu begründen.
Kurzum, wir haben viel gelernt: Wenn zu Hause etwas nicht funktioniert, dann sind das sogenannte Supportfragen. Hierfür hat Apple eine Hotline, die 90 Tage nach dem Kauf kostenlos ist, danach Geld kostet. Wo der Unterschied zwischen Training und Support ist, weiß allerdings nur Peter, der machte Gott sei Dank bei einigen Fragen eine Ausnahme. Nach gefühlten zehn Fragen, die Peter didaktisch geschult alle mit ausführlichen Beispielen beantwortete, war die 25-Minuten-„halbe Stunde“ vorbei. „Die nächste Stunde könnt ihr frühestens morgen buchen“, gab uns der regelorientierte Peter noch mit auf den Weg und hinterließ uns eher ratlos als euphorisiert.
„Früher konnte man in einen Apple-Laden gehen und jeden Verkäufer einfach mal was fragen“, erinnerte ich mich dunkel an eine Zeit vor digital gebuchten „One to One“-Stunden. „Das gehörte irgendwie zum Service dazu, ist aber lange her“, sagte ich noch resigniert und verließ den Apple Store ohne eine weitere Anschaffung. Mir fehlt einfach die Zeit, mir die Produkte nach langer Buchungszeremonie dann in 25-Minuten-Häppchen erklären zu lassen.
*Namen vom Autor verändert
Über den Autor: Uwe Mommert ist Vorstand für Vertrieb und Produktion der Landau Media AG. Darüber hinaus ist er begeisterter Web 2.0-Fan und immer an innovativen Ideen interessiert. Für medienrot.de kommentiert Uwe Mommert regelmäßig das Mediengeschehen.